Ja, als die Amerikaner noch über den Flohmarkt in den Mainwiesen streiften, das waren noch Zeiten. Denn bei denen saß die D-Mark locker in der Tasche auf der Suche nach Antikem aus „Good old Germany“. Ganz abgesehen davon, dass bekanntermaßen es in Deutschland früher nicht immer alles zum Besten stand, zeigte sich der Begriff „Antik“ als äußerst dehnbar. Überspitzt gesagt, war damit so ziemlich alles gemeint, was man aktuell in den Läden nicht mehr kaufen konnte, auf alle Fälle aber alles, was vor dem Zweiten Weltkrieg oder in dieser Zeit hergestellt wurde.
Wenn der Zylindermann von dieser vergangenen Flohmarktepoche spricht, dann hört sich das an, wie Erzählungen aus einer Märchenwelt. Oder anders ausgedrückt, es hätte sich bestimmt ein Ami gefunden, der für den hellblauen Melitta-Kaffee-Filter aus Porzellan, der zwischen alten Gläsern, Schreibutensilien und anderem Antikem auf seinem Tisch steht, die geforderten 20 Euro locker gemacht hätte.
Aber so – kein Mensch scheint sich für das Paradestück deutscher Kaffeekoch-Kultur zu interessieren und als dann doch eine Frau nachfragt und den Preis hört, stellt sie das gute Stück schnell wieder hin, bevor es ihr vor Schreck aus der Hand fällt.
Die Zeiten sind hart für Leute wie den Zylindermann, der nicht möchte, dass sein Name hier genannt wird. Der Rentner lebt quasi in seinem Wohnmobil, das ihn zu allen möglichen Flohmärkten im süddeutschen Raum bringt. Auf die Mainwiesen nach Würzburg, wo er bis zum Ende der 90er Jahre einen Trödelladen besessen hat, bis sich das nicht mehr rentierte, kommt er nur noch selten.
Roland Schoch aus Münnerstadt beklagt ebenfalls den Niedergang. Alte Möbel und Teppiche, einst Garanten für ein gutes Geschäft, haben in den letzten Jahren einen drastischen Preisverfall erlebt. Woran das liegen mag? „Der Geschmack vor allem der jungen Leute hat sich wohl geändert.“ Die umgeben sich zu Hause lieber mit Pressspanwaren aus den angesagten Möbelhäusern, als den ererbten Weichholzschrank der Oma aufzustellen.
Es gibt aber auch Dinge, die immer teurer werden. „Sehr gesucht sind Sachen vom 2. Weltkrieg“, weiß Schoch, der seit Jahren große Flohmärkte in Frankfurt, München oder Wetzlar ansteuert und nur selten auf die Mainwiesen kommt. Der Begriff „Zweiter Weltkrieg“ ist allerdings eher ein Synonym für Nazi-Ramsch aller Art, oft noch versehen mit den Insignien der massenmörderischen Ideologie. Doch wer Gegenstände mit sichtbaren Hakenkreuzen oder SS-Runen anbietet, riskiert, mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten.
Praktische Dinge bevorzugt
Einen steten Wandel auf den Flohmärkten zu mehr praktischen Dingen, wie Haushaltswaren oder Kleidung beobachtet auch Karl Ruisinger, der Chefredakteur des „Trödler“ und des „Sammlerjournals“ mit Sitz im oberbayerischen Reichertshausen. Der Trödler galt zumindest bis vor Beginn des Internetzeitalters bei ernsthaften Flohmarktgänger als fast schon unverzichtbar. Werden dort doch neben Flohmarktterminen aus ganz Deutschland auch Auktionsergebnisse und Artikel über spezielle Sammelgebiete veröffentlicht.
„Sammler, die auf Schnäppchenjagd gehen, werden immer seltener“, sagt Ruisinger, der noch gelegentlich auf den Münchner Flohmärkten unterwegs ist. Gefragt seien heute mehr praktische Dinge, wie etwa gebrauchtes Kinderspielzeug oder Haushaltswaren. Sammler würden dagegen eher auf Internetbörsen gezielt auf die Suche gehen.
Das mit dem Sammeln ist eh so eine Sache. Denn wer sich von Objekten der Begierde einen langfristigen Wertzuwachs erwartet, liegt oft daneben. Beispiel Biertrucks: Vor zehn Jahren boomten die in Pappe und Klarsichtplastik verpackten Werbegeschenke mit Brauereiaufschrift, die es zum Kasten Bier dazugab. Bis man merkte, dass man mit den Dingern ja gar nichts anfangen kann. Nimmt man sie aus der Verpackung und stellt sie aus, sind sie nichts mehr wert. Lässt man sie darin, kann man sie nicht aufstellen.
Und so fristen wahrscheinlich ganze Armadas von verpackten Biertrucks in Kartons ein Kellerdasein, während ihre Besitzer darauf warten, dass eine erneute Biertruckwelle über die Flohmärkte schwappt.
Chefredakteur Ruisinger selbst hatte Mitte der 80er Jahre begonnen Keramiksachen mit Spritzguss-Technik aus dem Art-Deco (1920/30er Jahre) zu sammeln. „Einen großen Wertzuwachs habe ich bisher nicht feststellen können“, erklärt er. Wer Sammeln als Geldanlage betrachte, der sei wohl mit Schallplatten oder speziellem Spielzeug, wie etwa Viking-Autos, besser bedient.