Vor 41 Jahren verließ ein Mercedes-L409-Pritschenwagen die Fabrik und fuhr lange Zeit Einsätze für das Technische Hilfswerk Düsseldorf. Seit neun Jahren leistet er musikalische Entwicklungshilfe von seinem Einsatzort Würzburg aus. Klassiker, Jazzer und inzwischen auch Schauspieler bringen Kunst ans Volk – unter Umgehung aller zeremoniellen Schwellen, die vielen Leuten den Spaß am ernsthaft Schönen vergällen.
Vom 19. bis 21. Juni rettet der Oldtimer "Der Blaue Eumel" sogar das Würzburger Mozartfest. Zumindest spielt die Besatzung an diesen drei Tagen neun Konzerte in Würzburger Innenhöfen. Hausgemeinschaften konnten sich im Mai dafür bewerben. Das Interesse war sehr groß, teilt Mozartfest-Sprecherin Claudia Haevernick mit: "Teilweise konnte man sehr schön sehen, wie Hausgemeinschaften sich zusammengetan, Bewerbungsvideos gedreht haben etc.. So haben wir schon im Vorfeld viel bewirkt: Die Anwohner haben sich ausgetauscht, sich zusammengetan. Das ist in diesen Zeiten der Vereinzelung sicher für alle eine sehr positive Erfahrung."
Zu hören gibt es Musiker, die seit Jahren zum Stamm des Blauen Eumel gehören, dazu neue Gesichter. Und es wirken ursprünglich eingeplante Mozartfest-Künstler mit: bei den Kinderkonzerten Ragna Schirmer und Christian Kabitz, beim Klavierabend ebenfalls erstere, das Sanduhr-Sextett und die Künstler der Produktion "Bäsle, häsle". Auch Alexander Wienand sollte heuer beim Mozartfest jazzen. Nun tut er es auf dem "Blauen Eumel". Für den Theater-Bereich werden Boris Wagner und Katharina Ries mitwirken.
Trauriges Schicksal einer Initiatorin
Im Stamm-Ensemble spielen immer noch etliche Mitgründer mit. Je nachdem, ob ihnen ihre Jobs Zeit für solch ein ehrenamtliches Engagement lassen. Aber die Idee gilt als berückend: Eine Gruppe von Profimusikern fährt mit dem Oldtimer durch die Lande – bis Südfrankreich, nach Polen und Tschechien -, um auf Dorfplätzen von der Ladefläche weg zu konzertieren. Dort ist ein älterer Flügel des Mainfranken-Theaters festgeschraubt. Eine Initiatorin des Musikvehikels war nämlich die Korrepetitorin Katia Bouscarrut, die am Mainfranken-Theater Sängerinnen am Klavier bei Proben begleitete. Nach der ersten Konzertreise in ihre französische Heimat fasste sie zusammen: "Auf der Tour ist für mich die Freude am Spielen zurückgekehrt. Ich hatte endlich wieder das Gefühl, auf der Bühne frei zu sein."
Das Spielen konnte sie nicht vor ihrer Krebserkrankung retten. Vor drei Jahren starb sie im Alter von 40 Jahren. Für ihre Mit-Eumler war klar, dass sie die Fahrten fortsetzen. Allerdings, so ein Violinist der ersten Stunde, Jan Kuhlmann: "Wer Katia kannte, kann sich vorstellen, dass diese unglaubliche Energie, dieser große Wille, Dinge zu bewegen, nicht einfach zu kompensieren war und ist."
Programme sollen möglichst Klassik, Jazz und Schauspiel verbinden
Eine Aufgabe ist, ein knappes Dutzend Leute allein für die Standardbesetzung des Pritschenwagens zusammen zu bekommen. Die Programme sollen möglichst Klassik, Jazz und Schauspiel beziehungsweise Tanz verbinden. So braucht es ein Klavierquintett und ein Jazztrio als Basis, ein oder zwei Solisten, zwei Schauspieler. Die jährlichen Sommerkonzerte an der Würzburger Umweltstation sind meist noch etwas größer besetzt. Am 11. und 12. Juli kann man das wieder erleben.
Authentisch soll die Musik vom Blauen Eumel sein. Geiger Kuhlmann sagt: "Uns ist ganz wichtig, dass wir genau die Art von Kunst zeigen, die wir auch in den Institutionen spielen. Ernsthafte Themen und Inhalte, keine gefällige Straßenmusik. Wir wollen Kunst als etwas Greifbares, Lebensnahes erlebbar machen, das für jeden Menschen eine Relevanz besitzt."
Weitere Infos unter www.der-blaue-eumel.de.