Der Erste Weltkrieg gilt als die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts. Über neun Millionen Soldaten ließen ihr Leben – eine unbekannte Anzahl an Zivilisten starb unmittelbar an den Kriegsfolgen. Auch aus den Dörfern und Städten des Taubertals blieben Hunderte von Soldaten auf den Schlachtfeldern, heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt Röttingen.
Der Historiker und Leiter des Archivverbundes Ochsenfurt-Röttingen-Gaukönigshofen, Georg Menig, hat nun im Auftrag der Stadt Röttingen ihre Geschichte im Ersten Weltkrieg untersucht. Hierbei wurde betrachtet, wie der Krieg durch die Bevölkerung wahrgenommen wurde und welche sozialen und gesellschaftlichen Folgen er nach sich zog. Das Buch "Daheim Kummer und Sorgen und hier im Felde gegenseitiges Morden - die Stadt Röttingen an der Tauber und der Erste Weltkrieg" sollte ursprünglich öffentlich vorgestellt werden, was im Zuge der Corona-Prävention jedoch entfallen muss. Darum erfolgt hier eine kurze Skizzierung des Inhalts, teilt die Stadt mit.
Quellenbasierende Arbeit
Als Stadtarchivar hat Menig Zugang zu Gemeindeakten, gedruckten Quellen und amtlichen Schreiben der damaligen Behörden. Zusätzlich wurden zahllose Feldpostbriefe ausgewertet. Dabei stellte er unter anderem fest, dass die Kriegsbegeisterung bei der überwiegend bäuerlichen Bevölkerung Röttingens trotz gegenteiliger öffentlicher Wahrnehmung 1914 weniger stark ausgeprägt war als in der Arbeiterschaft der Großstädte – wussten die Landwirte doch, dass der Wohlstand des Hofes von der Arbeitskraft der Jungbauern und Knechte abhing. Im Laufe des Krieges wurden nahezu alle arbeitsfähigen Männer im Alter von 18 bis 45 Jahren zum Kriegsdienst eingezogen.
Auch die sozialen Veränderungen in der Heimat kommen zum Ausdruck. Frauen wurden plötzlich zu den Ernährern ihrer Familien, nachdem sie vorher gesellschaftlich kaum eine Rolle gespielt hatten. Der Krieg beeinflusste jede gesellschaftliche Schicht und sorgte für eine spürbare Mehrbelastung der Frauen, die den Hof oder den Betrieb nun bewirtschaften mussten. Hieraus resultierten eine höhere Kindersterblichkeit und ein extremer Geburtenrückgang während der Kriegsjahre. Der Mangel an Arbeitskräften trieb außerdem Landwirte dazu, die Zuteilung von Kriegsgefangenen zu ersuchen, um die Felder bestellen zu können.
In seinem Buch beleuchtet Georg Menig auch das Schicksal der insgesamt 406 Frontsoldaten aus Röttingen, befasst sich mit ihrer Heimkehr sowie der Bewältigung der Kriegserfahrung. Er untersucht den Umgang mit Kriegsversehrten und die Erinnerungskultur an den "Großen Krieg".
Entstanden ist das Buch aufgrund der guten Quellenlage des Archivs in Röttingen sowie der Unterstützung von Bürgermeister Martin Umscheid und des Röttinger Stadtrats. Zudem ist das Werk Teil der Forschungsreihe zum Ersten Weltkrieg im Ochsenfurter Gau, die Georg Menig (Aub) und Stefan Fach (Tiefenthal) gemeinsam bearbeiten. Im Rahmen dieser Kooperation wurden bereits die Orte Bütthard, Gaurettersheim, Gützingen, Höttingen und Tiefenthal betrachtet. Weitere Orte sind in Arbeit. Menig hatte 2018 bereits ein Buch über Gaukönigshofen im Ersten Weltkrieg verfasst.
Neben dem Hauptthema, dem Ersten Weltkrieg, war es Georg Menig auch wichtig, den aktuellen Forschungsstand zur Röttinger Stadtgeschichte darzustellen. In einem Kapitel wird deshalb die Entwicklung der Stadt vom Mittelalter bis ins Königreich Bayern nach aktuellem Forschungsstand skizziert. Hierbei wurde neben den bekannten Werken von Wieland und Freudinger auch auf neuere Quellen und Literatur zurückgegriffen, endet die Mitteilung.
Das Buch hat den Titel "Daheim Kummer und Sorgen und hier im Felde gegenseitiges Morden - die Stadt Röttingen an der Tauber und der Erste Weltkrieg", ist im Gendi-Verlag erschienen und ab Juni für 19,95 Euro in der Tourist-Information Röttingen im Rathaus am Marktplatz erhältlich.