"Singe, o Göttin, den Zorn des Achilleus". Diese Worte bilden den ersten Vers der "Ilias" des Homer. Und sie geben das Thema vor für das gewaltige Epos, das am Anfang der Literaturgeschichte steht. Der "unselige Zorn" oder Groll des griechischen Helden Achill ist die zentrale Gefühlslage im ersten Gesang der Ilias.
Und sofort sind wir mittendrin im Konkurrenz- und Machtkampf im Lager der Griechen, zwischen dem obersten Feldherren Agamemnon und dem besten Kämpfer Achill, dessen Kränkung der Ausgangspunkt für unendliches Leid und den Tod vieler Helden auf Seiten der griechischen Belagerer Trojas ist.
"Heim-Premiere" mit Verspätung
In einer von Beginn an packenden szenischen Installation kam "Der Zorn des Achill" im Begleitprogramm zur Ausstellung "Antike Erfinden" jetzt im Toscanasaal der Würzburger Residenz zur Aufführung. Die von Georg Rootering, in Würzburg in Erinnerung als Oberspielleiter und Regisseur am damaligen Stadttheater, konzipierte Fassung entstand als Auftragsarbeit des Würzburger Martin-von-Wagner-Museums bereits im Jahr 2021 und war seither mit großem Erfolg in München und in Liechtenstein zu sehen.
Doch erst bei der "Heim-Premiere" am Tag nach der Ausstellungseröffnung entfaltet die Arbeit ihre ganze Kraft. Aus den in der Ausstellung zu sehenden rund 140 Zeichnungen und Skizzen, die der Antiken-Kenner und Homer-Verehrer Martin von Wagner im Laufe von 50 Jahren zur Ilias geschaffen hat, hat Ausstatter Lukas Noll ein gutes Dutzend ausgewählt und projeziert sie als computeranimierte Videoinstallation für sein "dynamisches Bühnenbild".
Nicht auflösbare Rivalität
Vor diesem Hintergrund sprechen Silvia-Maria Jung und Dimitri Stapfer, zumeist an den beiden Enden einer langen Tafel sitzend und in stetem Figurenwechsel, die Homer`schen Verse. Besonders eindrucksvoll klingt das beim Prolog, dem sogenannten Proömium, das Jung und Stapfer zur großen Verblüffung des Publikums in altgriechischer Sprache vortragen. Doch ehe sich das irritierte Raunen im Publikum zum Missmut auswächst, folgt schon die deutsche Übersetzung.
Eindringlich und im perfekten Vers-Rhythmus erzählen Jung und Stapfer von den folgenschweren Zerwürfnissen, den verletzten Eitelkeiten, der auch vom Vermittler Nestor nicht auflösbaren Rivalität zwischen dem intriganten, selbstherrlichen und machtbewußten Agamemnon und dem introvertierten, aufrichtigen, bei aller erlittenen Kränkung gleichwohl um Rationalität bemühten Achill. Ein nahezu 3000 Jahre altes Lehrstück über Menschen und Götter - und darüber, warum es kein Ende nimmt mit den Kriegen.