In Würzburg herrscht Wohnungsnot unter den Studenten. In den legendären Denckler-Blöcken in der Zellerau scharen sie sich in Wohngemeinschaften (WGs); teilweise leben sie in nur acht Quadratmeter großen Zimmern. Um die Blöcke, deren Bau bereits in den Zwanziger Jahren des vergangen Jahrhunderts einsetzte, reihen sich Fahrräder. Beim Eintritt in die Hausgänge fühlt man sich in eine andere Zeit versetzt.
„Allgemein gilt der Denckler als alternativ, als eine große Kommune. Und auch als abgeranzt“, sagt eine 25-jährige Lehramtsstudentin, die hier in einer Dreier-WG lebt. Zudem kursiert in der Stadt das Gerücht, dass in dem Altbau fast ausschließlich Sonderpädagogik- und Philosophiestudenten hausen.
Dem widerspricht der erste Eindruck im Innenhof des unteren Blocks. „Ritsch-ratsch“ tönt es durch die Luft. Der 60-jährige Walter Gerner sägt Holz für seinen Kachelofen. Im unteren Block wird fast ausschließlich mit Holz geheizt. Gerner stört das nicht – seit 14 Jahren lebt er schon hier, bis vor Kurzem zusammen mit seiner Tochter; seitdem alleine. „Sie mochte es hier nicht“, erzählt er. „Hier ist es halt normal, wenn eine Frau orangene Haare oder ein Loch im Strumpf hat – in der Stadt nicht.“
Für ihn selbst ist es genau das, was den Denckler so lebenswert macht: „Jeder ist hier willkommen. Es gibt eine bestimmte Toleranz, die es in der Stadt nicht gibt. Deshalb würde ich da nicht bleiben.“ Bevor er hierher zog, hatte er den Block schon bei größeren Feten, die zumeist im Hof stattfinden, kennengelernt. Der Raum im Freien ist für Gerner heute ein „vergrößertes Wohnzimmer“: „Vor ein paar Tagen erst haben wir ein größeres Feuer gemacht.“ Und auch einen Lehmofen, in dem man Brot und Pizza backen kann, gibt es.
Im Innenhof des oberen Denckler-Blocks nehmen Spielgeräte für Kinder den größten Raum ein. In den Hauseingängen, die immer offen sind, stehen besonders viele Kinderwägen und -roller. „17 bis 18 Kinder sind wir ungefähr im oberen Block“, sagt Martina Häring, selbst Mutter zweier Kinder. Genauso wie ihr Partner Sebastian Schmidt lebt sie bereits seit über sieben Jahren in dem alten Block. Beide sind mindestens fünfmal von einer WG in die andere umgezogen. Dann lernten sie sich kennen und bekamen Kinder. Selbst das hielt sie nicht davon ab, dem Kult-Block die Treue zu halten.
„Hier ist der beste Platz der Welt um zu wohnen“, meint Häring. „Das alte Gebäude, die Architektur, die Geschichte – und die Leute sind ein Zugewinn an Lebensqualität. Hier hat man Freunde vor der Tür.“ Man komme mit anderen Menschen schneller in Kontakt als anderswo.
Auch für ihre drei Jahre und acht Monate alten Kinder sei das Leben hier ganz speziell. Besonders im Hof, den ein Schreiner aus dem Block, der selbst Vater zweier Kinder ist, für die Kleinen gestaltet hat, können sie sich austoben. „Da stehen auch jede Menge kleiner Traktoren und Bobby-Cars, die die Kinder sich schnappen können“, erzählt Schmidt. „Und sie dürfen hier alles. Es gibt keine alte Frau, die mit dem Besenstiel droht. Man toleriert sich.“
Die WG-Partys und Feten im Hof stören die Familie nicht sonderlich. Das Kinderzimmer liege vom Hof weg. Und Toleranz sei eben etwas gegenseitiges, meint Schmidt. So sei die „Lautstärke und der Aktionsradius“ der Kids ja ebenfalls enorm. Immerhin haben sie den Hof „okkupiert“ und wenn ihr Sohn mit dem Bobby-Car über den Holzdielenboden in der Wohnung fährt, höre das der Nachbar drunter auch.
Die Lehramtsstudentin, die hier seit eineinhalb Jahren in einer WG wohnt, schätzt am Lebensstil im Denckler-Block ebenfalls besonders, dass sich jeder ausleben kann und es „nicht so strenge Regeln“ gibt. Gerade ist in ihre WG ein etwa 50-jähriger Grafikdesigner eingezogen. Für zwei Monate nimmt er ein kleines Zimmer, das für den Zeitraum frei steht.
