zurück
WÜRZBURG
Der Mann, dem wir die Hortensien verdanken
Siebold auf einer niederländischen Briefmarke: Das Postwertzeichen ist Teil eines Markenbogens aus der Serie „Grenzenlose Niederlande“. Der von einem Haarlemer Gestaltungsbüro entworfene Markensatz, der die Motive originell in Origamirahmen einpasst, ist zum Frankieren von Auslandsbriefen bis 20 Gramm bestimmt.
Foto: Andreas Mettenleiter | Siebold auf einer niederländischen Briefmarke: Das Postwertzeichen ist Teil eines Markenbogens aus der Serie „Grenzenlose Niederlande“.
Andreas Mettenleiter
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:19 Uhr

Siebold-Museum, Siebold-Gymnasium, Siebold-Denkmal, Siebold-Straße, Sieboldshöhe, Siebolds-Wäldchen, der Siebold-Garten auf dem Landesgartenschau-Gelände, Siebold-Gesellschaft, Siebold-Büste in Heidingsfeld – wohl kein anderer Sohn Würzburgs bringt es in seiner Heimatstadt auf mehr Namensgebungen als der Japanforscher Philipp Franz von Siebold. Und doch ist der international, vor allem in Fernost so bekannte Unterfranke im Bewusstsein seiner Landsleute erstaunlich wenig präsent. In Japan ist Siebold bis heute unvergessen – die meisten Europäer aber wissen nicht, dass ohne ihn die hiesigen Ziergärten viel eintöniger aussähen.

Wer war dieser Universalgelehrte, der Magnolien und Hortensien nach Europa brachte, der im Westen für Japans Hochkultur warb und am 18. Oktober 1866 starb?

Spross einer großen Medizinerfamilie

Philipp Franz von Siebold stammte aus einer bekannten Würzburger Medizinerfamilie.

Großvater Carl Caspar war ein Pionier der Chirurgie, Vater Christoph und die beiden Onkel Barthel und Adam Elias waren Internist, Chirurg und Geburtshelfer und dominierten die aufstrebende Medizinerfakultät der Julius-Maximilians-Universität derart, dass Zeitgenossen mit anerkennendem Schmunzeln von einer regelrechten „Academia Sieboldiana“ sprachen. Kein Wunder, dass auch der 1796 geborene Philipp Franz sich der Heilkunde zuwandte. Doch gehörte die wahre Leidenschaft des Studenten, der auch begeistertes Mitglied des „Corps Moenania“ war, der Naturkunde und der Erforschung fremder Länder.

Tatsächlich eröffnete sich für den jungen Mediziner 1822 – nach zweijähriger ärztlicher Warteposition in Heidingsfeld – die Perspektive einer Anstellung im niederländischen Kolonialreich in Ostasien: Vom Gouverneur in Batavia geprüft und für gut befunden, erhielt Siebold als Mediziner der Handelsniederlassung in Nagasaki den Spezialauftrag, im weitgehend abgeschotteten Nippon handelsrelevante Informationen zu sammeln: So sollte der einst bedeutende Japan-Handel zu neuem Flor gebracht werden.

Forscher mit Sonderprivilegien

Die Faktorei Dejima, in der Siebold eingesetzt wurde, war eine künstliche, fächerförmige Insel in der Bucht vor Nagasaki. Japan war abgeschottet zur damaligen Zeit, die Insel der einzige Ort, über den Handel und Austausch mit Europa stattfinden konnte. Hier im Auftrag der Holländer Land und Leute erforschen zu können – für den wissbegierigen jungen Mann aus Würzburg eine Traumposition.

Der gut bezahlte Posten ermöglichte es dem Würzburger – zumal er bald das Sonderprivileg erhielt, die streng abgeschirmte Faktorei zu Krankenbesuchen zu verlassen – die Flora, Fauna und Kultur des exotischen Landes sorgfältig zu erforschen. Als Gegenleistung für den medizinischen Unterricht, den er einigen, aus ganz Japan zusammengeströmten Ärzten erteilte, konnte Siebold Pflanzen, Tierpräparate sowie Kunst- und Alltagsgegenstände zusammentragen und nach Europa senden.

