Die Geschichte beginnt 1927. Harry Frommermann (Hannes Berg) sucht nach Mitmusikern und verteilt zunächst ein paar Absagen, darunter übrigens auch eine an Jopi Heesters. Schließlich stellt sich Robert Biberti (Jakob Mack) vor, dessen Talent Frommermann sofort erkennt. Biberti kennt noch zwei Tenöre und einen Bass. Mit Ari Leschnikoff (Cedric von Borries), Erich Collin (Martin Pauli) und Roman Cycowski (Daniel Fiolka) ist die Vokalbesetzung komplett, kurzerhand kommt noch Erwin Bootz (Frank Sodemann) als Pianist hinzu.
Dass es zu einem Problem werden könnte, dass drei der Mitglieder Juden sind, ahnt bis jetzt noch niemand. Sie beginnen zu "probieren" und finden endlich ihren Stil: Sie wollen wie das amerikanische Vokal-Quartett "The Revelers" klingen, aber auf Deutsch. Sie wollen humorvolle Lieder in einer Mischung aus Klassik, Jazz und populären Melodien schreiben.
Koffer dienen als Requisite und stehen für das Thema Aufbruch und Flucht
Die tragikomische Geschichte der "Comedian Harmonists", eine Regiearbeit von Andreas Wiedermann, die 2019 noch im alten Haus des Mainfranken Theaters Premiere feierte, ist seit Samstag als Wiederaufnahme im Kleinen Haus zu sehen. Aylin Kaip (Bühne und Kostümbild), Jürgen Bergbauer (Video) und Mariella von Vequel-Westernach (Licht) haben sich für das Stück von Gottfried Greiffenhagen und Franz Wittenbrink ein ebenso subtiles wie effektives Ambiente einfallen lassen: Der Großteil der Handlung spielt sich auf einem gigantischen Grammophon ab, auf das immer wieder alte Filmaufnahmen projiziert werden: Tanzszenen, typische Stadtansichten, Nazis.
Außerdem stehen eine Menge Koffer herum, die nicht nur latent das Thema Aufbruch tragen, sondern auch clever in vielen Szenen als Requisit genutzt werden. Sie erscheinen als "Kofferradio", Telefon, Sitzgelegenheit - und natürlich als Koffer. Es gibt auch ein tanzendes Plattenlabel von Electrola, das die erste Platte der Gruppe komplettiert.
Der Erfolg stellt sich ein, als erste "unseriöse" Gruppe schaffen es die Comedian Harmonists 1932 in die Berliner Philharmonie. Doch bald wendet sich das Blatt. Wenn Roman auf die Nachricht, dass Hindenburg soeben Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt hat, nur ein uninteressiertes "jetzt hör’ ma' auf mit Nazis" in Berliner Schnauze zu entgegnen hat, muss man wirklich schlucken.
Wenn im Saal das Licht angeht und alle betreten schweigen
Und dann folgt die Szene, die das Stück so besonders macht: Kurz vor dem Auftritt in einem großen Konzerthaus erklärt der Veranstalter, dass dies der letzte Auftritt der Gruppe hier sei, da diese "artfremden Elemente" verdrängt werden müssten. Jeder, der sich diesem "Pseudokunstgenuss" nicht aussetzen möchte, dürfe gehen und bekomme seinen Eintritt zurück.
Dann geht das Licht an, und betretenes Schweigen erfüllt den Raum, während die Comedian Harmonists ratlos wie auf dem Silbertablett dastehen, bevor sie noch eine letzte Nummer singen dürfen: "Ein bißchen Leichtsinn kann nicht schaden". In dem Lied heißt es: "Laß der Jugend ihr Vergnügen Die frohen Tage verfliegen." Und weiter: "Fort mit den Sorgen, das ist heut' die Parole. Kinder, seid lustig, und tanzt 'ne kesse Sohle. Was kann uns das Leben noch schön'res geben als einen lust'gen Tag?" Autsch. Auf diesen Hammer war niemand gefasst.
Das Stück leistet einen wichtigen Beitrag zu einer leider wieder aktuellen Kultur-Debatte. Für ihre "Säuberungen", nicht nur in der Kunst, prägten die Nazis Begriffe wie "entartet" oder "abartig". Noch heute werden diese Begriffe verwendet, das Thema ist ernster, als viele wahrhaben wollen. Wenn Gesinnung die Zusammenkunft von Kunstschaffenden und Publikum zu sprengen versucht, dann zerstört sie damit eines der schönsten Dinge, die uns miteinander verbinden: das Gefühl der Gemeinsamkeit.
Weitere Vorstellungen: 2., 9., 14., 30. Juni. Karten: Tel. (0931) 3908-124, karten@mainfrankentheater.de