Er ist der wohl berühmteste Sohn der Gemeinde Helmstadt: Hans Böhm (um 1450 – 1476), bekannt auch als „Pfeiferhannes“. In seinen Predigten, in denen er gegen Pfaffentum und Fürstendruck eiferte, zog er als junger Mann wahre Menschenmassen an. Auf Anordnung des Bischofs von Würzburg wurde er festgenommen und verbrannt. Hans Böhm zu Ehren wurde im Jahr 2007 das „Pfeifer-Denkmal“ am Rathausplatz in Helmstadt errichtet.
Bernd Schätzlein hat die Aufstellung mitangestoßen. Als Polizeidiener erzählt er Besuchergruppen gerne die Geschichte des Hans Böhm, die er wie wohl kaum ein anderer studiert hat. Unzählige Dokumente über Hans Böhm und dessen Familie hat Schätzlein im Laufe der Jahre zusammengetragen. So kann er das Leben und Wirken des „Pfeiferhannes“ sehr genau nacherzählen – obwohl es schon so lange zurückliegt.
Hans Böhm ist als Sohn böhmischer Flüchtlinge in Helmstadt geboren. Seinen Lebensunterhalt verdiente er als Hirte und er zog als Musikant durch die Dörfer. Der selbstbewusst auftretende, redegewandte Junge war auch schon vor seiner Predigerzeit vielen Menschen in den Dörfern zwischen Würzburg, Wertheim und Tauberbischofsheim bekannt. Er hörte, was das Volk im unteren Maintal über Gott und die Welt redete, und er erfuhr viel von der Not der einfachen Menschen. Mit seiner Herde zog er umher, er lernte Menschen anzusprechen und malte sich im Geiste eine gottgefälligere, bessere Weltordnung aus.
In jener Zeit hatte der „kleine Mann“ wenige bis gar keine Rechte. Wirtschaftliche Not, soziales Elend und Missstände in Kirche und Klerus bestimmten das Leben im 15. Jahrhundert. Die Bauern trugen die Hauptlast zur Aufrechterhaltung der Feudalgesellschaft: Fürsten, Adel und Klerus lebten von deren Arbeitskraft. Neben dem Großzehnt und dem Kleinzehnt auf die meisten ihrer erwirtschafteten Einkünfte und Erträge zahlten sie Steuern, Zölle und Zinsen und waren häufig ihren Grundherren zu Fron- und Spanndiensten verpflichtet.
Hinzu kam, dass in Franken die Realteilung angewandt wurde, die bei gleich bleibender Gesamtproduktionsfläche zu immer kleineren Höfen führte. Viele dieser Kleinstbauernhöfe waren angesichts der hohen Belastungen nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben. Wirtschaftliche Probleme, häufige Missernten und der große Druck der Grundherren führten immer mehr Bauern in die Hörigkeit und weiter in die Leibeigenschaft, woraus wiederum zusätzliche Pachten und Dienstverpflichtungen resultierten.
Seit Jahrhunderten bestehende Allmenden (gemeinschaftliches Eigentum) wurden enteignet und Weide-, Holzschlag-, Fischerei- oder Jagdrechte beschnitten oder abgeschafft. Viele der einfachen Bauern trauten sich nicht, gegen ihre Herren aufzubegehren. Nur wenige hatten die Kraft, die Missstände anzuprangern. Der Wald war voll Brennholz und Wild – doch das „gemeine Volk“ fror und hungerte, weil es die von Gott geschenkten Güter nicht anrühren durfte.
Vor diesem gesellschaftlichen Hintergrund erhob sich Hans Böhm. Offenbar wurde er in seinem Tun durch eine Marienerscheinung bestärkt. Diese kündigte nach seinem eigenen Bekunden ein baldiges Strafgericht Gottes über alle Sünder an. Sie trug dem jungen Mann auf, vor dem Kirchlein in Niklashausen die Menschen zur Buße aufzurufen. Außerdem solle er verkünden, dass alle Gläubigen, die in Verehrung und Demut zum Gnadenbildnis der Mutter Gottes in das Kirchlein nach Niklashausen kämen, ebenso vollkommenen Ablass von ihren Sünden erhielten wie die, die zum Papst nach Rom pilgerten.
So schrie Hans Böhm die herrschende Ungerechtigkeit in seinen Predigten dem Volk entgegen. Seine Stimme fand Gehör und bewegte die Massen. In den Aufzeichnungen, die es gibt, wird von Zusammenkünften von vielen Tausend Menschen geschrieben. Die Wallleute, die zu ihm kamen, wollten ein menschenwürdiges und zugleich gottesfürchtiges Leben führen. Ihre Forderungen nach Milderung der Lasten und Aufhebung der Leibeigenschaft aber rüttelten an den Grundfesten der bestehenden Gesellschaftsordnung.