Auf Lebzeiten verbannt

Schon bald verliebte er sich nicht nur in sein Gastland und dessen Bewohner, sondern auch in eine blutjunge Japanerin, die ihm eine Tochter – Ine – gebar. Doch kurz vor der geplanten Abreise 1828 fand man bei der Bergung der Ladung eines niederländischen Schiffs, das ein Taifun ans Land geworfen hatte, verbotene Gegenstände aus Siebolds Besitz. Viele Objekte für seine ethnografische und naturkundliche Sammlung, viele Dinge, deren Verkauf an Ausländer und deren Ausfuhr verboten waren. Besonders verfänglich: Kartenmaterial vom unerforschten Norden Japans, den die japanische Regierung durch den russischen Expansionsdrang gefährdet sah. Unter Hochverratsverdacht verhaftet und angeklagt, wurde der Faktoreiarzt schließlich zu lebenslanger Verbannung verurteilt.

Berater des niederländischen Königs

Zurück im niederländischen Leiden, widmete sich der Forscher unter Mitarbeit zahlreicher Experten der wissenschaftlichen Aufarbeitung seiner großen Sammlung, die Grundstock des Völkerkundemuseums in Leiden wurde: Auf Einzellieferungen aufgeteilt, erschienen drei große, aufwendig illustrierte Tafelbände: „Flora japonica“, „Fauna japonica“ und „Nippon“.

Durch Werbung um Subskription an europäischen Fürstenhöfen und Handel mit seinen neu eingeführten Pflanzensorten, suchte Siebold sein Gehalt als „Oberst im Generalstab der niederländischen Armee“ aufzubessern, um den kostspieligen Druck zu finanzieren. Gleichzeitig beriet er den niederländischen König und beobachtete die internationale Politik: Früh bemühte er sich um eine friedliche Öffnung Japans.

Seit 1845 mit Helene von Gagern verheiratet, siedelte er 1847 nach Boppard am Rhein und 1853 nach Bonn über. Als sich 1859 die Gelegenheit ergab, nach Aufhebung der Verbannung ein zweites Mal nach Japan zu reisen, begleitete ihn sein ältester Sohn Alexander. Obwohl von japanischer Seite hochgeschätzt, geriet Siebold bald in Konflikt mit den dort tätigen niederländischen Diplomaten. Doch nutzte er seinen Aufenthalt, um eine zweite wichtige Sammlung zusammenzutragen.

Letzte Ruhestätte in München

1863 enttäuscht nach Leiden zurückgekehrt, übersiedelte er 1864 mit seiner Familie in seine Geburtsstadt. In Würzburg zeigte er seine Sammlung in der Max-Schule. Pläne einer dritten Japanreise im Auftrag Napoleons III. scheiterten. Siebold stellte seine Sammlung in den Arkaden des Münchner Hofgartens aus und verhandelte – mitten im deutsch-österreichischen Krieg – mit dem bayerischen König. Am 18. Oktober 1866 starb er in München. Sein Grab findet sich noch heute auf dem Alten Südfriedhof.

Siebolds Witwe gelang es schließlich, den Verkauf der Sammlung als Grundstock des Münchner Völkerkundemuseums abzuschließen. Zwei Söhne, Alexander und Heinrich, spielten später in britischen und japanischen beziehungsweise österreichischen Diensten eine wichtige Rolle. Zudem erwarben auch sie bedeutende Japan-Sammlungen. Siebolds japanische Tochter, nach der Verbannung des Vaters von dessen Schülern in europäischer Entbindungskunde unterwiesen, brachte es bis zur kaiserlichen Geburtshelferin.

