
Um das Springerbecken des Würzburger Dallenbergbads drängt sich eine Menschenmenge. Alle Augen blicken nach oben, Handykameras werden auf das Zehn-Meter-Brett gerichtet, zoomen auf den Mann mit weißen Haaren und knallgelber Badehose. Jürgen Bücking steht auf den Zehenspitzen, ganz vorne an der Kante. Der 65-Jährige dreht den Zuschauern den Rücken zu, holt mit den Armen Schwung. Dann stößt er sich ohne Zögern ab - und springt mit einem Rückwärtssalto in die Tiefe.
"Es ist ein rundherum schönes Gefühl", sagt Jürgen Bücking. "Zwei Sekunden Freiheit!" Manchmal sehe er im Sprung den Himmel über sich, manchmal nehme er die Menschen weit unten wahr. Meistens aber sei er ganz bei sich.
Mit 15 Jahren sprang Jürgen Bücking zum ersten Mal vom Zehn-Meter-Brett
Bücking taucht elegant ins Wasser. Applaus brandet auf. Jubel. In der Regel, sagt einer der Bademeister vom Dallenbergbad, höre man es, wenn dieser Springer da ist.
Wer aber ist Jürgen Bücking? Warum war er in diesem Sommer so oft im Würzburger Freibad - und woher kann er so gut springen?

Angefangen, sagt Bücking, habe alles als zwölfjähriger Bub. In seiner Heimat in Bischofsheim in der Rhön begann er im Sportverein mit Turnen und Leichtathletik und stieg zudem bei der Wasserwacht ein. Im Sommer im Freibad machten er und seine Freunde die Sprünge von Matte und Trampolin auf dem Sprungbrett nach. "Seitdem springe ich."
Zum ersten Mal ganz nach oben aufs Zehn-Meter-Brett habe er sich dann mit 15 in Hammelburg getraut. "Das war ein Kopfsprung", sagt Bücking. Vergessen hat er diesen Moment, seinen Stolz, nie.

Der Sport gehörte seitdem fest zu seinem Leben. Mit 19 wurde Bücking Übungsleiter beim Turn- und Sportverein, später erwarb er Lizenzen, unter anderem als Trampolintrainer. In Nürnberg und Bayreuth schaute er sich auch Turmspring-Vereine an und sprang probeweise mit. Mitglied wurde er aufgrund der weiten Entfernung aber nie, sagt der 65-Jährige. "Wettkämpfe habe ich als Jugendlicher und junger Erwachsener nur im Schwimmen, Turnen und in der Leichtathletik absolviert."
Vom Bayerischen Schwimmverband (BSV) wird Wasserspringen im Freistaat leistungssportmäßig in vier Zentren angeboten – in München, Bayreuth, Nürnberg und Augsburg. Das Wasserspringen sei eine kleinere Sparte beim BSV, sagt Fachwart Ingo Straube: "Das zu lernen ist schwierig."

Deshalb fiel Jürgen Bücking im Dallenbergbad auf. Sommertag für Sommertag kletterte er auf den Sprungturm, Sommertag für Sommertag zog er Bewunderung auf sich. Der 65-Jährige lacht. Er lebt in Volkach im Landkreis Kitzingen, ist gelernter Polizist und unterrichtet an einer Berufsschule in Schweinfurt. Im August hatte er Ferien und verbrachte die Zeit im Würzburger Freibad, ab und an auch im Silvana-Bad in Schweinfurt. "Durch das regelmäßige Springen bin ich bekannter geworden, weil ich anders springe."
Fast nach jedem Sprung wurde er angesprochen und um Tipps gebeten. Generell brauche man zum Springen Mut, Gleichgewichtssinn, Beweglichkeit und Schnellkraft, sagt Bücking. Auch auf Körpergefühl, Körperspannung und Körperbeherrschung komme es an. Und Entschlossenheit. Oben gilt: "So schnell wie möglich springen, bloß nicht anfangen, nachzudenken."
Ersatz fürs Turmspringen im Winter: Fitnesstraining und Tanzen
Gerade am Anfang könne die Höhe erschrecken, sagt der erfahrene Springer. Vom Zehn-Meter-Brett "kann man eigentlich bis zum Boden des Beckens schauen, das ist unglaublich weit", sagt Bücking. "Da wird dem ein oder anderen anders um Herz, er springt mit zitternden Knien oder geht wieder zurück."

Für ihn selbst ist das Springen Routine, Angst empfinde er keine - nur Glück. Was aber macht er im Winter? In der kalten Jahreszeit laufe er mehr, mache Fitness- und Koordinations-Training und er tanze, sagt Bücking. Und manchmal gehe er ins Nautiland in Würzburg und springe. Wenigstens vom Drei-Meter-Brett.
Wir Schweinfurter hatten unseren Harry Gelbfarb der das erste Bodybuilding Studio in Deutschland gründete.
Unvergessen die Fotos im Schweinfurter Sommerbad, mit denen er sich und seine Schar von Gleichgesinnten in den 50ern abgelichtet hat.
Unbedingt "Gelbfarb" googeln.
Die Biografie ist der Hammer.
Eigentlich Stoff für einen Spielfilm.