Schwierigkeiten, sich aneinander zu gewöhnen, gibt es in der WG keine: „Wir hängen eben nicht nur zusammen“, meint die Studentin. Mit guten Freunden zusammenzuleben, wäre für sie problematischer: „Da fallen einem dann Charakterzüge am Anderen auf, die man sonst nicht als störend empfunden hätte – zum Beispiel wenn der beste Freund nicht gerne putzt.“ Auch sie schätzt das Alte am Denckler-Bau, auch wenn die Wände und die alten Holzfenster nicht gut isoliert sind und es am Waschbecken kein warmes Wasser gibt. „Man muss den Denckler schon toll finden, sonst sucht man sich etwas Moderneres oder besser Isoliertes.“
Als Vinzenz Schulte vor Jahren durch den Bau geführt wurde und das Denckler-Kino gezeigt bekam – immer wieder veranstalten die Bewohner auf dem Dachboden Filmabende – wollte auch er hier wohnen. Mittlerweile lebt der Jura-Student drei Jahre im Block. Er betrachtet den gesamten Denckler-Bau als eine Haus-WG: „Wenn man hier jemanden trifft, trifft man keinen Nachbarn, sondern einen Mitbewohner.“
Das Gefühl möchte er auch mit Fremden teilen. Deshalb nimmt er sogenannte „Couch-Surfer“ bei sich auf. Über das Internet dürfen Menschen aus aller Welt mit ihm Kontakt aufnehmen und umsonst bei ihm übernachten. „Ich mag es einfach, wenn andere Leute da sind.“
Obwohl sich alle erwähnten Personen vorstellen könnten, hier für immer zu leben, glauben sie kaum, dass das möglich ist. „Der Bau ist dem Untergang geweiht“, sagt Martina Häring. Die Bausubstanz sei zu marode, um das Ganze noch zu retten. Die Lehramtsstudentin erzählt von einem ähnlich alten Haus, unweit vom Denckler-Bau: „Es wird abgerissen.“ Vinzenz Schulte möchte nicht so leicht aufgeben: „Dafür habe ich den Block zu arg lieb gewonnen.“ Mit fünf weiteren Bewohnern hat er den Dencklerschutz-Verein gegründet. Vor einem Jahr hat dieser die Denkmalbehörde kontaktiert, aus der Hoffnung heraus, das historische Haus noch zu retten.
Ich räume immer wieder mal Müll weg und es gibt auch ab und zu Putzaktionen der Bewohner.
Für manche ist attraktiv und lebenswert wohl ein feingeputzter Hof mit Golfrasen, der nur zum anschauen ist und nicht betreten werden darf. Aber es gibt auch noch andere Werte die viel wichtiger sind. Hier kann man jeden Tag Freunde treffen, quatschen, Grillen, am Lagefeuer sitzen usw. Das macht das Leben doch erst lebenswert: Die Gemeinschaft, Freunde und ein gutes Miteinander.
Das Vorurteil das hier Menschen leben die kein Geld haben und die Mieten billig sind ist auch zum größten Teil völliger Quatsch. Für den Zustand der Wohnungen und den Fakt das man für Reperaturen entweder bei der Hausverwaltung lange betteln muss oder selber in die Tasche greifen muss, sind die Mieten eindeutig zu hoch.
Leute die lieber abgeschottet in ihrer Wohnung leben, ohne wissen zu wollen wer der Nachbar ist, neben dem man seit 20 Jahren wohnt und die bei jedem Kindergeschrei dem Vermieter kontaktieren können das wahrscheinlich nicht verstehen warum die meisten das hier alles in Kauf nehmen, trotz maroder Bausubstanz, zu hoher und überhaupt nicht angemessene Mieten und "Verdrecktem" Innenhof.
Es ist einfach ein ganz anderes Lebensgefühl, ein Miteinander leben und davon profitieren. Wenn ich will kann ich Leute treffen, wenn nicht dann halt nicht. Ich weiß ich kann mir einen Stuhl schnappen und mit einem Buch in den Hof setzen ohne das gleich der Nachbar mit dem erhobenen Zeigefinger kommt.
Solche "Denckler-Touristen wie Groschi können getrost in ihren eigenen vier Wänden bleiben. Warum warst du oft da und bist oft durchgelaufen? Um dich aufzuregen? Weil es dich doch interessiert hat? Oder um dein Müll hinzuwerfen?
Däs Heinzle, Deutsche Bank und jetzt die Dema ... das war und ist nicht gut für den Baukomplex^^. Richtiges Interesse war nie da.
Attraktiv und lebenswert ist anders.
Etwas mehr Selbstdisziplin anstelle von "Ist doch egal" wäre schon gut.
Ich kann Ihren Eindruck nur bestätigen, ein Innenhof in Berlin-Kreuzberg ist dagegen wie Klein-Nizza.
In Anlehnung an ein Erwin-Pelzig-Zitat:
Wohnen im Denckler-Block
ist der Zustand,
wenn der Mensch
seine eigene Verwahrlosung
als Erholung empfindet.