Hans-Ulrich Gumbrecht, den die Stadt Würzburg im Vorjahr mit ihrem Kulturpreis ehrte, hatte ihn Anfang Dezember in seiner Dankesrede zur Preisverleihung ins Gespräch gebracht: Martin Lampe.
Martin wer? Nicht wenige Zuhörer im Ratssaal der Stadt dürften diesen Namen wohl noch nie zuvor gehört haben.
Doch Gumbrecht, der Literaturprofessor und Geisteswissenschaftler, blieb die Antwort natürlich nicht schuldig. Martin Lampe war über viele Jahre der treu ergebene Diener des berühmten deutschen Philosophen Immanuel Kant – und er stammte aus Würzburg, wo er 1734 (ein genaues Geburtsdatum ist nicht bekannt) geboren wurde.
Gumbrecht, ebenfalls gebürtiger Würzburger und heute an der kalifornischen Elite-Universität Stanford lehrend und arbeitend, sprach über den Diener des Philosophen, als er laut darüber nachdachte, in welcher der unterschiedlichen Traditionen seiner Heimatstadt er sich am ehesten sehe.
Da fiel ihm neben dem jüdischen Schriftsteller Yehuda Amichai auch noch Martin Lampe ein. 30 Jahre hatte der dem Philosophen Kant (1724 bis 1802) treu ergeben gedient, ihn in aller Herrgottsfrüh geweckt, ihm beim An- und Auskleiden geholfen, Kant und seinen Gästen Speis und Trank aufgetischt. Immer war er da, wenn der Herr ihn brauchte.
Und ganz plötzlich, es war im Jahr 1802, setzte Kant ihn unversehens vor die Tür. So ganz genau weiß man nicht, warum er dies tat. Ein Grund könnte gewesen sein, dass Lampe seinem Arbeitgeber eine zweite Heirat verschwiegen hatte. Oder aber, dass er dem Alkohol zu exzessiv zusprach.
Es muss jedenfalls ein heftiges spätes Zerwürfnis gewesen sein, denn Kant schrieb in sein Tagebuch: „Der Name Lampe muss nun völlig vergessen werden.“ Und Kants letzte Eintragung in Martin Lampes Dienstbüchlein lautete: „Lampe hat sich gegen mich treu aber in letzter Zeit unpassend verhalten.“ Er soll aber auch Einfluss auf Kants philosophisches Wirken gehabt haben. Das meinte zu zumindest der Schriftsteller Heinrich Heine.
Für Gumbrecht jedenfalls verkörpert dieser Lampe eine Tradition, in die er sich stellen ließe, wie er sagte. Und er gab der versammelten Würzburger Lokalpolitik gleich noch einen Rat mit auf den Weg. Die Stadt solle diesem Martin Lampe ein Denkmal errichten, er sei es wert. Er tat dies nicht ohne ein Augenzwinkern, wohl wissend, dass es in Würzburg so weit nicht kommen würde.
Immerhin griff diesen Hinweis Gumbrechts nun die Frankfurter Allgemeine Zeitung, für die Gumbrecht regelmäßig schreibt, auf. „Würzburger Denkmalsplan – Ruhm für Martin Lampe“ ist ein am 11. Januar erschienener Artikel überschrieben. „Baut es!“ appelliert Autor Jochen Hieber.
Ein Denkmal in Würzburg für einen, der drei Jahrzehnte lang einem der großen Philosophen der Aufklärung diente? Besonders gut scheint der Journalist die Heimatstadt Martin Lampes nicht zu kennen.
Viel weiß man über Martin Lampe heute nicht mehr. Und wie dies so ist, wer Immanuel Kant war, weiß heute so gut wie jeder, Martin Lampe jedoch ist in Vergessenheit geraten.
Auch wenn der Diener selbst, was nicht nur Heine erkannt hat, einen Teil des Ruhms seines Herrn für sich in Anspruch nimmt: „Was der von der Welt weiß, weiß er nur von mir“, lautet eines der ihm zugeschriebenen Zitate.
Immerhin hat der 1955 in Chemnitz geborene und heute in Berlin lebende Schriftsteller Jens Sparschuh dem Kant'schen Diener ein literarisches Denkmal gesetzt. Schon 1975 schrieb er den Text „Ein Nebulo bist du“, der später auch als Hörspiel vertont wurde. Hauptrolle: Martin Lampe. Veröffentlicht wurde der Text erstmals 1985, dann wurde er aber umso erfolgreicher. Denn Sparschuh, der 1995 mit dem Wenderoman „Der Zimmerspringbrunnen“ auf sich aufmerksam machte, erhielt 1990 für die Radiofassung von „Ein Nebulo bist du“ den renommierten Hörspielpreis der Kriegsblinden.
Dort kommt ein zorniger und sich ungerecht behandelt fühlender Martin Lampe zu Wort, der in einem – fiktiven – langen Selbstgespräch über seinen berühmten Herrn herzieht. Alles was er Kant schon immer einmal sagen wollte, erzählt er nun vor der verschlossenen Kammertür seines Herrn eben in einem gut einstündigen Monolog sich selbst. Besserwisserisch und verbittert manchmal, aber auch ironisch und schelmisch doziert er über Arten und Unarten seines Dienstherrn. Seine Würzburger Herkunft und Vergangenheit wird in dem Text nur schemenhaft gestreift, wenn sich Lampe beispielsweise beiläufig erinnert, auf dem Stadtanger ein Spiel gespielt zu haben, das „Tauber Ochse“ oder „Blinde Kuh“ geheißen habe.
Ob das dann letztendlich reicht, um ihm ein Denkmal in seiner Heimatstadt zu errichten? Wer weiß.
Buchtipp: Das Hörbuch: „Ein Nebulo bist du“, Audio Verlag 1989/2000, ISBN 3-89813-068-1. Der Text zum Lesen: Jens Sparschuh, Silberblick, Kiepenheuer & Witsch, 2004, ISBN 3-462-03379-4