Es ist ein kleines aber gemütliches Wohnzimmer im Stadtteil Lengfeld, mit Blumen und Kakteen vor dem raumhohen Fenster, mit Ledersofa und -Sessel, einem schwarz glänzenden Klavier, auf dem ein Räucherstäbchen in seinem Halter langsam vor sich hin glimmt, und Bücherregalen an den Wänden. "Den Fernseher haben wir abgeschafft", sagt Inge Langer, die Lebensgefährtin von Gerd Paul. "Dafür gehen wir viel ins Kino. Unsere Quality-Time besteht aber vor allem aus Lesen, Vorlesen und Basteln." Denn Gerd Paul, eigentlich Instruktor im Kieser-Rückentraining in der Zeller Straße, hat ein ungewöhnliches Hobby.
"Ich bastele Kartonmodelle", erklärt er. "Darauf gekommen bin ich aus Zuhörlangeweile", sagt Paul und lacht. "Wenn wir uns vorlesen statt fernzusehen, hab ich mir beim Zuhören gedacht, da könnte ich noch etwas machen", erklärt er. "Und so bin ich aus Zufall bei meiner Flötenlehrerin auf solche Modelle gestoßen. Die Eule da oben auf dem Schrank ist vor zehn Jahren als erste entstanden", erklärt er. "Dann habe ich geschaut, was man sonst noch basteln kann."
Die Bausätze werden von Verlagen hergestellt und kosten normalerweise zwischen zehn und dreißig Euro, der teuerste Satz kostet 60 Euro, berichtet Paul. "Fürs Basteln braucht man noch eine Schneidunterlage, ein Cuttermesser, Schere, Bastelkleber und eine Pinzette", fährt er fort. Dann wird geschnitten, gefummelt und geklebt.
"So entstehen aus so flachen Scheiben dreidimensionale Dinge", sagt er und zeigt, woran er gerade arbeitet. "Das ist die Giralda, der Glockenturm der Kathedrale von Sevilla", erklärt der 51-jährige Bastler und man erkennt, warum er auch eine Pinzette braucht.
Je nach Schwierigkeitsgrad dauert es zwischen zehn und über 100 Stunden, bis das Modell fertig ist, erklärt er. "Bei dem Autor, dessen Buch auf dem Tisch liegt, sind wir schon bei Band Neun", wirft Inge Langer ein und lacht. Einige der 60 bis 70 "Werke", die er in den letzten Jahren fertiggestellt hat, stehen, teils unter Acrylglas vor Staub geschützt, auf den Regalen. So zum Beispiel die Marksburg aus der Nähe von Koblenz oder das Fargus-Werk im niedersächsischen Alfeld. Eine Fabrik für Schuhleisten, die 1911 vom Architekten Walter Gropius und dessen Mitarbeiter Adolf Meyer entworfen wurde. Sie steht seit 1946 unter Denkmalschutz und ist seit 2011 Bestandteil des Unesco-Weltkulturerbes.
Denn Paul hat sich in den letzten Jahren "spezialisiert". "Auf Welterbe-Modelle, weil ich die anderen architektonischen Dinge bereits durch hatte", erzählt er. "Von denen habe ich jetzt 30 Stück." Auf ein Welterbe-Modell muss er aber nach wie vor verzichten.
"Die Würzburger Residenz gibt es nicht als Bausatz", bedauert er. Die Mindestabnahme, die man den Verlagen garantieren müsse, damit sich die Herstellung lohne, betrage 1500 Stück, das gehe auch auf zehn Jahre gestreckt. "Aber diese Abnahmegarantie ist niemand bereit, zu geben. Ich habe bei der Tourist-Info und im Museumsshop der Residenz gefragt. Zwei oder dreihundert Stück wären sie bereit abzunehmen, um zu sehen, ob es funktioniert. Mehr nicht. Und ich habe das Geld nicht, um da in Vorleistung zu gehen", bedauert er. "Auch wenn ich denke, dass es funktionieren würde."
Die Bausätze herzustellen sei auch sehr aufwändig und teuer, weiß er. "Das machen Grafiker, die sich dann Stunden hinsetzen und aus Bildern diese Schnittmuster erzeugen." Je nach Größe der "Vorlage" im Maßstab 1:86 bis zu 1:400. Das größte Modell, das er bislang gebaut hat, war der Eiffelturm, über einen Meter hoch, das aufwändigste der Kölner Dom. "Der hat gut 110 Stunden gedauert." Am schnellsten sei mit acht Stunden Stonehenge entstanden.
"Man muss ja alles selbst ausschneiden, auch die Falzkanten vorsichtig anritzen und dabei nicht durchschneiden und später nacharbeiten, damit man die weiße Pappe nicht sieht", erklärt Inge Langer. "Das war gerade beim Kölner Dom sehr aufwändig", erinnert er sich. "Da hat er entdeckt, dass er eine Brille braucht", scherzt seine Lebengefährtin.
Und wenn doch einmal etwas schief geht? "Den Eiffelturm habe ich nachgekauft, da war etwas schief geraten", erzählt Gerd Paul. "Und ein Modell habe ich noch während der Bauzeit dem Feuer übergeben", sagt er und schmunzelt. "Das war der Papstpalast in Avignon. Da war die Beschreibung fürchterlich kompliziert auf Französisch und die Nummerierung hat nicht gepasst."
Im Sommer dieses Jahres hat er seine Welterbe-Modelle in Bad Kissingen ausgestellt. "Die Ausstellung wurde sogar verlängert", berichtet er stolz. In diesem Sommer sollen die Modelle von Ende Mai bis Ende Juni im Oberen Foyer des Würzburger Rathauses zu sehen sein. "Rund um den Welterbe-Tag am 4. Juni", sagt Paul. Zu sehen gibt es dann Welterbe-Modelle aus über zehn Ländern und von vier Kontinenten.
Bis dahin ruhen die meisten Modelle zum Transport sorgfältig in Kartons verpackt bei einer Freundin im Keller, die dafür Platz habe. 20 bereits gekaufte, aber noch unverarbeitete Schnittbögen hat er bei sich selbst in Lengfeld im Keller liegen. "Darunter auch eine über zwei Meter hohe Sojusrakete", sagt Gerd Paul. "Mal sehen, ob und wann ich das angehe." Und wieder geschnitten, gefummelt und geklebt wird.
Ich selbst mache das auch, meist im Kleineren. Das ganze nennt sich im Internet auch Papercraft. Das machst wirklich Freude und das Ergebnis ist immer etwas zum vorzeigen! Auch wenn es mal nicht ganz gerade geworden ist
Ich selbst mache das auch, meist im Kleineren. Das ganze nennt sich im Internet auch Papercraft. Das machst wirklich Freude und das Ergebnis ist immer etwas zum vorzeigen! Auch wenn es mal nicht ganz gerade geworden ist
Schön, wenn man so geschickt ist und so viel Geduld hat.