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HÖCHBERG
Der clevere Stromspeicher aus Höchberg
Kühlschrank-großer Kasten mit Innenleben: Der Prototyp des neuartigen Speichers darf im Wohnzimmer stehen.
Foto: Johannes Kiefer | Kühlschrank-großer Kasten mit Innenleben: Der Prototyp des neuartigen Speichers darf im Wohnzimmer stehen.
Jörg Rieger
 |  aktualisiert: 15.11.2017 03:06 Uhr

Es ist vermutlich der Wunschtraum vieler Bürger – und der von Umweltschützern auch: Jeder Hausherr versorgt sich selbst mit Strom und Wärme, völlig autark, wirtschaftlich lohnenswert – und mit so viel Energie, dass es auch noch für das Aufladen der Batterien des eigenen Elektroautos reicht. Dieter Irl und Thomas Krüger stehen kurz davor, dass diese Wunschvorstellung bei bestimmten Häusern Wirklichkeit werden kann. Die beiden Unterfranken wollen spätestens im nächste Jahr einen intelligenten Stromspeicher auf den Markt bringen, dessen Herz eine integrierte Energiefluss- und Gebäudesteuerung ermöglicht. Ein Prototyp läuft schon.

„Es wird nichts nach draußen abgegeben“

Thomas Krüger steht im Wohnzimmer seines Referenzhauses in Höchberg im Landkreis Würzburg und deutet auf einen Bildschirm: „Hier sieht der Endverbraucher auf einen Blick, was in seinem Haus gerade mit der Energie passiert, die zum Beispiel wie hier per Photovoltaik auf dem Dach gewonnen wird.“ Wichtig, sagt der 58-Jährige, ist: „Es wird nichts nach draußen an das öffentliche Netz abgegeben. Denn das würde sich aufgrund der gesunkenen Einspeisevergütung schon längst nicht mehr lohnen.

“ Im Haus selbst sei der Strom „etwa das 2,5-Fache wert“, erklärt Krüger, der den Prototyp des intelligenten Stromspeichers in Eigenregie entwickelt und programmiert hat.

Die energieverbrauchenden Vorgänge ließen sich bequem „priorisieren“, also in eine Reihenfolge bringen. Priorität eins: „Das Warmwasser. Es steht aktuell bei 45,8 Grad Celsius. Das ist genau die richtige Temperatur für eine heiße Dusche“, sagt Krüger, während an diesem Tag draußen die Sonne vom Himmel lacht. Über einen Heizstrahler oder eine Wärmepumpe werde die elektrische Energie in Wärme umgewandelt.

Eigene Energie auch nachts

Wenn sich, so wie eine halbe Stunde später, eine Wolke davorschiebt oder es zu dämmern beginnt, geht im Haus das Licht nicht aus. „Im Gehäuse der Anlage ist ein Stromspeicher. Damit lässt sich die Energie auch nutzen, wenn die Sonne nicht scheint“, sagt Dieter Irl, der Geschäftsführer der Würzburger Firma Crosswind Energy Systems, die den Vertrieb des Gerätes übernimmt.

Selbst nach einer Serie von trüben Tagen wie jetzt im November reiche die gewonnene Energie aus, um zu Hause nicht zu frieren, Licht zu haben und warm zu duschen. Auch wenn sich der Energiespeicher dem Ende zuneige, bleibe es drinnen hell und warm, sagen die Entwickler. „Denn der Haushalt kann jederzeit zusätzlichen Strom aus dem öffentlichen Netz beziehen“, meint Dieter Irl. Da der „reguläre“ Strom zum Beheizen indes vergleichsweise teuer ist, empfiehlt der 70-Jährige einen Gasbrenner als „Notstromaggregat“ als Alternative. Der „TAURUS“, so die Markenbezeichnung des neuartigen Stromspeichers, hat einen Bleityp namens Lead-Crystal als Batterietechnologie. Diese Speicherquelle habe mehrere Vorteile, erläutert Irl: „Darunter das umweltfreundliche Recycling, die gute Funktionsweise bei sehr niedrigen und hohen Temperaturen sowie die Tatsache, dass sie nicht brennbar ist.“ Daher könne man den Stromspeicher auch problemlos in der Scheune eines Bauernhofes aufstellen. „Der Landwirt braucht schließlich auch viel Energie, wenn es noch oder schon wieder dunkel ist. Für ihn könnte das die perfekte Lösung sein.

„Für den Hausgebrauch reicht die Leistung locker aus“

Für den Einsatz in E-Autos sei Lead-Crystal eher uninteressant, weil Blei sehr viel wiegt – und auch nicht so tief entladen werden kann. „Doch für den Hausgebrauch reicht die Leistung locker aus“, sagt Irl. Wenn der Bedarf für die innerhäuslichen Bedürfnisse gestillt und der eigene Stromspeicher für die Nacht ausreichend gefüllt ist, kann man die Energie für andere Zwecke nutzen. Nur sie am Markt zu verkaufen, sei eben nicht lukrativ.

Krüger selbst hat zwei E-Autos, die vor der Haustüre stehen und gerade aufgeladen werden. „Das Problem dabei war stets, dass die hauseigene Batterie entladen wird, wenn die des E-Autos gleichzeitig auflädt. Das können wir mit unserem elektrischen System verhindern“, sagt Krüger und deutet zum Beleg wieder auf den Bildschirm. Auch wenn das öffentliche Netz ausfalle, könne sich der Haushalt autark mit Strom versorgen.

