
Mitten ins „Glacis“ beim Rennweger Tor, auf grundsätzlich freizuhaltendem Schussfeld vor den Stadtmauern also, baute der Konditor Friedrich Platz 1826 eine vornehme Vergnügungsstätte, den Platz'schen Garten. In einem Obstgarten, mit Sondergenehmigung des Militärs, mit Abbruchrisiko im Kriegsfall. Schade wär's gewesen um das köstliche, italienisch angehauchte, einsam gelegene Etablissement für die „feine Welt“.
Rasch entdeckten Künstler das dankbare Sujet. Ihre Grafiken halten die luftige Hauptfassade eines eingeschossigen, schmalen Gebäudes fest, mit sieben hohen, rundbogigen Fenstern, pavillonartigen Aufbauten über den Seitenrisaliten, einer Dachterrasse dazwischen. Unter ihr lag der Saal mit seitlichen Musikemporen, Nebenzimmern wohl für Gesellschaften, Spiele, Erfrischungen. Lange Zeit blieben „abonnierte Gäste der höheren Stände“ unter sich.
Der Platz'sche Garten – bis zuletzt nach seinem Gründer benannt – kam schon im Baujahr zu höchsten Ehren. Am 7. Juli 1826, am zweiten, letzten Tag des Antrittsbesuches König Ludwigs I., gab die Stadt ihm zu Ehren hier ihr fulminantes Fest. Der Chronist schwärmt vom erleuchteten Pavillon und Garten, von brennendem Brillantfeuer und Farbenspielen. Die Bevölkerung der ganzen Stadt sei gekommen und viele Fremde, die Umgebung samt extra aufgebauter Tempel eingebunden gewesen. Um 21 Uhr fuhr das Königspaar vor, enthusiastisch begrüßt. Vor dem Eingang stand das Landwehrregiment Parade, während im Saal Magistrat und Gemeindebevollmächtigte begrüßten, die Spitzen der Gesellschaft warteten.
Kantate und Toaste
Dann lauschten die Festgäste vor den östlichen Fenstern einer Kantate, gedichtet von Zurhein, komponiert und dirigiert von Fröhlich. Nach dem Gartenrundgang genoss man auf der Dachterrasse ein Feuerwerk, soupierte im Saal. Vor dessen Westseite musizierten mehrere hundert Gesangsschüler, danach verschiedene Kapellen. Bürgermeister Behr brachte Toaste aus, verwies unter Jubel auf den morgigen Geburtstag der Königin, zu dem ihr Ehrenjungfrauen ein Gedicht vortrugen. Die Gäste blieben bis nach Mitternacht. Ähnlich soll später König Max II. im Platz'schen Garten gefeiert worden sein.
Die Lokalität war beliebt, der Raum bald zu knapp. 1865 erweiterte Johann Feineis den Altbau gleichbreit nach Osten. Es entstand ein Baukörper mit einer Grundfläche von etwa 24 x 60 Metern, ohne Bezug auf die heutigen Grenzen des Areals, in dessen nordwestlichem Bereich. Kleinere Baumaßnahmen folgten, Besitzer wechselten; zwei Namen sind noch wichtig. Am 29. September 1894 machte Franz Kneuer die Eröffnung seines eben erworbenen Festhauses bekannt.
Er durfte bald eine Sternstunde erleben – der Feier zum 90. folgte nämlich am 22. März 1897 die zum 100. Geburtstag Kaiser Wilhelms I.! Von 1929 bis zum Ende steht Frieda Rapp als Besitzerin Hindenburgstraße 2 (heute Friedrich-Ebert-Ring) im Adressbuch. 1943 schaltete sie dort die letzte Anzeige: „Vornehmes Ball- u. Konzerthaus, bevorzugt bei Veranstaltungen aller Art. Säle – Kaffee- und Speisehaus.
Bauzeichnungen fehlen, Annoncen allein können die Räumlichkeiten erklären. Eine von 1938 kurz gefasst: Speise-, Garten- und Café-Restaurant. Geeignet für Tagungen und Kongresse. Speisesaal und geschlossene Glasveranda für 300, Festsaal mit Galerie und Vorsaal für 2000 Personen (1500 an Tischen). Konzertmuschel und Theaterbühne. Einrichtung für Film und Lichtbild. Diverse Nebenräume. Garten mit Terrasse. 50 Parkplätze. Omnibusverbindung zum Bahnhof. Tankstelle. Rundfunk-Anschluss.
Der Platz'sche Garten wurde leider nicht nur fröhlich, friedlich genutzt. Im Bruderkrieg 1866 war er Lazarett, im Ersten Weltkrieg Kaserne. Schlimmer noch kam es. Für die dritte, größte Judendeportation aus Würzburg am 25. April 1942 hatte die Gestapo das Haus für drei Tage zur Abfertigung gepachtet.
Marsch zum Bahnhof Aumühle
Von hier aus mussten die 852 Unglücklichen mit dem Gettogepäck zum Bahnhof Aumühle marschieren, für ihre letzte Zugfahrt 80 RM berappen. Zynischer geht's nicht. Doch am Tag danach trat im Musiksaal wieder der Alltag ein. Das Konzert war „übervoll“, der Sänger wurde begeistert gefeiert.
Heute besteht das Grundstück im Zwickel Rottendorfer Straße / Dürerstraße aus einem Gartenpark. Er soll bebaut werden. Ein problemreicher Ort, sensibel zu behandeln, aus vielen Gründen. Keinesfalls dürfen die Ränder des Areals weiter massiv bebaut werden, das Grün muss nach außen dominieren an dieser Stelle, wie früher. Vielleicht verstehen die Benediktiner als Bauherrn dies, planen nicht primär profitorientiert.
Unser Gastautor Jörg Lusin ist Architekt, promovierter Bauhistoriker und engagierter Denkmalschützer.