Das Bundesprogramm „Demokratie leben! – Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ fördert Projekte, die sich für Toleranz, Vielfalt und Demokratie einsetzen. Auch in Würzburg stehen in diesem Jahr wieder Mittel für Akteure aus der Zivilgesellschaft bereit. Jenifer Gabel, Referentin vom Würzburger Bündnis für Zivilcourage, erzählt im Gespräch wer sich alles für eine Förderung bewerben kann und welches Projekt ihr in den letzten Jahren besonders im Gedächtnis geblieben ist.
Frage: Frau Gabel, was genau hat es mit dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“ auf sich?
Jenifer Gabel: „Demokratie leben!“ ist das Nachfolgeprogramm vom sogenannten lokalen Aktionsplan. In über 230 Städten Deutschlands haben sich in sogenannten „Partnerschaften für Demokratie“ Verantwortliche aus der kommunalen Politik und Verwaltung mit Aktiven aus der Zivilgesellschaft zusammengeschlossen, um Projekte zur Förderung von Vielfalt, Toleranz und Demokratieverständnis und gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit zu finanzieren. Würzburg ist die einzig teilnehmende Stadt in Unterfranken. Hier arbeiten das Sozialreferat und das Bündnis für Zivilcourage seit Jahren erfolgreich zusammen.
Die Idee ist, dass man lokal engagierte Menschen mit Kompetenz und Erfahrung ausstattet, dass sie so etwas auch wieder machen wollen. Nachhaltigkeit ist hier ein ganz großes Stichwort, denn es geht nicht darum, kleine Leuchtfeuer zu zünden. Wir wollen in unserer Stadt, die Bildung eines Netzwerkes von engagierten Menschen fördern, die sich für Demokratie einsetzen wollen.
Welche Personen können Förderanträge einreichen?
Gabel: Grundsätzlich jeder – von Privatpersonen über Vereine, bis hin zu Verbänden, Institutionen und Einrichtungen. Das können auch Strukturen sein, die sonst gar nicht politisch aktiv sind, ob Pfadfinder- oder auch Sportvereine. Demokratie ist nicht nur eine Bundestagswahl oder Regierungsbildung, Demokratie ist es auch in einer SMV zu entscheiden, wo es zur Klassenfahrt hingeht. Demokratie heißt nicht, dass die Mehrheit automatisch Recht hat, aber es gilt in einer Demokratie, Mehrheiten zu bilden und dabei Minderheiten nicht auszuschließen. Unsere Hauptzielgruppe besteht aber hauptsächlich aus Kindern und Jugendlichen, denn viele Grundlagen für Einstellungen und Haltungen werden einfach in der Kindheit und Jugend gelegt.
Welche Projekte wurden in den letzten Jahren gefördert?
Gabel: Das größte Projekt, welches wir im letzten Jahr gefördert haben, hieß „Bunte Wände“– ein Graffiti-Projekt zu den Themen Anti-Rassismus und Vielfalt, in Zusammenarbeit mit dem Schulreferat und fünf „Schulen ohne Rassismus – Schulen mit Courage“, das mit Street-Art-Künstlern in verschiedenen Workshops umgesetzt wurde. Wichtig ist, dass die Projekte immer in eine inhaltliche Arbeit eingebunden sein müssen, damit man den Jugendlichen eben auch die Themen Toleranz, Vielfalt und Demokratie vermittelt. Wir hatten beispielsweise noch ein Projekt mit „youngcaritas“ in der Fachoberschule im Frauenland: Mehrere Wochen lang gab es hier eine Ausstellung zum NSU-Komplex zu besichtigen, die mit einem informativen wie schockierenden Vortrag der Ausstellungsmacherin zu den Umständen der NSU-Morde eröffnet wurde.
Und viele weitere Projekte– da sind teilweise wirklich tolle Geschichten dabei.
Welches Projekt hat Ihnen persönlich besonders gefallen?
Gabel: Ich fand vor allem die Sinti-Veranstaltung der Jakob-Stoll-Realschule ganz spannend. Das Besondere war hier, dass von einer Großfamilie sowohl ein Junge, eben ein Schüler der Jakob-Stoll-Schule, aber auch eine Holocaust-Überlebende zu Besuch waren. Da begreift man einfach, was es heißt, seit vielen Generationen mit Menschenfeindlichkeit, Hass und Intoleranz konfrontiert zu sein. Noch gibt es Menschen, die erzählen können, wohin das Abwerten von Menschen anderer Religionen oder Kulturen führen kann. Der Holocaust ist möglich gewesen, weil Menschen, andere Menschen für ungleichwertig erklärt haben.
Wie kann man einen Antrag stellen?
Gabel: Das geht über ein Online-Formular, welches man auf unserer Website findet. Um dies auszufüllen, muss man sich vorher registriert haben. Auf Grund von Förderrichtlinien des Bundesprogramms, müssen wir einige Dinge abfragen, die etwas kompliziert sein können, aber hier ist es mir ganz wichtig zu sagen: Hierfür sind wir da! Das Team von der Koordinierungsstelle, bestehend aus Christine Blum-Köhler, Lucas Wejda, Markus Heim und mir, ist dazu da, zu beraten. Ich bin auch schon zu Leuten nach Hause gefahren und habe bei einer Tasse Kaffee den Antrag gemeinsam ausgefüllt. Wir wissen, dass das nicht ganz einfach ist und einige Infos verlangt werden. Aber wir sind dazu da, engagierte Menschen zu unterstützen und sind auch gerne Ideengeber.
Das heißt, die Förderung besteht nicht nur daraus Geld zu bezuschussen, sondern auch inhaltlich beizustehen?
Gabel: Genau, wir beraten auch gerne, wenn junge Menschen sagen, dass sie sich gerne engagieren möchten, aber leider noch keine konkrete Idee haben. Wir wissen, welche Formate es gibt – von einer Ausstellung, über eine Filmvorführung, bis zu Workshops – und kennen viele verschiedene Künstler und Referenten zu programmrelevanten Themen, die man sich mit unserer Hilfe in das Jugendzentrum oder in den Verein holen kann. Das alles ist kein Hexenwerk, unser Appell lautet: Es ist Zeit! Das Schlimmste, was uns passieren kann, ist, dass wir am Ende des Förderjahres ungenutztes Geld wieder zurücküberweisen müssen.
Bundesprogramm „Demokratie leben!“
Die Antragsphase für das erste Halbjahr 2018 ist bereits gestartet. Ab sofort können auf demokratie-leben-wuerzburg.de Anträge für Projekte, Aktionen oder Veranstaltungen zur Förderung von Demokratie, Toleranz und Vielfalt in Würzburg gestellt werden.
Die Antragstellung erfolgt ausschließlich online nach vorheriger Registrierung. Über förderfähige Anträge entscheidet der Begleitausschuss innerhalb von maximal 10 Tagen. Einsendeschluss ist der 15. Juni.
Bei Fragen: Tel. 0172 / 171 785 8 oder per Mail unter kontakt@demokratie-leben-wuerzburg.de