"Froh gesinnt, harmonisch rein, sollen Lied und Leben sein": Dieser Losung entsprechend gründete sich am 20. Februar 1924 der Gesangverein "Liederkranz" Waldbrunn. Die Pflege von Brauchtum und Kultur blieb zunächst lediglich einem Männerchor vorbehalten. Über den Gesang hinaus erweiterte sich das kulturelle Spektrum jedoch im Verlauf der Vereinsgeschichte auf die Sparten Akkordeon und Theater. Und wenngleich sich zu den männlichen Tenören und Bässen längst die Frauenstimmen Sopran und Alt gesellen, begeht der Verein in diesem Jahr mit seinen aktuell 150 Mitgliedern bewusst im Sinne seiner Gründung und der Tradition verpflichtet unter der Schirmherrschaft von Bürgermeister Markus Haberstumpf sein 100-jähriges Gründungsjubiläum.
In Vorbereitung des am Samstag, 24. Februar, stattfindenden Kommers durchforstete Vorsitzender Bernhard Spinner mit seiner Stellvertreterin Susanne Häfner die Vereins-Chronik. Gleichzeitig betrieb er Ursachenforschung zur Entwicklung des Vereins, die er, damals wie heute, in enger Verbindung sieht mit gesellschaftlichen Veränderungen. Schließlich stieß Spinner auf erstaunliche Parallelen aus den Gründungsjahren und der Gegenwart. Aus den Lehren daraus wünscht sich der Vorsitzende für die Zukunft des Vereins eine Rückbesinnung auf kulturelle Werte, mehr Identifikation und im allgemeinen Interesse grundsätzlich eigene, bisweilen egoistische Bedürfnisse hinten anzustellen.
Hyperinflation, Ruhrbesetzung, Währungsreform und Hitlerputsch lagen noch nicht einmal ein Jahr zurück, als der Gesangverein "Liederkranz" aus der Taufe gehoben wurde. Die Menschen pendelten zwischen gesellschaftlicher Festigung nach dem Ersten Weltkrieg und einer neuerlichen Gefährdung durch eine Viel-Parteien-Demokratie und einer ungewissen Entwicklung der Weimarer Republik. Damalige radikale Strömungen beobachtet Vorsitzender Bernhard Spinner auch aktuell. "Nichtsdestotrotz waren die Gründerväter bereit, eineinhalb Rentenmark im Monat, nach heutiger Kaufkraft etwa sieben Euro, zu berappen und ferner eine Aufnahmegebühr von einer Rentenmark als Obolus für eine Mitgliedschaft zu akzeptieren", bemerkt Spinner.
Nachwuchsprobleme führten zum gemischten Chor
Seit 1934 gehört der "Liederkranz" dem Fränkischen Sängerbund an. Als im Jahr 1947 der Männerchor infolge des Krieges und vieler Gefallener stark dezimiert war, rief der damalige Vorsitzende und Gründungsmitglied Kilian Pfeuffer einen gemischten Chor ins Leben. Dennoch kehrte der Chor im Sommer 1956 zu seinen Wurzeln als reiner Männerchor zurück. Nachwuchsprobleme veranlassten die Vereinsführung allerdings 1977 zur Wiedereinführung eines gemischten Chores. Ein Aufschwung im Vereinsleben war in den 1980er-Jahren zu verbuchen. Im Oktober 1984 gründete sich eine erfolgreiche Mundart-Theatergruppe sowie 1988 ein Kinder- und Jugendchor. Ein weiteres Jahr später bildete sich ferner eine Akkordeongruppe. Das Angebot des Chorgesangs erweiterte im Jahr 2014 anlässlich des zum 850-jährigen Ortsjubiläum veranstalteten Dorffestes der Projektchor "Chorisma".
Derart positiv und zuversichtlich wird sich der Vorsitzende auch beim Kommers an die Besucher wenden, verriet er im Gespräch mit der Redaktion. Gleichzeitig wünscht sich Spinner jedoch, dass sich die Gemeinschaft wieder an dieser Phase der Vereinsgeschichte orientiert und verstärkt angesprochen fühlt. Zuversichtlich stimmt Spinner hierbei das mit der Vereinsgeschichte verbundene stete Auf und Ab.
Für das derzeit auch bei vergleichbaren Vereinen rückläufige Interesse macht der Vorsitzende zum einen Auswirkungen der Corona-Pandemie verantwortlich. "Dass Corona dem Verein geschadet hat, steht außer Frage", ist Spinner überzeugt. Viele betagte Aktive seien nach der Pandemie den Chor- und Theaterproben ferngeblieben. Und nach Spinners Beobachtung fehlen derzeit sowohl bei den Chören als auch in der Theatergruppe insbesondere die Männer. Zum anderen sieht Spinner auch den zunehmenden gesellschaftlichen Egoismus als Problem. Er hofft, dass dem "Liederkranz" dennoch auch künftig immer genügend tatkräftige Frauen und Männer zur Verfügung stehen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und die aktiv die Kultur des Gesangs, Musik und Theater zu pflegen.
Sein Jubiläum feiert der Gesangverein "Liederkranz" Waldbrunn im Verlauf des Jahres mit einem Kommers am 24. Februar, einem Festwochenende am 8. und 9. Juni sowie einem Liederabend am 12. Oktober.
