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WÜRZBURG/HERAT
Der Verein „Shelter Now!“ betreibt eine Zahnarztpraxis in Westafghanistan
Hygiene wird großgeschrieben: Das neu eingerichtete Praxiszimmer in der von „Shelter Now!“ betriebenen Zahnklinik in Herat.
Foto: Privat | Hygiene wird großgeschrieben: Das neu eingerichtete Praxiszimmer in der von „Shelter Now!“ betriebenen Zahnklinik in Herat.
Von unserem Redaktionsmitglied regina urbon
 |  aktualisiert: 24.05.2011 13:32 Uhr

Sie mussten Morddrohungen aushalten, erlebten den Einschlag einer Granate im Nachbarhaus und wurden vor Selbstmordattentätern gewarnt. Trotz dieser riskanten Umstände betreiben die Helfer des gemeinnützigen Vereins „Shelter Now!" (frei übersetzt: jetzt ein schützendes Dach) in der westafghanischen Provinzhauptstadt Herat eine moderne Zahnarztklinik. In den letzten Jahren wurden die Aufbauarbeiten tatkräftig von Helfern aus der Würzburger Region und aus Freilassing unterstützt – diesmal ausgerechnet auch in den Tagen, als Osama bin Laden getötet wurde.

„Schlagartig", berichtet der zurückgekehrte Würzburger Andreas Ziehr, waren statt der bisherigen Polizeistreifen auf den Straßen von Herat auch jede Menge Militärs unterwegs. Ziehr, der für diese herausfordernden Vorhaben einmal im Jahr von der Firma Brose Sonderurlaub erhält und selbst im Vorstand des Vereins aktiv ist, war mit einer vierköpfigen Gruppe von Spezialisten aufgebrochen, darunter Frank Kempin aus Zell. Der Service-Techniker von Gerl Dental in Würzburg konnte helfen, den letzten Zahnarztstuhl in der „International Dental Clinic“ von Herat betriebsbereit zu machen.

Die Bundeswehr allein hatte – für „Shelter Now!“ ohne Kosten – 1,2 Tonnen medizinisches Material ins Land befördert. Ziehr stellt anerkennend fest: „Wir hätten keine Zahnarztpraxis dort, wenn die Bundeswehr nicht eingesprungen wäre".

Im Herbst 2009 nahm die Praxis ihren Betrieb auf. Sie verfügt mittlerweile über fünf Zahnarztstühle, davon zwei Stühle aus dem Iran und drei gespendete Stühle aus Unterfranken. Damit ist die Kapazität der Praxis ausgeschöpft.

„Wir zahlen keinen Strom, keine Miete, keine Wasserkosten", berichtet Ziehr. Dafür steht die Provinzregierung gerade. Die International Dental Clinic befindet sich in einem Anbau an das Regionalkrankenhaus. „Sie ist stets hygienisch einwandfrei, der Boden spiegelblank“. Ziehr zeigt Fotos von der Einrichtung. Alle, egal ob Personal oder Patienten, dürfen nur mit Überschuhen die Räume betreten. Selbst Afghanistans Energieminister Ismael Khan musste in die Überschuhe schlüpfen. Von seinen zehn Bodyguards durfte nur einer mit hinein – ebenso ausgestattet.

Die Praxis ist sehr begehrt, „selbst in der Hauptstadt Kabul gibt es nichts Vergleichbares", ist Ziehr stolz. Geleitet wird die Praxis von der Iranerin Azar Eyni, selbst Mitglied bei „Shelter Now!“. Nach ihrem Studium in Deutschland sprang sie in Irans Nachbarstaat Afghanistan ein.

Unterschied wie Tag und Nacht

Moderne Praxen sind in Afghanistan dringend nötig, denn bislang sei es üblich, bei Schmerzen Zähne sofort zu ziehen. Die Zahnarztpraxis am Regionalkrankenhaus Herat dagegen entspricht europäischen Standards und kann sogar auf zwei Röntgengeräte zurückgreifen.

Ganz anders das Regionalkrankenhaus selbst. Es gebe keine Grundhygiene. Patienten, die im Flur warteten, mussten durch die Ergüsse der übergelaufenen Toilette gehen. „Im OP-Raum tropfte die Klimaanlage, Staub lag dick auf den Fenstersimsen", entsetzt sich Frank Kempin:. Immer wieder sterben Patienten wegen fehlerhafter Anästhesie oder an Infektionen. Kempin: „Einen Sterilisator habe ich nicht gesehen". Hochrangige Afghanen ihrerseits würden Krankenhausaufenthalte in den Nachbarländern Indien oder Iran bevorzugen.

„Wir bilden zurzeit zwei Zahnärzte und sieben Helfer aus", ist Ziehr erfreut. Sie werden mit den Spendengeldern von Shelter Now bezahlt.

Dringend bräuchte „Shelter Now!“ noch zahnärztliche Geräte wie Bestecke oder Kompressoren. Auch ein Notstromaggregat für den Winter, wenn alle Heizungen laufen, muss nach dem Ausfall des bisherigen unbedingt angeschafft werden.

Wer helfen will, kann dies über das Spendenkonto von „Shelter Now!“ tun: Konto-Nr. 2523058, BLZ 25050000 bei der Nord LB.

Fehlendes Know How, mangelnde Hygiene: Ein in Afghanistan gängiges Modell einer Zahnarztpraxis.
Foto: Privat | Fehlendes Know How, mangelnde Hygiene: Ein in Afghanistan gängiges Modell einer Zahnarztpraxis.
 
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