Ein großes Projekt beginnt ganz bescheiden in der Turnhalle einer Grundschule mitten in Essen: Mit einem Sterne-Koch aus Ghana, der im Schwäbischen aufwuchs, mit einer großen Plastiktonne in leuchtendem Orange und einem agilen weißhaarigen Mann aus Würzburg, der beide der Öffentlichkeit präsentiert.
Vielfacher Millionär
Hans-Dieter Cleven ist gebürtiger Würzburger und vielfacher Millionär. Und „nur wenige Manager hatten in ihrem Leben so viel Macht wie Hans-Dieter Cleven“, schrieb 2003 das „Manager Magazin“ über ihn. Aber er kommt bescheiden daher, mit offenem Hemd unter blauem Jackett, wirkt fast, als sei er einfach einer der Lehrer an der Schule. Aber sofort gruppieren sich in der Turnhalle Menschen um ihn, suchen seine Nähe. Der Manager redet leise, mit sparsamen Handbewegungen – aber wie einer, der gewohnt ist, dass man ihm zuhört.
Wohltätigkeitsinitiative fit4future
Für seine Initiative fit4future präsentiert der Gründer der Cleven-Stiftung den aus dem Fernsehen bekannten Sterne-Koch Nelson Müller als „Ernährungsbotschafter“ – neben „Sportbotschaftern“ wie Skirennfahrer Felix Neureuther. Die orangefarbene Plastiktonne voller Spiele ist ein Herzstück der Aktion: Die darin steckenden Spiele sollen Kinder zu mehr Bewegung animieren, im Pausenhof und auch darüber hinaus.
Cleven weiß, wie wichtig Bewegung und gute Ernährung sind: Tennis, Skifahren und Golf haben dem 74-Jährigen die sportliche Figur bis ins Alter bewahrt. Und für gutes Essen hat er offenbar etwas übrig, den Sterne-Koch Müller duzt er und legt ihm im Gespräch vertraut die Hand auf die Schulter.
Die rechte Hand von Otto Beisheim
Der gebürtige Würzburger steht mit seinem Namen seit 2005 hinter der bundesweiten Initiative, für die Bundesernährungsminister Hermann Gröhe die Schirmherrschaft hat. Cleven ist in der Finanzwelt so bekannt wie Boris Becker im Sport: Er war die rechte Hand des Metro-Gründers Otto Beisheim, für den er einen der fünf größten Handelsgiganten der Welt mit aufbaute.
Bei Metro waren Kaufhof und Real, Saturn und die Praktiker-Baumärkte. Cleven saß jahrelang im Metro-Aufsichtsrat und verwaltete später Beisheims Milliardenvermögen.
Das liegt lange hinter ihm. Nach seinem Rückzug bei Beisheim handelte Cleven auf eigene Rechnung: Dazu gehört neben der Stiftung und dem Golfklub in Bad Griesbach die Zuger Sportvermarktungsagentur 4Sports. Der Filmregisseur Dieter Wedel setzte mit seinem Fernseh-Vierteiler „Der große Bellheim“ dem Kaufhauskönig Beisheim und seinen Managern ein Denkmal. Ob er sich gut getroffen fühle im Film? „Für so was habe ich keine Zeit“, sagt er ein wenig unwirsch.
Gespräch in der Umkleidekabine
Zum Gespräch bittet er ganz unkompliziert in die Umkleidekabine der Grundschule: „Ein Raum ist dafür so gut wie der andere.“ Mit dem Thema ist er schnell durch.
Was ihn mit Würzburg verbindet? „Ich bin da geboren, während des Krieges. Als mein Vater fiel, nahm mich meine Mutter und wir zogen zu ihren Eltern nach Essen.“ In seiner Geburtsstadt „kenne ich so gut wie keinen und mich kennt keiner“. Man merkt, das ist kein wichtiges Thema für ihn. „Jeder wird irgendwo geboren“, sagt er, und schiebt höflich nach. „Aber ich will da schon mal hin. Jeder Würzburger, den ich treffe, sagt mir: Das solltest du mal sehen.“
Inzwischen ist er seit 40 Jahren Wahl-Schweizer und längst im Ruhestand – was für ihn Unruhestand ist. Laut dem Magazin „Bilanz“ gehört Cleven zu den 400 reichsten Schweizern. Aber im Ruhrpott um Essen ist er nach dem Krieg groß geworden. Deshalb präsentiert der finanzstarke Unternehmer hier den Promi, der sein bundesweites Projekt fit4future noch bekannter machen soll – zugunsten von Kindern, die sich mehr bewegen und gesünder ernähren sollen.
Der Vater starb im krieg, da verließ er mit seiner Mutter Würzburg
Das gibt es seit 2005. Inzwischen sind konzentriertes Lernen und Stressbewältigung neue Schwerpunkte der Initiative, einer der größten Präventionskampagnen an deutschen Schulen. Über die soll das Bewusstsein der Kinder für Bewegung und gesunde Ernährung nachhaltig auch nach Hause vermittelt werden – was wichtig ist.
Das Programm der Cleven-Stiftung mit dem fit4future-Kompetenzpartner DAK-Gesundheit wird von der Technischen Universität München wissenschaftlich evaluiert. Die teilnehmenden Schulen werden drei Jahre lang professionell bei der Umsetzung begleitet und persönlich gecoacht.
Stolz verkündet Cleven: „Mittlerweile haben wir 600 bis 700 Schulen, dieses Jahr kommen 1000 dazu, nächstes Jahr noch mal 500.“ Unter den von der Stiftung geförderten Schulen sind 282 in Bayern. „Auch unterfränkische Schulen nehmen teil, unter anderem aus Würzburg, Schweinfurt, Kitzingen, Haßfurt, Bad Brückenau und Marktheidenfeld“, weiß DAK-Pressesprecher Stefan Wandel.
