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WÜRZBURG
Der Frevel des Julius Echter
Von unserem Redaktionsmitglied Wolfgang Jung
 |  aktualisiert: 02.12.2013 10:02 Uhr

Im Innenhof des Juliusspitals steht seit Freitag eine eiserne, rostrote Skulptur, gut einen Meter hoch. Walter Herberth, der Leiter der Juliusspitalstiftung, nennt sie „ein mutiges Bekenntnis zur Vergangenheit“. Das ist zu untersuchen.

Der Kleinrinderfelder Bildhauer Kurt Grimm hat drei Elemente ineinander geschmiedet: einen Quader, der für das Juliusspital steht, einen Ring als Symbol für den Spitalgründer Julius Echter und eine Stele, die einen jüdischen Grabstein symbolisiert. Auf ihr steht in Großbuchstaben geschrieben: „Ab 1147 jüdischer Friedhof, 1576 - 80 Bau des Juliusspitals durch Julius Echter, heute große soziale Stiftung.“

Wer den Jenseitsglauben in der jüdischen Religion nicht kennt, sieht eine Skulptur, die eine einträchtige, lange Verbundenheit zwischen Judenheit und Spital beschreibt. Nur wer Bescheid weiß erkennt, warum Herberth von einem mutiges Bekenntnis spricht. Die Skulptur erinnert an einen ungeheuren Frevel.

„Die Gästeführerinnen erinnern stets auch an die Schattenseiten der Stiftungsgeschichte.“
Walter Herberth, Leiter der Juliusspitalstiftung

Das Juliusspital steht auf einem jüdischen Friedhof. Beim Abbruch des Markusklosters in der Pleich wurden im Jahr 1987 über 1500 Grabsteine und Grabsteinfragmente gefunden, datierend aus den Jahren 1126 bis 1346. Sie wurden in der Mitte des 14. Jahrhunderts abgeräumt und für den Klosterbau verwendet. Im Jahre 1450 zahlte die jüdische Gemeinde 300 Goldgulden, um den Ort zwischen dem Pleicher und dem Hauger Viertel als Begräbnis- und Kultstätte zu erhalten. Denn das Grab ist im jüdischen Glauben das „Haus der Ewigkeit“, in dem der Tote die Ankunft des Erlösers erwartet. Das Grab ist unantastbar.

Echter, den katholischen Gottesmann, scherte das nicht. Er nahm den „Judengarten“ genannten Friedhof 1576 in Besitz und zerstörte ihn. Dass er der jüdischen Gemeinde keinen Heller für ihren Grund und Boden zahlte, fällt im Vergleich zur Schändung des Friedhofs kaum ins Gewicht. Die Gründung des Juliusspitals ist das Ergebnis frevlerischer Akte.

Die Skulptur im Innenhof des Spitals soll, so sagt Herberth, an Echters Entscheidung erinnern, „das Gelände ungeachtet des religiösen Ewigkeitskontextes im jüdischen Glauben als Baugrundstück“ zu nutzen.

Für jüdische Gläubige ist der Frevel bis heute lebendig. Josef Schuster, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Unterfranken und Mitglied des Zentralrats der Juden in Deutschland, sprach zur Enthüllung des Denkmals vom „Friedhof, der sich unter uns befindet“. Bei einer früheren Gelegenheit berichteten Juden dieser Redaktion, sie setzten keinen Fuß ins Juliusspital, weil man nicht auf Gräber trete.

Schuster interpretiert die Entscheidung für das Denkmal als eine positive Entwicklung innerhalb des Spitals. Die interne Auseinandersetzung mit der Gründungsgeschichte sei noch nicht lange möglich; angestoßen habe sie erst Herberths Vorgänger Rainer Freiherr von Andrian-Werburg. Herberth berichtet, verbale Bekenntnisse gebe es „in der Gegenwart zu Hauf“, angefangen bei den Gästeführerinnen des Spitals, „die stets auch die Schattenseiten der Stiftungsgeschichte“ erwähnten. Die Offenheit werde getragen „von der Überzeugung, dass das klare Bekenntnis zur Vergangenheit in keiner Weise die Faszination unseres sozialen Stiftungsauftrages schmälert“.

Das Denkmal hat eine historische Dimension, die ablesbar war an jenen, die zur Enthüllung kamen: Stadt und Regierung, evangelische und katholische Kirche hatten Vertreter geschickt. Eine Gedenktafel soll es künftig erläutern. Der Hinweis, dass Spital und Judenheit durch Echters Frevel miteinander verbunden sind, ist nicht vorgesehen.

 
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