Bei Song Nummer drei wird es leise und sanft. Zarte Töne, melancholische Stimme . . . . Dabei ist man eben erst mit einem packenden Gitarrenriff und dem ziemlich knackigen Refrain von „Something Great“ rockig ins Album gezogen worden. Im zweiten Track hat man zur hell-heiteren Melodie von Madoline, Gitarre und Irish Bouzouki über einen Alltagslügner geschmunzelt. Über einen, der sicher ist, dass er übers Wasser gehen kann – bis er sinkt. Einen, der Dich für immer liebt – bis er's halt nicht mehr tut. Und dann kommt – behutsam, ruhig, mit zarter Gitarre – die rührende Geschichte über „The Pauper's Daughter“.
Eigentlich macht Markus Rill in diesem Song gar nicht viele Worte, und doch erzählt er mit all den Leerstellen atmosphärisch eine ganze Geschichte. Über die Tochter des Sozialhilfeempfängers – „Queen without a crown“ mit Lumpen, aber erhobenem Haupt – über die die Leute in ihrer Heimat noch immer sprechen.
Ziemlich dynamische, abwechslungsreiche Platte
Die drei ersten Songs sind gespielt. Und beim jungfräulichen Hören, während die Füße spätestens bei der bluegrassigen fünften Nummer zu wippen, die Finger zu schnippen beginnen, ist klar: Das ist eine ziemlich dynamische, ziemlich abwechslungsreiche Platte geworden. Markus Rill, der Americana-Sänger-Songwriter aus Würzburg, hat mit seiner frischbesetzten Band „The Troublemakers“ ein neues Album veröffentlicht: Am nächsten Samstag, 23. April, stellen die Musiker „Dream Anyway“ beim Release-Konzert in der Kellerperle vor.
Es ist Rills zehntes Album – seit 1997. Da brachte er, noch im Eigenverlag, nach Studienjahren in Texas und Tennessee sein Debüt „Gunslinger's Tales“ heraus, aus dem die Vorbilder Dylan, Townes van Zandt, Elvis oder Steve Earle schon rauszuhören waren. Die erste Platte mit den „Troublemakers“ erschien dann vor fünf Jahren. „Songs, die schön mehrdeutig schimmern“, schrieb der Rolling Stone über die Musik des 46-Jährigen, der seit vielen Jahren mit Schmirgelpapierstimme und Gitarre auf Bühnen in der ganzen Republik steht.
Rill selbst geht es weniger ums Schimmern, als ums Authentisch-Sein: „Ein Thema muss mich berühren, dass ich darüber schreiben kann.“ Den melodisch erstaunlich hellen Song „Losing my Mind“ schrieb er nach dem Austausch mit einem Alzheimer-Patienten, der ihm lakonisch und offen über das Fortschreiten der Krankheit erzählte. Im ruhigen „Over Long Ago“ singt Rill – rau und ungeschmirgelt – vom lebenslangen Trauma des missbrauchten Kindes. Marco Hohner lässt dazu die Lap Steel Gitarre weinen, Schlagzeuger Leonardo von Papp gibt sacht den Rhythmus, Chris Reiss tupft den Bass, Manuela Huber setzt bittersüß die Pianountermalung.
Zu Fünft sechs Tage im Tonstudio
In sechs Tagen haben die fünf „Troublemakers“ im Studio ihre neue Platte eingespielt. Und auch wenn Rill, sagt er, nur in Song-Kategorien denkt und keine Alben konzipiert: „Dream Anyway“ ist eine ziemlich runde, dynamische Sache geworden. Eine Platte mit ein paar ganz starken Nummern, melodischer Abwechslung und großer Stimmungsbandbreite, die man gleich noch mal rauf und runter hören kann. Banjo-getriebene Nummern, unbeschwerter Polka-Sound mit Slide-Gitarren-Solo, Arrangements mit der schönen Hintergrundstimme von Keyboarderin Manuela Huber . . . . schon ist man beim lauten, poppigen „Better“, einem hitverdächtigen Song, den Markus Rill mit der schwedischen Liedermacherin Annika Fehling und Dave Sutherland in London geschrieben hat.
Rill macht Musik ohne Firlefanz, ohne große Geste und Show. Er erzählt Geschichten abseits des Sonnenuntergangs-Highway-lonesome-Cowboy-Country-Amerikas. Eigenwillige Songs statt Radiogedudel.
Aber er habe gelernt, besser mit Melodien umzugehen, sagt Rill über seine Entwicklung. Er presse nicht mehr möglichst viel Inhalt in einen Song, er versuche, zur eingängigen Melodie auch die Lyrik gefälliger zu machen. „Man kann immer irgendetwas schreiben. Die Frage ist, ob das für den Song wichtig ist.“ Die Nummer „Some Democracy“, bei der er über die Verlogenheit der Politik herzieht, war ihm fast zu plakativ und deutlich an Botschaft. Aber live, bei den Konzerten in Clubs und Kneipen, kam der Song gut an, so dass ihn Rill aufs Album nahm.
Traum von größeren Clubs, mehr Bekanntheit Bekannter werden, das größere Publikum erreichen, bundesweit mit der Band in guten, größeren Clubs wie dem Aschaffenburger Colos-Saal spielen zu können – auch ein Traum und Ziel von „Dream Anyway“.
Seit fast 20 Jahren ist Rill jetzt als Songwriter und Sänger unterwegs, er gilt als einer der bekanntesten deutschen Americana-Komponisten, veröffentlicht ein gutes Album nach dem anderen und heimst in den USA Lob und Preise ein. In der Heimat aber ist er noch immer ein „Geheimtipp“, und viele, die seine Musik mögen müssten, sind auf ihn schlicht (noch) nicht aufmerksam geworden.
Dabei reicht er mit Ohrwurm-Songs wie „Walk On Water“ weit hinaus aus der amerikanischen Folk-Rock'n Roll-und-Country-Ecke. Ja, da sei noch Potenzial, sagt Rill, der – weil er keinen Mainstream produziert – sein täglich Brot als Redakteur der Main-Post verdient: „Das neue Album hat ein paar Songs, die zugänglicher sind und dem ein oder anderen vielleicht den Weg zu meiner Musik ebnen könnten.“
Den rockigen, extrovertierten Titelsong hat Rill übrigens ans Ende gesetzt: „Dream Anyway“. Trotzdem träumen. Die „Troublemakers“ tun es mit vollem Sound und gepflegter instrumenteller Kraft.
Release-Konzert
Das neue Album „Dream Anyway“ (Blue Rose Records) stellen Markus Rill & The Troublemakers am Samstag, 23. April, um 20 Uhr in der Würzburger Kellerperle vor.