
Am 6. März titelte die Main-Post: "Coronavirus hält die Region in Atem". Ich war an diesem Tag in Würzburg, um bei der Veranstaltung "Sport Trauma" der Chirurgischen Universitätsklinik über den "Dopingsumpf Olympische Spiele?" zu sprechen. Ein weiterer Kollege aus Osnabrück bestätigte mit beeindruckenden Bildern, wie man in Tokio mit Zikavirus tragenden Moskitos kurzen Prozess macht: In großen Tankwagen werden Desinfektionsmittel versprüht. Man würde wohl auch mit dem Coronavirus fertig werden. Das Ende der Geschichte ist bekannt.
Würzburg ist für uns schon lange ein wissenschaftlicher "Hotspot", mit Professorin Ulrike Holzgrabe vom Institut für Pharmazie und Lebensmittelchemie der Universität Würzburg verbindet unser Institut eine 20-jährige Zusammenarbeit und stolze 40 Publikationen. Die Corona-Krise wollte es, dass diese Zusammenarbeit unter schwierigsten Bedingungen auf eine Probe gestellt wurde, als eine Patientin einer Klinik mit dem Hoffnungsträger Remdesivir behandelt werden musste und zu klären war, wie das Medikament überhaupt abgebaut wird. Denn darüber ist wenig bekannt, das Medikament ist schließlich nicht im Handel, gerade mal 2000 Patienten dürften es bisher bekommen haben. Oliver Scherf-Clavel vom gleichen Institut stieg einfach in sein Auto, nach gemeinsamen Laborversuchen haben wir das Wissen um dieses Virusmittel deutlich vermehrt.
Ein Großversuch namens "Geisterspiele"
Ab Samstag beginnt nun ein Großversuch der Wissenschaft, den manche "Geisterspiele" nennen. Ein Großversuch der besonderen Art und von lebenswichtiger Bedeutung für die Blase Fußball-Bundesliga. Sechs Wochen abgeschirmt von der Außenwelt, permanent auf Virus und Antikörper getestet – 160 Spiele ohne Publikum. Wie viele oder überhaupt wer wird den Virus bekommen? Wer hat sich wo angesteckt? Der Videobeweis bekommt eine neue Bedeutung: In welcher Szene könnte sich Thomas Müller den Virus eingefangen haben, wo der doch gar nicht so körperlich spielt – selten war Zeitlupe hilfreicher.
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Was aber noch viel wichtiger ist: Ausgerechnet der zu meiner Jugendzeit als "Proletensport" bezeichnete Fußball könnte Financier werden für den gesamten Sport und das Kulturleben, als er in einer Art Kollateraleffekt wissenschaftliche Grundlagen zu Fragen von Mindestabstand, Kontagiosität und vieler anderer Aspekte der Corona-Krise liefert. In einer zweiten Phase dann auch eine Antwort auf die Frage: Wie viel Publikum? Eine Überlebensfrage für alle Sportarten, die von Zuschauergeldern leben müssen.
Fritz Sörgel (69) ist Leiter des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung in Nürnberg und einer der profiliertesten Doping-Experten in Deutschland. Dieser Beitrag gehört zur Main-Post-Serie "Der gute Morgen", in der in Zeiten der Corona-Krise Menschen aus Franken ihre positiven Gedanken aufschreiben und mit unseren Leserinnen und Lesern teilen.