Auf rund 15 000 Euro schätzen Krüger und Irl den Verkaufspreis ihres intelligenten, allumfassenden Stromspeichers bei Markteinführung. Dazu kommen, sofern noch nicht vorhanden, die Kosten für eine regenerative Energiequelle, beispielsweise Photovoltaik-Module auf dem idealerweise südlich oder südwestlich ausgerichteten, schrägen Hausdach. Oder auch die Investition in ein Blockheizkraftwerk. Die Installation des Stromspeichers vor Ort ist nach Angaben der beiden ein Kinderspiel und kann auch in kleinen Räumen erfolgen. Das Gerät, das die Ausmaße eines Kühlschranks hat, wiegt rund 400 Kilogramm. „Für eine normale Decken- und Bodenkonstruktion überhaupt kein Problem.“

Rechnet sich das?

Wie schnell sich die Investition rechne, hänge nicht zuletzt vom eigenen Verbrauch ab, meint der Höchberger: „Besitzer eines E-Autos können natürlich auch den Benzinpreis gegenrechnen.“ Bei ihm selbst würde sich die Anlage schon nach wenigen Jahren rentieren. „Bei anderen ist das vielleicht nach neun oder zehn Jahren der Fall.“

Stellt sich nur die Frage, warum noch so wenige Hausherren mit dem Gedanken spielen, sich völlig autark und umweltfreundlich mit Energie zu versorgen? „Diese Lösung wird von der Politik nicht wirklich forciert. Die Energielobby in unserem Land ist einfach zu stark“, ist Krügers Antwort, und er wird etwas rauer im Ton. „Dabei bräuchten wir die ganzen Stromtrassen nicht, wenn wir auf eine dezentrale Energieversorgung setzen würden.“

An Krüger und Irl würde es nicht scheitern. Die Planung für die Serienproduktion stehe, sagen sie. Derzeit sei man auf der Suche nach einer Montagestätte in der Region. Spätestens im ersten Quartal 2018 wollen die beiden Pioniere noch einige Referenzhäuser mit dem „TAURUS“ ausstatten und weiter testen.

Der Tüftler Krüger hat übrigens noch ein weiteres Projekt am Laufen: einen selbstentworfenen Schaltbaukasten, der das eigene Haus zum Smart Home werden lässt. Krüger demonstriert im Wohnzimmer, wie man über einzelne Schalter, separat die Stockwerke ansteuern und zum Beispiel Jalousien schließen oder auch die Kaffeemaschine anwerfen kann. Dabei spiele prinzipiell wieder das Stromsparen eine Rolle. „Doch natürlich sind solche Funktionen auch ein schöner Komfort und Einbrecherschutz.“

Stationäre Stromspeicher

Als Technologien kommen bei den Speichern, die auch in der Nacht und an trüben Tagen in Gebäuden Energie zur Verfügung stellen, in der Regel Blei- oder Lithiumionenakkus zum Einsatz. Die sind noch relativ teuer – werden von Fachleuten allerdings als Zukunft im häuslichen Bereich gesehen. An Lithiumionenbatterien wird vor allem wegen des Vorankommens bei E-Autos sehr intensiv geforscht. Fortschritte in der Zellentwicklung würden auch den stationären Stromspeichern zugutekommen. Auch wenn sich eine bleibasierte Starterbatterie für das Auto deutlich von einem stationären Energiespeicher in Gebäuden unterscheidet: Laut Experten gibt es auch hier Verbesserungen in der Forschung und Entwicklung, weshalb sich Blei ebenfalls als Zwischenspeicher volatiler Energiequellen eigne.

Das Thema Umweltverträglichkeit ist eine zweischneidige Sache. Einerseits sind Bleibatterien – anders als Lithiumionenbatterien – fast zu 100 Prozent wiederverwertbar. Allerdings wird das Schwermetall gerade in osteuropäischen Ländern häufig unsachgemäß entsorgt. Deshalb stehen Bleibatterien auch bei der EU auf der roten Liste.

In den Industriestaaten werden nach Branchenangaben dagegen rund 90 Prozent des Bleis wiederverwendet und etwa in stationären Stromspeichern sicher gebunden.

Eine dritte Technologie neben Blei- und Lithiumionenakkus sind Redox-Flow-Batterien, landläufig auch als Flüssigbatterie oder Nasszelle bekannt. Für den stationären Einsatz im Heimbereich steht die Technologie allerdings noch am Anfang. An Batterietechnologien wie Blei- oder Lithiumionenakkus für verschiedenste Einsatzgebiete wird übrigens auch am Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC in Würzburg geforscht: Dort ist das FuE-Zentrum für Elektromobilität Bayern angesiedelt, das Material- und Komponentenentwicklung für Batterie- und Speichersysteme anbietet. jr

Verbraucht im Blick: Rundum-Energieverwaltung eines Wohnhauses.
Foto: Johannes Kiefer | Verbraucht im Blick: Rundum-Energieverwaltung eines Wohnhauses.
 
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Kommentare
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  • poststelle@alf-wu.bayern.de
    Warum sollte ich davon träumen, gerade bei der Stromversorgung autark zu sein?
    Halte ich mir etwa Hühner für das eigene Frühstücksei oder eine Kuh für die autarke Milchversorgung?
    Grabe ich mir einen eigenen Brunnen für die Autarkie bei der Wasserversorgung?
    In einer modernen, arbeitsteiligen Gesellschaft ist die Autarkie des Eigenheims etwas für verschrobene, wohlhabende Eigenbrötler (um es höflich auszudrücken).
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  • jhuller@gmx.de
    Würden alle so denken, würden wir noch auf den Bäumen leben. Zum Glück ist das nicht so.
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