Hans Böhm stellte mit seinen Predigten eine Gefahr für die Obrigkeit dar. Aus deren Sicht war Zeit zum Handeln, zum Ersticken des aufkeimenden Widerstandes. Bischof Rudolf II. von Scherenberg ließ den „Pfeiferhannes“ am 12. Juli 1476 festnehmen und nach Würzburg auf den Marienberg bringen. Am 19. Juli wurde er auf dem Schottenanger (nahe der Deutschhauskirche) an der Straße nach Zell verbrannt. Während die Flammen hochloderten, soll Hans Böhm mit heller Knabenstimme Marienlieder gesungen haben – bis Schmerz, Feuer und Rauch seine Stimme brachen und erstickten. Ein rotberockter Henker streute danach seine Asche in den Main, nichts sollte von dem jungen Mann aus dem Taubertal auf Erden übrig bleiben.
Denkmäler und andere posthume Würdigungen des „Pfeiferhannes“
Aus weißem Muschelkalk gemeißelt, steht der „Pfeiferhannes“ (Foto: Elfriede Streitenberger) seit 2007 auf dem Rathausplatz in Helmstadt. Sechs Steinstelen geben ihm ringsherum Schutz. Die Stelen zieren elf Wappen: das der Grafschaft Wertheim, von Baden-Württemberg, Preußen, des Hochstifts Würzburg, von Bischof Julius Echter, Bayern, Holzkirchhausen, Niklashausen, Helmstadt sowie die Lutherrose und die Papstkrone.
Da zwischen Helmstadt und Holzkirchhausen die Grenze von Muschelkalk und Buntsandstein verläuft, sind die Steine auf der Ostseite des Denkmals aus weißem Muschelkalk und die auf der Westseite aus rotem Buntsandstein. Der „Pfeiferhannes“ selbst steht mit dem linken Fuß auf Buntsandstein, mit seinem rechten auf Muschelkalk. Zu seinen Füßen fließt der Welsbach. Die Anlage vereint die Figur mit der Geologie, Politik und den Konfessionen Helmstadts. Nach einer Idee von Burkard Weis, Bernd Schätzlein und Bürgermeister Edgar Martin wurde das Denkmal in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis für Denkmal- und Heimatpflege in Helmstadt geschaffen. Die künstlerische Umsetzung erfolgte durch Bildhauer Erich Gillmann (Marktheidenfeld) und den Steinmetzbetrieb Hofmann und Stefan (Rothenfels). Der Stein und das übrige Material kamen von der Firma Seidenspinner (Neubrunn).
Auch am Schottenanger in Würzburg gibt es ein Pfeifer-Denkmal. Es wurde 2001 an der Stelle der Hinrichtung des „Pfeiferhannes“ errichtet. Die unregelmäßig geformte, 3,5 Meter hohe Säule aus Rotsandstein wird von einem Bronzefries umschlossen. Dieses veranschaulicht in vier bildhaften Szenen die Geschichte des „Pfeiferhannes“. Gestaltet wurde das Denkmal von Heinrich Schreiber aus Kronach. Gestiftet hat es Klaus Zeitler, der ehemalige Oberbürgermeister der Stadt Würzburg.
In Niklashausen wurden als Reminiszenz an den „Pfeiferhannes“ ein Museum im ehemaligen Rathaus eröffnet und zwei Gedenktafeln für ihn angebracht. Seit dem Jahr 2014 gibt es dort auch den Pfeifer-Rundwanderweg, den der örtliche Geschichts- und Kulturverein „Der Pfeifer“ erarbeitet hat. Der Weg ist ungefähr fünf Kilometer lang. Start und Ziel des Rundwanderwegs ist der Parkplatz in Richtung Neubrunn. Der Weg führt über die Beghardenhöhle, den oberen Mühlbergweg, die neue Brücke zur Wanderhütte und das Böttigheimer Pfädle wieder in den Ort.
Der Kultregisseur Rainer Werner Fassbinder drehte 1970 den Film „Niklashauser Fart“, der die Geschichte des „Pfeiferhannes“ in einer Mischung aus historisierender und modern adaptierter Form erzählt. In dem Film spiegeln die Predigten des „Pfeiferhannes“ und die Gespräche seiner Begleiter die Agitationsformen und Diskussionen in marxistischen und anarchistischen Gruppen im Jahr 1970, die in der Bundesrepublik Deutschland über geeignete Wege zur Revolution nachdachten. Den „Pfeiferhannes“ verkörpert Michael König. TEXT: EST