Vier Männer in historischen Kostümen mit breitwandigen Hüten fuchteln mit ihren Degen herum; zwei stehen auf einem Brunnenrand. Auf einem anderen Foto spannt ein Mann seinen Bogen und zielt auf einen anderen mit turbanähnlicher Kopfbedeckung.
Die Kämpfer sind Angehörige der Würzburger Bereitschaftspolizei, die Szenen spielen sich auf der Würzburger Festung ab. Der Brunnen in der Mantel-und-Degen-Szene ist der Brunnen im Innenhof der Festung; dahinter sind die Fenster der Marienkirche zu sehen. Das Turban-Bild entstand ebenfalls im Hof. Was hier besonders fasziniert ist der Hintergrund: ein am 16. März 1945 ausgebrannter Festungsflügel, zum Teil noch fensterlos.
Originalgetreue Kulisse gesucht
In diesem Trakt hatte ein Filmteam im Sommer 1955 für acht Wochen Quartier bezogen. Mit Weltstars wie Peter van Eyck und bekannten deutschen Darstellern wie Wolfgang Preiss und Benno Sterzenbach drehte der aus Österreich stammende und in den USA lebende Regisseur und Drehbuchautor Walter Reisch seine Version von Rainer Maria Rilkes Erfolgsnovelle „Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“.
Reisch lehnte es ab, zwischen Pappkulissen zu filmen. In ganz Westdeutschland hatte er nach einem Gebäudekomplex gesucht, der jenem ungarischen Schloss Zathmar glich, das 1660 in Rilkes Novelle von den Türken angegriffen wird und in dem der junge Cornet (Reiterfähnrich) Rilke eine Liebesnacht mit der Schlossfrau erlebt. Dann sah er die Würzburger Festung und wusste, dass er sein Schloss gefunden hatte.
Walter Reischs fixe Idee war, keine einzige Szene im Atelier zu drehen; da die Festung zehn Jahre nach Kriegsende noch nicht gänzlich wiederhergestellt war (das sollte bis 1990 dauern), restaurierte die Filmgesellschaft einige der kriegszerstörten Räume für Innenaufnahmen.
Würzburger Komparsen für 15 Mark engagiert
Das ausgebrannte Turmzimmer – Ort der Liebesnacht des Cornet und der Schlossfrau – und die Bibliothek wurden wiederhergestellt, ein Pavillon über dem Fürstengarten errichtet und die Fensterfront im Osttrakt verglast. Ein falsches Burgtor entstand ebenfalls für die zweimonatigen Dreharbeiten. Doch gerade dieses später wieder entfernte Tor fand das besonders Interesse von fotografierenden Touristen, die bei den Dreharbeiten zuschauten.
Zahlreiche Würzburgerinnen und Würzburger wurden für 15 Mark pro Drehtag engagiert; dazu Reiter mit Araberhengsten des Fürsten zu Castell und über 100 Bereitschaftspolizisten. Aus dem Fotoalbum eines dieser Polizisten stammen die hier gezeigten Bilder, die uns Gerhard Guckelsberger aus der Zellerau, selbst ehemaliger Polizist, zur Verfügung gestellt hat.
56 Schauplätze wurden für den eineinhalb Millionen Mark teuren Farbfilm gebraucht, und die meisten waren innerhalb der Festungsmauern zu finden. Doch auch der Wenzelsaal im Grafeneckart und die Fassade des Klosters Himmelspforten wirkten mit.
Über 100 Polizisten am Drehort
Am 24. September 1955 berichtet die Main-Post von den Dreharbeiten auf der Festung. „Ein Drehtag beginnt spätestens um sechs Uhr morgens“, stand in dem Artikel. „Die Lastwagen der Bereitschaftspolizei rumpeln als erste in den Burghof. Über hundert Polizisten erklimmen die steinerne Wendeltreppe zum ausgebrannten Burgsaal. Dort vertauschen sie ihre hellgrünen Uniformen mit Landsknechtsmonturen.“
„Wer als Türke eingeteilt ist, bekommt einen roten Kittel, Goldhelm oder Turban, klirrende Armreifen und einen krummen Säbel“, heißt es weiter. „Die Reiter tragen Helm, Wams, Kniehosen und Stulpenstiefel.“ Es waren gerettete Kostüme aus dem Fundus des 1945 zerstörten Preußischen Staatstheaters in Berlin.
