
Ist unsere Demokratie in Gefahr? