
Die Klage der Gemeinde Hausen gegen die Autobahn Tank & Rast GmbH wegen Kostenbeteiligung an der Erneuerung der gemeindlichen Kläranlage ist abgewiesen worden. In der Gerichtsverhandlung am 15. Oktober ging es um 125 000 Euro als Vorschuss auf die Beteiligung an den Baukosten der neuen Kläranlage in Rieden. Insgesamt hat die Gemeinde Hausen eine Kostenbeteiligung der Tank & Rast GmbH von gut 2,2 Millionen Euro errechnet. Der Konzern betreibt die beiden Autobahnraststätten Riedener Wald West und Ost einschließlich der dortigen Tankstellen.
Die Gemeinde Hausen hatte den Konzern im Jahr 2012 verklagt und sich auf zwei Verträge aus den Jahren 1970 und 1973 berufen. Sie betrafen die Inbetriebnahme der ersten Kläranlage, die im April 1971 für den Ort Rieden und die Autobahnrastanlage in Betrieb gegangen war. Im April 2013 hat eine neue Belebungs-Kläranlage modernster Technik für die Ortsteile Rieden und Hausen ihren Betrieb aufgenommen. Die bisherige Anlage war nach über 40 Jahren Betriebsdauer verbraucht gewesen.
Die moderne und umweltfreundliche Kläranlage mit 3800 Einwohnergleichwerten (EGW) wurde so groß dimensioniert, dass die Abwasser der Autobahnraststätte mit ihrem besonderen Schmutzfrachtanteil mitgereinigt werden können. Der Anteil auf die beiden Dörfer Hausen und Rieden wurde auf 2000 EGW festgelegt. Auf die Autobahnraststätte Riedener Wald entfallen 1800 EGW und somit 47,53 Prozent.
Der private Konzern Autobahn Tank & Rast sieht sich nicht an den früheren Vertrag zwischen der damals selbstständigen Gemeinde Rieden und der damals bundeseigenen „Gesellschaft für Nebenbetriebe der Bundesautobahnen“ gebunden. Er hat zudem im Jahr 2012 „mit der Außerbetriebnahme der alten Kläranlage“ die Zahlung ihrer anteiligen Betriebskosten eingestellt. Die beiden Raststätten mit Tankstellen sollen nach Ansicht der Beklagten als „normale Anschließer“ gesehen und abgerechnet werden.
Präsident Rudolf Emmert vom Verwaltungsgericht Würzburg leitete die Gerichtsverhandlung. Er sei „schon sehr lange im Geschäft“, sagte er zu Beginn, aber dieser Fall sei wegen seiner Grundsätzlichkeit besonders. Bürgermeister Bernd Schraud habe mit seiner Amtseinführung am 1. Mai „einen schwierigen Fall übernommen“, stellte er fest und sprach von „formellen und moralischen Siegern“. „Sie gehen heute möglicherweise mit einem Sieg nach Hause, kommen aber mit einem größeren Problem daheim an“, sagte Präsident Emmert über die Auswirkungen des Gerichtsurteils für die Beklagten.
Die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts wies die Klage ab, weil sie die mittlerweile privaten Betreiber der Autoraststätte als „keine Rechtsnachfolger der Bundesrepublik Deutschland“ sieht. Das könne eine private Firma niemals sein. Im damaligen Vertrag von 1970 zwischen der Gemeinde Rieden und dem Autobahnbauamt sowie der „Gesellschaft für Nebenbetriebe der Bundesautobahnen“, sei nur die Bundesrepublik verpflichtet worden.
Präsident Emmert beschrieb den Vertrag von 1970 und den Zusatzvertrag von 1973 als „vernünftige Lösung“, um die Entsorgung der Raststätte zu regeln. „Es hätte der Gemeinde helfen können, wenn die Bundesrepublik bei der Privatisierung der Autobahnraststätten geregelt hätte, dass die ,Tank & Rast GmbH‘ alle Verpflichtungen aus diesem Vertrag in die Konzessionsverträge übernommen hätte“, sagte er in Richtung Reinhold Britting von der Autobahndirektion Nordbayern. Der Abteilungsleiter für Recht und Liegenschaften äußerte sich nach dem Urteil entsprechend launig: „Der Unterton des Richters hat mir nicht gefallen“, gab er zu. Insgesamt lobte er aber „die gute und offene Diskussion in der Verhandlung“.
In der Tat wurden viele Argumente ausgetauscht darüber, wer Rechtsnachfolger, Ansprechpartner oder Berechtigter aus dem Vertrag von 1970 ist. Es ging auch um mögliche Verjährung und die Kündigung des Vertrags von der Gemeinde Hausen nach dem „enttäuschenden Treffen“ am 22. August 2007 im Hausener Rathaus. Damals war nach jahrelangen Gesprächen ein neuer Vertragsabschluss zur Abwasserproblematik im Vorfeld der Planung für die neue Kläranlage gescheitert.
Das Gerichtsurteil besagt, dass es zurzeit keinen gültigen Vertrag zwischen der Gemeinde Hausen und der Tank & Rast GmbH gibt, die die Abwasserbeseitigung regelt. „Sie sitzen hier am falschen Tisch“, sagte der Richter und appellierte an die Vernunft der Beteiligten. „Sie brauchen sich gegenseitig, das müsste man eigentlich regeln können“, sprach Präsident Emmert deutlich mahnende Worte. Die Raststätte bräuchte die Entsorgung und die Gemeinde könne sie bieten.
Auch Rechtsanwalt Dr. Burkhard Hohmann, der Vertreter der Gemeinde Hausen, sieht im Urteil Brisanz. Nachdem es mit der Tank & Rast GmbH keinen gültigen Vertrag gebe, liege die eigentliche Bedeutung des Gerichtsurteils in der Frage, ob die Abwässer der Rastanlage Riedener Wald berechtigter Weise in die Kläranlage der Gemeinde Hausen eingeleitet werden. „Das könnte die Gemeinde zum Anlass nehmen, die Einleitung zu untersagen“, sagte er. Faktisch liege derzeit seines Erachtens ein jederzeit verweigerbares Gast-Einleiterverhältnis vor.
„Das könnte die Gemeinde zum Anlass nehmen, die
Einleitung zu untersagen.“
Auch Bürgermeister Schraud betrachtet aufgrund des Urteils das Anschlussrecht als fraglich: „Eine kleine Gemeinde wie Hausen mit ihren 2400 Einwohnern kann die Kosten für die Abwasserbeseitigung einer Autobahnraststätte in den Ausmaßen Riedener Wald und mit deren besonderer Schmutzfracht einfach nicht schultern.“ Für ihn ist es nicht gerechtfertigt, die Kosten auf die Bürger umzulegen. Rechtsanwalt Dr. Hermann Müller vertrat jedoch die Auffassung, dass der Tank & Rast GmbH inzwischen ein gesetzliches und satzungsmäßiges Einleitungsrecht für die Kläranlage zugewachsen sei.
Am 29. Oktober sehen sich die Gemeinde Hausen und die Tank & Rast GmbH sowieso wieder vor Gericht. Diesmal klagt der Autobahnkonzern beim Verwaltungsgerichtshof in München. Das Gericht entscheidet dann in einem Normenkontrollverfahren, ob die Entwässerungssatzung der Gemeinde rechtmäßig ist.
Zwei Gruppen vor Gericht
Die Gemeinde Hausen wurde von Bürgermeister Bernd Schraud, Geschäftsstellenleiter Erwin Denk, Rechtsanwalt Dr. Burkhard Hohmann von der Kanzlei Vocke & Partner in Würzburg, Ingenieur Wolfgang Scheyer vom tiefbautechnischen Büro Köhl in Würzburg sowie von Christoph Hammer vom Satzungsbüro Müller, Hammer, Schulte GbR in Veitshöchheim vertreten.
Auf der anderen Seite waren Rechtsanwalt Ralf Rothkamp, der Leiter der Abteilung Recht bei der Autobahn Tank & Rast GmbH in Bonn, Rechtsanwalt Dr. Hermann Müller von der weltweit agierenden Sozietät CMS Hasche Sigle in Hamburg sowie dessen Kollegin Rechtsanwältin Dr. Heidi Wrage-Molkenthin. Abteilungsleiter für Recht und Liegenschaften Reinhold Britting von der Autobahndirektion in Nordbayern vertrat für die Bundesstraßenverwaltung die BRD und den Freistaat Bayern.
Dass dem Abteilungsleiter für Recht und Liegenschaften Reinhold Britting von der Autobahndirektion in Nordbayern der Unterton des Richters nicht gefallen hat lässt doch nur den Schluss zu, dass der Bund bei der Privatisierung 1998 sich zu Lasten der Gemeinde Hausen seinen vertraglichen Verpflichtungen entzogen hat. Ich hätte mir gewünscht der zuständige Richter hätte etwas mehr Mut bewiesen und ein Urteil für die Gemeinde und ihre Bürger gefällt, von einem moralischen Sieg kann sich die Gemeinde Hausen auch nichts kaufen.
Die normative Wirkung des Faktischen
Die Tank & Rast ist mit der Einleitung der Abwässer in die gemeindliche Kläranlage faktisch in den Vertrag aus dem Jahr 1970/1973 mit der Gemeinde Hausen eingetreten und hat damit die Rechtsnachfolge des Bundes übernommen. Mag ja sein dass es keinen gültigen Vertrag mit der Gemeinde gibt, Fakt ist aber auch ja hier, dass die Gemeinde ihre Leistungen der Abwasserbeseitigung anbietet und die Tank & Rast dieses Angebot mit der Einleitung der Abwässer annimmt. Sich aber dann auf das satzungsmäßige Einleitungsrecht zu berufen schlägt dem Fass den Boden aus.