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Würzburg
Depressionen durch Corona: Das rät eine Psychiaterin Betroffenen
Viele Menschen leiden psychisch unter der Pandemie und ihren Folgen. Was Betroffenen helfen kann, erklärt Sarah Kittel-Schneider, Psychiaterin an der Uniklinik Würzburg.
Sarah Kittel-Schneider ist Professorin für Entwicklungspsychiatrie am Uniklinikum Würzburg und stellvertretende Direktorin der Psychiatrie.
Foto: Mario Weber/Uniklinikum Würzburg | Sarah Kittel-Schneider ist Professorin für Entwicklungspsychiatrie am Uniklinikum Würzburg und stellvertretende Direktorin der Psychiatrie.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 20:31 Uhr

Die Corona-Krise verunsichert Menschen, ruft Ängste hervor – und kann Depressionen auslösen oder verstärken. Um Fragen und Hilfestellungen dazu geht es in der nächsten Abendsprechstunde von Main-Post-Akademie und Uniklinik Würzburg. Als eine von zwei Experten informiert und berät die stellvertretende Psychiatrie-Direktorin Prof. Sarah Kittel-Schneider.

Frage: Führt die Pandemie tatsächlich zu mehr Depressionserkrankungen?

Prof. Sarah Kittel-Schneider: Im ersten Lockdown vor einem Jahr haben wir keinen Anstieg gesehen. Aber jetzt, in der dritten Welle, ist die Klinik voll belegt. Es kommen Menschen mit einer Erstdiagnose genauso wie jene mit psychischen Vorerkrankungen – darunter langjährige Patienten, die jetzt neue Schübe bekommen.

Woran liegt das?

Kittel-Schneider: Leute spüren jetzt konkrete negative Folgen der Pandemie – sie werden arbeitslos, geraten in finanzielle Not, müssen Mitarbeiter entlassen, weil Firmen Pleite gehen. Solche Faktoren schlagen seit Anfang des Jahres verstärkt durch. Dazu war der Januar extrem dunkel, wir hatten nur sehr wenige Sonnenstunden. Außerdem verbringen viele mittlerweile eine lange Zeit allein im Homeoffice oder sind zusätzlich belastet, etwa durch die Kinderbetreuung.

Also Depression auch durch Erschöpfung?

Kittel-Schneider: Die Überlastung spielt eine Rolle, in Verbindung mit fehlenden Gelegenheiten, die Akkus aufzuladen und Stress abzubauen. Ein starker Faktor ist daneben die soziale Isolation. Natürlich kann man über soziale Medien Kontakt halten – aber der analoge, zwischenmenschliche Kontakt ist doch etwas anderes. Nicht zu vergessen die biologische Komponente: Die spielt bei einigen Menschen auch eine große Rolle, da ist die Depression eine Erkrankung wie Bluthochdruck oder Diabetes, die man auch medikamentös behandeln muss.

Sind bestimmte Altersgruppen besonders betroffen?

Kittel-Schneider: Zum einen sind es junge Erwachsene, etwa Studierende. Sie verbringen die meiste Zeit allein zuhause vor dem Computer. Dabei ist der soziale Austausch mit Gleichaltrigen für Jugendliche und junge Erwachsene so wichtig. Zum anderen trifft es stark ältere Leute, die schon vor Corona Probleme mit Vereinsamung hatten. Für manche ist das Wenige an Sozialkontakten nun auch noch weggefallen. Es gibt keine Seniorentreffs mehr, keine Kaffeerunden.

Wie kommen denn Menschen mit der Pandemie zurecht, die bereits vorher an einer Depression erkrankt sind?

Kittel-Schneider: Am Anfang teilweise sogar besser als Gesunde. Sie hatten eine bessere Reizabschirmung, das Homeoffice kam ihnen da teilweise entgegen. Aber über die Dauer der Einschränkungen leiden solche Patienten stärker als die Normalbevölkerung, das hat eine Umfrage der Stiftung Deutsche Depressionshilfe gezeigt. Denn viele positive Aktivitäten oder Therapie-Angebote konnten gar nicht oder nur reduziert genutzt werden.

Wie erkenne ich, ob es sich um eine Verstimmung oder eine echte Depression handelt?

Kittel-Schneider: Kernsymptome der Depression sind gedrückte Stimmung, Antriebs- und Freudlosigkeit. Dinge, die mir vorher Spaß gemacht haben, interessieren mich nicht mehr. Sollte dieser Zustand über zwei Wochen lang anhalten, ist eine Untersuchung angezeigt.

Und wie ist es mit den Ängsten? Werden sie durch Corona verstärkt?

Kittel-Schneider: Eine gewisse Angst vor einer Ansteckung ist ja normal und hilfreich, um sich zu schützen. Krankhaft wird sie, wenn sie das eigene Denken über den ganzen Tag bestimmt und man sich kaum mehr davon ablenken kann. Und wenn sogar Dinge vermieden werden, die eigentlich erlaubt und normal sind, wie Einkaufen. Ich habe auch Patienten, die wichtige Arzttermine verschoben haben, weil sie Angst hatten, sich in der Praxis anzustecken.

Was kann ich denn selbst tun, um mich gegen eine Depression oder Ängste zu wehren?

Kittel-Schneider: Unabhängig von Corona sollte man versuchen, viel Tageslicht zu bekommen, in die Natur zu gehen, sich regelmäßig zu bewegen. Da reicht schon eine Stunde spazieren gehen am Tag. Man sollte mal "Fünf gerade" sein lassen: Perfektionismus ist eine Depressionsfalle. Und auch den Medienkonsum sollte man dosieren. Menschen mit Depressions- und Angsterkrankungen haben oft einen Negativfilter: Sie bleiben im Internet am Schlimmsten hängen und verstärken damit negative Gedanken.

Sollte man sich Corona-Auszeiten verordnen?

Kittel-Schneider: Natürlich sollte man informiert bleiben. Aber wenn man dadurch belastet wird, sollte man lieber mal auf einen Corona-"Brennpunkt" verzichten. Besser legt man den Fokus dann auf schöne Dinge, die gerade möglich sind – auf Sport, Aktivitäten oder andere Hobbys. Also sich bewusste Auszeiten nehmen.

Wie wichtig sind Freunde und Familie?

Kittel-Schneider: Man sollte in Kontakt bleiben, hier ist die Digitalisierung tatsächlich hilfreich. Und wenn Angehörige oder Freunde merken, dass sich jemand negativ verändert, sollte man den oder die Betreffende darauf ansprechen – auch auf mögliche Suizidgedanken. Da sollte man keine Scheu haben. Betroffene sind häufig erleichtert, weil sie eigentlich darüber sprechen möchten.

Hilfe für Betroffene

Anlaufstelle bei Problemen und Fragen zu Depression oder psychischen Erkrankungen:
- Krisendienste Bayern, Hotline 0800/6553000 (kostenlos), www.krisendienste.bayern
- Stiftung Deutsche Depressionshilfe, Info-Telefon 0800/3344533, www.deutsche-depressionshilfe.de
Digitale Abendsprechstunde "Corona und Depression – zwischen Angst und Einsamkeit", 18. Mai, 18 bis 19.30 Uhr, mit Prof. Sarah Kittel-Schneider und dem Psychologen und Oberarzt Dr. Stefan Unterecker (beide psychiatrische Uniklinik Würzburg). Veranstaltung kostenlos, Anmeldung erforderlich: Tel. 0931/6001-6009 oder Internet: www.akademie.mainpost.de
Quelle: aj
 
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