Boris Becker war Botschafter der Initiative
Alle Grund- und Förderschulen, die am Programm teilnehmen, bekommen eine orangefarbene Spieltonne als Geschenk: Eine Tonne bis zum Rand gefüllt mit mehr als 100 Spiel- und Sportgeräten. „Natürlich bin ich als Koch in erster Linie ein Genuss-Botschafter,“ sagt Feinschmecker Nelson Müller gut gelaunt in die Kameras. „Aber Genuss in der heutigen Zeit muss mit Gesundheit einhergehen. Das ist ein zukunftsweisendes Thema.“
Als die Initiative vor zwölf Jahren startete, hieß sie noch Cleven-Becker-Stiftung. Der Manager (ein langjähriger Tennisspieler des TC Zug in der Schweiz) war der väterliche Freund des Wimbledon-Siegers und ihm finanziell stark verbunden. Und neben der orangefarbenen Tonne der Aktion, an der jetzt Nelson Müller posiert, kniete 2005 werbewirksam die Tennis-Legende Boris Becker. 2011 hieß es dann: „Boris Becker trat aufgrund seiner starken zeitlichen Beanspruchung als Stiftungsrat zurück.“ Er bleibe der Cleven-Stiftung aber weiterhin wohlwollend als Botschafter erhalten.
Aus der Patsche geholfen
„Hans-Dieter Cleven ist als vertrauensvoller Freund unglaublich wertvoll für mich“, ließ Becker noch 2013 über den gebürtigen Würzburger in seiner Biografie „Das Leben ist kein Spiel“ sagen. Doch das ist längst Vergangenheit, inzwischen beharken sich beide über ihre Anwälte in aller Öffentlichkeit. Becker schuldet seinem ehemaligen Geschäftspartner so viel wie keinem anderen, mehr als 36 Millionen Euro – das hat ein Schweizer Gericht festgestellt.
Cleven hat die steigenden Schulden jahrelang schweigend hingenommen und Becker immer wieder mit Millionenbeträgen finanziell aus der Patsche geholfen. Nun muss er fürchten, davon wenig wiederzusehen. Laut „Stern“ wollen auch andere Gläubiger viel Geld von Becker, angeblich insgesamt 61 Millionen Euro. Der behauptet tapfer, er sei nicht pleite – überlegt aber angeblich, ob er für viel schnelles Geld sogar in die englische Version des Dschungelcamps gehen würde.
Für Cleven stellt sich die Frage, ob ihn der Leimener „geleimt“ hat. Denn unklar ist, was die Sicherheiten wert sind, die ihm Becker als Pfand überließ – nach Clevens Angaben neben der Finca auf Mallorca das Elternhaus in Leimen und Autohäuser in Ostdeutschland.
Verbindungen zur dubiosen Firma S & K
Denn Becker wollte nach Unterlagen, die unserer Redaktion vorliegen, sein Elternhaus an Jonas K., einen dubiosen Geschäftsmann aus Unterfranken verkaufen. Dem Mitbegründer der Immobilienfirma S & K hätte eine Immobilie, die mit dem Namen des Wimbledon-Siegers verbunden ist, gewiss gut ins Werbekonzept gepasst.
Zwei Jahre, bevor die Kripo mit einer bundesweiten Razzia die Geschäfte von S & K beendete, verhandelte Jonas K. mit Becker. Beide trafen sich laut dem dieser Redaktion vorliegenden Kaufvertrag am 3. August 2011 beim Frankfurter Notar Herbert Weise: Die Villa sollte an einen der Fonds des Immobilien-Imperiums gehen, in die K. seine Anleger lockte. Doch dann scheiterte der Kauf daran, dass Becker den Grundschuldbrief für das Haus nicht beibrachte. Becker hatte sich eine Grundschuld von 825 000 Euro auf das Haus eintragen lassen.
K. verlor die Geduld: In einem Schreiben vom 5. September 2011, das der Redaktion vorliegt, teilte er Becker mit: „Aus diesem Grund müssen wir leider von dem mit Ihnen geschlossenen Vertrag zurücktreten.“ Auch über die Finca – die Cleven ebenfalls als Gegenwert für sein geliehenes Geld zugesichert war – will K. mit Becker verhandelt haben.
Nach einem Prozess, in dem er (noch nicht rechtskräftig) zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt wurde, ist K. jetzt ziemlich klamm. Er bot der Redaktion „alle Verträge, E-Mailverkehr mit seinen Anwälten zum geplanten Kauf der Villa auf Mallorca sowie ein Foto von Becker und mir am Tag der Beurkundung“ an. Er hatte genaue Preisvorstellungen, was die Information wert wäre: „10 000 okay?“
Blick in die Zukunft
Beckers Anwalt äußerte sich auf schriftliche Anfrage der Redaktion nicht. Nach dem Cleven-Interview sprach er von „zum Teil falschen oder irreführenden Äußerungen“ und urteilt über Clevens Darstellung: Sie sei „der untaugliche Versuch, über öffentlichen Druck eine nicht berechtigte Forderung gegen unseren Mandanten durchzusetzen.“
Cleven will darüber in Essen nicht groß reden, spricht aber nur noch von der „früheren Zusammenarbeit“. Er sagt kurz und bündig: „Irgendwann ging es nicht mehr wie gedacht.“ Er will lieber über fit4future sprechen. Um Becker „kümmern sich die, die dafür zuständig sind“.
Zahlt Becker, dann soll ein Großteil der 36 Millionen der Stiftung zu Gute kommen – und damit Projekten wie der Schule in Essen und anderen in München, Marktheidenfeld, Haßfurt oder Schweinfurt.