Die Siebold-Gesellschaft hält das Andenken wach - und pflegt den Austausch mit Japan

Der private Nachlass des Japanforschers befindet sich heute im Besitz des Nachfahren Constantin von Brandenstein-Zeppelin auf Burg Schlüchtern und im Japan-Institut der Ruhr-Universität Bochum. Zahlreiche von Siebold erstmals nach Europa eingeführte Pflanzen und Sträucher – Funkien oder Fetthenne zum Beispiel, Hortensie oder Blauglockenbaum – zieren unsere Gärten und Parks. Zeitgenossen schätzten diese Leistung so hoch ein, dass 1873 auf der Wiener Weltausstellung eine Initiative entstand, die international Gelder sammelte, um das 1882 am Sanderring enthüllte Denkmal zu finanzieren. Etwa zeitgleich benannte der Verschönerungsverein die Sieboldshöhe und das Siebolds-Wäldchen. 1961 initiierte Werner Dettelbacher die Neubenennung des „Siebold-Gymnasiums“. 1985 formierte sich die „Siebold-Gesellschaft“, die seit 1995 im „Siebold-Museum“ das Andenken an den großen Forscher und seine Familie wachhält und – in seinem Geist – den Austausch mit Japan pflegt.

In Lehrbüchern und auf Briefmarken

Mehrere Briefmarkenausgaben in Deutschland, den Niederlanden und Japan würdigen die Lebensleistung des Würzburgers. Das in den wenigen Jahren seines ersten Japan-Aufenthaltes geknüpfte Schüler-Netzwerk bereitete den Boden dafür, dass nach der Meiji-Restauration 1870/71 mit seiner rasanten Modernisierung des Landes die deutsche Medizin zum Vorbild genommen wurde: Preußische Militärärzte standen am Beginn der Medizinischen Fakultät in Tokyo – deutsche Lehrbücher fanden bis zum Zweiten Weltkrieg an japanischen Universitäten Verwendung.

Für Udo Beireis, den Vorsitzenden der Siebold-Gesellschaft, ist die Bedeutung des Würzburger Arztes klar: „Für mich ist Philipp Franz von Siebold einer der großen Universalgelehrten des 19. Jahrhunderts. Er gehört in eine Reihe mit Alexander von Humboldt.“

Siebold im Museum

Das Siebold-Museum im Siebold-Palais auf dem Bürgerbräugelände in der Zellerau.
Foto: Thomas Obermeier | Das Siebold-Museum im Siebold-Palais auf dem Bürgerbräugelände in der Zellerau.

Drei Museen in Japan und Europa widmen sich ganz dem Andenken Philipp Franz von Siebolds. In Japan ist es das Siebold Memorial Museum in Nagasaki, gegründet 1989. Es steht an der Stelle des Hauses, in dem Siebold japanische Ärzte in westlicher Medizin unterrichtete. In Leiden in den Niederlanden gibt es seit 2005 das „SieboldHuis“ – in dem Haus, in dem Siebold nach seiner Rückkehr aus Japan lebte. Es widmet sich der naturkundlichen und volkskundlichen Sammlung Siebolds.

Das Siebold-Museum in Würzburg wurde 1995 im Siebold-Palais (Frankfurter Straße 87) auf dem Bürgerbräugelände gegründet. Schwerpunkt sind die Familiengeschichte, Jugend und Studienzeit. Dazu gibt es hier in Sonderausstellungen japanische Kunst und Kultur, Konzerte, Vorträge, Teezeremonie und mehr.

Geöffnet: Di. bis So., 14.30 Uhr bis 17.30 Uhr.

Burschenschaftler unter sich: ein Stammbuchblatt des Corps Moenania aus dem Jahr 1815. Zweiter von rechts ist Philipp Franz von Siebold.
Foto: Frank Kupke | Burschenschaftler unter sich: ein Stammbuchblatt des Corps Moenania aus dem Jahr 1815. Zweiter von rechts ist Philipp Franz von Siebold.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Alexander von Humboldt
Hortensien
Japanische Regierung
Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Krankheiten
Lehrbücher
Memorial
Philipp Franz von Siebold
Ruhr-Universität
Verbannung
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top