
Der bundesweite "Tag des offenen Denkmals" am Sonntag, 13. September, findet in diesem Jahr nur digital statt. Tilo Hemmert und Ronald Jenkner kommt das gerade recht. Sie arbeiten seit Monaten an einem digitalen Kirchen- und Ortsführer für ihr Heimatdorf Erlach. Neben einem Renaissancehaus in Aub sind die Simultankirche und die Schlosskapelle in dem Ochsenfurter Ortsteil sowie die Kapuzinerkirche in Ochsenfurt die einzigen Beiträge aus dem Landkreis Würzburg, die heuer im Programm des Denkmalstags auftauchen.
Denkmäler nur am Bildschirm besichtigen, bringt das überhaupt was? Hemmert und Jenkner denken schon seit Jahren darüber nach. Die beiden kleinen Erlacher Kirchen sind normalerweise verschlossen. Touristen, die sich für die geschichtsbeladenen Gotteshäuser interessieren, werde zwar gerne Einlass gewährt, sagt Tilo Hemmert. Doch das sei mit Aufwand verbunden. Wie viel einfacher wäre es da in den Zeiten des Internets, Interessierten virtuell die Türen zu öffnen.
Der Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten
Der Gedanke verfolgt Tilo Hemmert und Ronald Jenkner schon lange. Beide interessieren sich für die bewegte Ortsgeschichte, die sich vor allem in der Simultankirche St. Johannis widerspiegelt. Im 14. Jahrhundert wurde sie von den Herren von Hohenlohe-Brauneck erbaut. Mehrfach wechselte das Dorf nach der Reformation seinen Grundherrn und mithin die Konfession. Übrig blieb eine geteilte Bürgerschaft aus Katholiken und Protestanten, die sich über Jahrhunderte hinweg voller Argwohn begegneten. Daran änderte auch nichts, dass die Kirche zu Beginn des 18. Jahrhunderts beiden Konfessionen geöffnet wurde und heute zu den 19 erhaltenen Simultankirchen in Bayern zählt.

Erst kurz vor dem Ersten Weltkrieg entschloss sich die katholische Gemeinde, den Rittersaal im benachbarten Wasserschloss mit der Hauskapelle zu einem Kirchenraum zu vereinen. Die Simultankirche dient seitdem vorwiegend der evangelisch-lutherischen Gemeinde. Nur einmal im Jahr, zur Karfreitagsprozession, machen die Katholiken von ihrem alten Nutzungsrecht Gebrauch und wahren die Tradition.
Verunglimpfte Farbenpracht
Im schlichten Inneren der Schlosskapelle ist deren Baugeschichte noch gut ablesbar. Die Simultankirche hingegen empfängt den Besucher mit einer überladenen Farbenpracht. Im 19. Jahrhundert war sie, dem Geschmack der Zeit folgend, im neugotischen Stil ausgemalt worden. Späteren Generationen missfiel diese als "Schreinergotik" verumglimpfte Machart. In den 1950er Jahren wurde das Kircheninnere deshalb grau übertüncht. Zum Glück, so Tilo Hemmert, beließ man es dabei, die alten Farben nur zu überstreichen, so dass bei der letzten Restaurierung im Jahr 1987 die Wiederherstellung möglich wurde.

Seit 2016 schon öffnen sich die beiden Kirchen jährlich zum "Tag des offenen Denkmals" den Besuchern, und werden "regelmäßig überrannt", erzählt Tilo Hemmert. Sein Plan scheint also aufzugehen, Aufmerksamkeit für die beiden Kleinodien zu erwecken und damit ihren Erhalt zu fördern. Das gleiche Ziel führte auch zum Entschluss, einen digitalen Kirchenführer zu erstellen. An den verschiedenen Kunstschätzen im Inneren, darunter sieben wuchtige Epitaphien - Grabgedenktafeln für die einstigen Dorfherren - sollen einmal QR-Codes angebracht werden, die direkt auf das jeweilige Kapitel der Internetseite hinweisen. Wem die Türen verschlossen bleiben, den laden 360-Grad-Panoramen zum virtuellen Rundgang ein.
Die technische Umsetzung stammt von Video- und Foto-Spezialist Ronald Jenkner, der sich darin als kongenialer Partner von Texter Tilo Hemmert erweist. Finanziell unterstützt wurde ihr Projekt von der kommunalen Allianz "Maindreick". Am "Tag des offenen Denkmals" geht auch ihre Internetseite www.geschichte-erlach.de online, auf der viele weitere Informationen zur Dorfgeschichte zusammengefasst sind.

Als sie mit der Arbeit begannen, dachte noch niemand an Corona oder einen ausschließlich digitalen Denkmaltag. "Wir waren unserer Zeit voraus", scherzt Tilo Hemmert rückblickend. Und doch ist der am "Tag des offenen Denkmals" gezeigte Stand nur ein Zwischenergebnis. Erst in den kommenden Wochen soll das zeitaufwendige Projekt ganz fertig werden.
Dieser Zwischenstand reichte aber immerhin aus, um den Veranstalter des Denkmaltags, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, zu überzeugen. Das Video, das die beiden für die eigene Internetseite produziert haben, wird auf der Plattform der Stiftung www.tag-des-offenen-denkmals.de bundesweit präsentiert.

Ein weiteres Video hat Ronald Jenkner in der Kapuzinerkirche an der Uffenheimer Straße in Ochsenfurt gedreht. Zur Seite standen ihm dabei Anton Gernert vom Arbeitskreis Geschichte, der sich bereits eingehend mit dem barocken Kirchenbau beschäftigt hat, und der Pfarrer im Ruhestand Herbert Neeser.
Die Kirche wurde im Jahr 1667 als Teil eines Kapuzinerklosters fertiggestellt. Nach dessen Aufhebung im Jahr 1828 erwarb die Stadt Ochsenfurt Kloster und Kirche. Das unscheinbare Äußere täuscht über die prächtige Ausstattung im Inneren, die seit dem Bau nahezu unverändert blieb. Als bedeutend gelten vor allem die Gemälde. Das Altarbild des Hauptaltars mit der Gottesmutter und dem Jesuskind, die dem heiligen Burkard erscheinen, stammt vom Niederländer Oswald Onghers. Die Darstellung des heiligen Antonius im Altar der Seitenkapelle schuf sein Landsmann Johann Baptist de Ruell.
Verborgene Aspekte und Details
In den Sommermonaten hält Pfarrer Herbert Neeser noch regelmäßig Gottesdienste in der Kirche. In der übrigen Zeit sind die Türen verschlossen. In dem Video zum digitalen Denkmaltag hat sich Herbert Neeser vor allem mit den Gemälden beschäftigt. Nahaufnahmen zeigen Details und Aspekte der Kunstwerke, die Betrachtern normalerweise verborgen bleiben, sagt Anton Gernert.
Besonders freut sich Gernert darüber, dass sich die Betreiber des Casablanca-Kinos in Ochsenfurt, Hannes Tietze und Gerd Dobner, bereit erklärt haben, die beiden Videos am "Tag des offenen Denkmals" bei freiem Eintritt auf der großen Leinwand im Kinosaal öffentlich zu zeigen. Zu den beiden Vorführungen um 15 Uhr und um 16 Uhr beantworten die Macher jeweils auch Fragen der Besucher und geben weitere Erläuterungen. Im Landkreis Würzburg sind es die einzigen öffentlichen Veranstaltungen an jenem denkwürdigen Denkmaltag.