Über 70 000 Menschen waren in den vergangenen 20 Jahren alleine in Würzburg dabei: Am 10. September beteiligt sich die Stadt zum 21. Mal am bundesweiten „Tag des offenen Denkmals“, der in diesem Jahr unter das Motto „Macht und Pracht“ gestellt wurde.
Die Idee stammt bereits aus dem Jahr 1984, als Kulturminister Jack Lang in Frankreich den ersten Tag des offenen Denkmals ins Leben rief. Aufgrund der großen Resonanz folgten weitere Länder dem französischen Beispiel. 1991 wurden vom Europarat die „European Heritage Days“ ausgerufen. Zwei Jahre später fand in Deutschland der erste bundesweite Denkmal-Tag statt, seit 1997 ist Würzburg dabei. Immer am zweiten Sonntag im September „haben viele Menschen die Möglichkeit, sich mit baugeschichtlichen Zusammenhängen zu beschäftigen. Das ist der schönste Effekt dieses Tages und nur möglich durch ganz viel ehrenamtliches Engagement“, sagte Stadtbaurat Christian Baumgart, der das städtische Programm des Denkmaltages präsentierte.
Streifzüge in die Vergangenheit
Geschichte zum Anfassen, Streifzüge in die Vergangenheit, ein Blick hinter die Kulissen von Gebäuden und Denkmälern, die der Öffentlichkeit sonst nicht zugänglich sind – das ist die Grundidee, die sich dahinter verbirgt. „Das größte Lob geht an alle, die sich wieder bereit erklärt haben, die Besucher ehrenamtlich zu führen“, betonte Baumgart. Kunsthistoriker, Stadtführer und Experten bieten am 10. September an acht Orten der Stadt kostenlose Führungen an.
In Sachen „Macht und Pracht“ hat Würzburg nicht nur als ehemaliger Sitz der Fürstbischöfe einiges zu bieten – unter Anderem mit der Hofstraße und der Neubaustraße zwei ehemalige Prachtstraßen, die sehr viel historischen Stoff bieten. Stadtrat und Denkmalschützer Willi Dürrnagel führt in diesem Jahr zweimal durch die Hofstraße. Sie bot – bevor am Paradeplatz große Bäume gepflanzt wurden – dem Fürstbischof Johann Philipp Franz von Schönborn eine Blickachse vom Balkon am Mittelbau der Residenz auf seine Grabstätte, die Schönbornkapelle am Kiliansdom. „Eine frühere Prachtstraße unserer Stadt“, sagt Dürrnagel, der mit seinen Führungen um 10.30 Uhr und um 14 Uhr am Frankonia-Brunnen startet.
Ort der wissenschaftlichen Macht
Um die Neubaustraße als „Achse des Glaubens, des Wissens und der Kunst“ kümmert sich Johannes Sander – seine Rundgänge beginnen um 10 Uhr und um 13 Uhr an der Polizeiinspektion in der Augustinerstraße. „Es wird zunächst um die städtebauliche Situation gehen. Zweiter Schwerpunkt ist die Gründung der Universität, die auch ein Ort der wissenschaftlichen Macht sein sollte“, erläutert Sander. Er wird seinen Gästen auch die Neubaukirche der Universität von innen zeigen: „Sie gehört zu den bedeutendsten Renaissance-Bauten nördlich der Alpen.“
Gleich um die Ecke, in der Ottostraße 5, befinden sich das neue Straf- und Ziviljustizzentrum an der Stelle des ehemaligen Justizpalastes, der Ende des 19. Jahrhunderts gebaut und vor 125 Jahren eröffnet wurde. Daneben wurden auf dem Grundstück der ehemaligen Würzburger Justizvollzugsanstalt bis 2005 das neue Strafjustizzentrum gebaut, danach der Altbau aufwändig entkernt und bis 2010 generalsaniert. „Man kann damit den Wandel der Justiz zeigen“, sagt Landgerichtspräsident Dietrich Geuder. Der Hausherr führt am 10. September persönlich durch die Gebäude – Treffpunkt ist um 11 Uhr und 13:30 Uhr am Eingang zum Ziviljustizzentrum.
Denkmalpflege in den Vordergrund rücken
Stadtheimatpfleger Hans Steidle bietet am Denkmal-Tag gleich zwei Führungen an. „Der Tag des offenen Denkmals ist ein Anlass, die Denkmalpflege in den Vordergrund zu rücken“, betont er: „Es ist eine öffentliche Aufgabe, die Spuren der Vergangenheit zu bewahren. Gerade die jungen Bewohner einer Stadt sollen in ihr lesen können wie in einem Buch.“
Steidle beginnt um 11 Uhr mit einer Führung zum außen frisch sanierten Grafeneckart, dem ältesten Teil des Rathauses. Um 14:30 Uhr erwartet er die Besucher dann im Innenhof des Juliusspitals. Es war nicht nur das erste größere Gebäude in Würzburg, das der staatlichen Sozialfürsorge diente, sondern als Vorläufer der Residenz in seinem Nordbau auch das Domizil der Fürstbischöfe in der Stadt: „Durch die Größe des Gebäudes wird die Macht des Katholischen betont“, so Steidle.
Laubengänge, Rosenduft und Wasserspiele
Die Festung und die Residenz stehen im Eigentum des Freistaats und gehören daher nicht zum städtischen Programm am Denkmaltag. Wohl aber der Hofgarten: Joachim G. Raftopoulo führt unter dem Titel „Laubengänge, Rosenduft und Wasserspiele“ am 10. September ab 10 Uhr (Treffpunkt Frankonia-Brunnen) durch die barocke Anlage.
Und auch der Kiliansdom darf – zusammen mit dem Neumünster – bei einem Denkmaltag unter dem Motto „Macht und Pracht“ nicht fehlen: Mit ihm haben sich die Fürstbischöfe ein monumentales Bauwerk geschaffen, das als viertgrößte romanische Kirche Deutschlands gilt. Julia Pracher erwartet ihre Besucher zur Führung unter dem Titel „Herrscher von Gottes Gnaden“ um 15 Uhr am siebenarmigen Leuchter im Dom.
Keine Denkmäler, aber dafür einige Grabmäler zeigen kann Angelika Serger bei ihrer Führung zum Thema „Tod auf dem Scheiterhaufen – Hexenverfolgung in Würzburg“. Das Hochstift war zu Beginn des 17. Jahrhunderts einer der Brennpunkte der Hexenprozesse in Deutschland. Die Führung beginnt um 15 Uhr am Juliusspital und führt über Marktplatz, Dom und Rathaus zur Alten Mainbrücke.