Zelte und Planwagen im Guttenberger Wald
Die ungarische Landschaft, die er sich vorstellte, fand der Regisseur ebenfalls in der Umgebung Würzburgs, so in der Eingangsszene, in der der Cornet Rilke mit einigen Gefährten langsam durch Felder reitet. Im Guttenberger Wald bei Kist wurden 100 Zelte aus zwölf Kilometern Stoff aufgestellt, in der die Reiter des alten Generals Spork lagern.
In diesem Lager ernennt Spork Rilke zum Cornet, und auch bei dieser Szene war die Main-Post dabei: „Die Polizisten haben sich um Zelte, Planwagen und Lagerfeuer gruppiert. Der Regisseur kommandiert: ,Bewegung?, und dann werden Säbel geputzt, Pferde gefüttert und Würfelbecher geschüttelt, und es wird exerziert.“
Eine besondere Rolle spielt ein Brückchen über einen kleinen Fluss. Es ist die Brücke über die Tauber bei Hochhausen. Auf einem Foto sitzen fertig eingekleidete Bereitschaftspolizisten vor der Brücke und warten auf ihren Einsatz. Im Hintergrund ist ein turmartiges rundes Gebäude zu sehen – offenbar nur für diese Szene errichtet.
Architekturmodelle aus Kork
Als Gerhard Guckelsberger das Foto mit dem Staffage-Turm einem Bekannten zeigte, fühlte der sich sofort an das Mausoleum des römischen Adelsgeschlechts der Plautier an der Straße von Rom nach Tivoli erinnert. Kannten Regisseur oder Szenenbildner dieses Grabmal etwa, das seit 2000 Jahren ebenfalls an einer Brücke, der Ponte Lucano, steht?
Einer, der es definitiv kannte, ist Georg May, der für das Aschaffenburger Schloss Johannisburg zahlreiche Korkmodelle antiker Bauwerke schuf, darunter das dreieinhalb Meter große Kolosseum. Zwei Räume im Schloss sind heute der mit 54 Exponaten weltweit größten Kollektion von Architekturmodellen aus Kork gewidmet. Eines von ihnen ist jenes Mausoleum der Plautier, das man hier in ganzer Pracht sehen kann, während das Original vor den Toren Roms langsam zerfällt.
Wichtiges Requisit stammt aus Würzburger Wagner-Innung
Ein wichtiges Requisit in Reischs Film, der die knappe Novellen-Handlung auf Spielfilmlänge dehnte, ist eine Kutsche, die General Spork als rollendes Stabsquartier dient. Das prachtvolle Gefährt entstand vor Beginn der Dreharbeiten bei Kaspar Bader, dem Obermeister der Würzburger Wagner-Innung, in dessen Werkstatt in der Sedanstraße.
Bader („Endlich mal e schöne Arbet“) erinnerte sich in einem der zahlreichen Main-Post-Artikel über die Dreharbeiten daran, dass er selbst als Lehrling noch Wagenräder zur Reparatur in die Werkstatt gerollt hatte. Bader und seine Leute schufen auch die Pfeile und Bogen für die „türkischen“ Scharfschützen – ebenfalls Würzburger Bereitschaftspolizisten.
Nach Ende der Dreharbeiten nahm das Filmteam die Kutsche übrigens nicht einfach mit. Der Wirt des jugoslawischen Restaurants Diocletian am Sternplatz erwarb sie und bis zur Schließung des Lokals konnten Gäste in dem innen mit rotem Samt beschlagenen Gefährt fürstlich speisen.
Der Film läuft am Sonntag, 17. September, um 11 Uhr im Central im Bürgerbräu. Reservierung: Tel. (0931) 78 011 057 oder im Internet: www.central-bb.de