Seit dieser Spielzeit ist Gianluca Sermattei Mitglied des Ballett-Ensembles am Würzburger Mainfranken Theater. Er ist eine Art Weltbürger in Sachen Ballett. Denn vorher hat der 23-Jährige in Kaiserslautern, Mailand, München, Sankt Petersburg getanzt. Zuletzt verschlug es ihn sogar nach Singapur. Die Zeit dort war für ihn wie ein Traum, und doch ist der Italiener froh, wieder näher bei seiner Familie zu leben, die ihm trotz aller Leidenschaft für seinen Beruf sehr wichtig ist. „Wir Tänzer sind ganz normale Menschen“, sagt er. „Aber das ist nicht nur ein Job, das ist man 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche.“ Seine ganze Energie verwendet Sermattei deshalb darauf, sein Privatleben und den Kontakt zu seiner Familie in Italien aufrechtzuerhalten.
Bevor Gianluca Sermattei mit dem Tanzen anfing, hatte er schon diverse andere Hobbys ausprobiert: Fußball, Tennis, Schwimmen, Gitarre spielen. Dann ging seine kleine Schwester zum Ballettunterricht, und die Mutter fragte, ob er das auch mal ausprobieren wolle. 13 war er damals. Was ihm am Tanzen gefallen hat? „Ich habe es genossen, dass es so schwer war, es zu lernen.“ Seine Ballettlehrerin hat ihm Videos von ihrem eigenen Sohn, einem Tänzer, gezeigt. „Ich war fasziniert davon, wie hart man arbeiten muss, um ein guter Tänzer zu werden.“
Nach Sankt Petersburg
Drei Jahre lang lernt Sermattei das Tanzen in seiner Heimatstadt Massa in der Toskana. Dann, mit 16, geht er zur Ballettausbildung nach München. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass er fürs Tanzen einen Teil seines Privatlebens opfern muss. „Ich konnte zum Beispiel nicht mehr mit der Familie in den Urlaub fahren“, erinnert er sich. Und auch der Mutter fällt es schwer, den Sohn ziehen zu lassen. Für ein Jahr geht er nach Mailand, dann für drei Jahre nach Sankt Petersburg, wo er Russisch lernt und seine Tanzausbildung abschließt. 2012 bekommt er ein Engagement am Pfalztheater Kaiserslautern, danach tanzt er beim Singapore Dance Theatre. Ein tolles Abenteuer sei das gewesen. Und Sermattei ist erstaunt, dass man inzwischen überall auf der Welt hochqualifiziertes Ballett finden könne.
Von Singapur geht es ins kalte Würzburg, wo er wochenlang nach einer Wohnung sucht. Die Zeit nutzt er nicht nur zum Sightseeing: Mit dem Bus und mit der Tram fährt er die Stadt ab, bis hinaus in die Randbezirke.
„Ich bin bis zu Ikea und bis zum Heuchelhof gefahren, weil ich wissen wollte, wie die Leute hier leben.“ Interessant sei das gewesen, und ganz anders als in Italien. Dass er wieder näher bei seiner Familie lebt, weiß Sermattei zu schätzen: „Singapur war nichts für länger, das war zu weit weg von meinem Leben.“ Und von der Familie, die ihm – typisch italienisch – sehr wichtig ist: „Ich bin gewohnt, Weihnachten, Ostern, Geburtstag mit der Familie zu verbringen.“
Die Sache mit dem Privatleben
Seitdem er in Würzburg ist, können ihn Eltern, Geschwister, Großeltern wieder ab und zu besuchen. „Wenn sie im Publikum sitzen, habe ich noch viel mehr Energie als sonst“, so der Tänzer. Zwar hat er jetzt, wo er die Ausbildung hinter sich hat, wieder eher Zeit für Privates. Aber: Sein Privatleben am Leben zu halten, ist immer noch eine Herausforderung. Ein Grund, warum er das Tanzen vielleicht nicht sein Leben lang machen wird. „Ich habe irgendwann erkannt, dass all die Vorbilder, die ich habe, alles für das Tanzen opfern. Mir sind Menschen wichtiger als die Karriere.“
Darüber, was nach dem Tanzen kommen könnte, macht er sich zwar noch keine Gedanken. Träume für die Zukunft hat er dennoch viele. Zum Beispiel will er lernen, wie sein Körper funktioniert. „Beim Ballett spürt man seinen Körper zwar, aber man kennt ihn nicht sehr genau“, sagt er. Durch Techniken wie Pilates, Yoga oder Feldenkrais würde er gerne neben der Tanzerei auch die Funktion des Körpers studieren, um so ein höheres Level zu erreichen.
Ein anderer Traum ist es, eines Tages in sein Heimatland zurückzukehren. „Italien ist mein Lieblingsland“, sagt er mit einem Leuchten in den Augen. „Ich würde gerne dorthin zurückgehen. Aber für Tänzer ist es dort momentan schwer.“
Gianluca Sermattei ist ab diesem Samstag, 28. Februar, in „Schneewittchen – Breaking Out“ am Mainfranken Theater zu sehen.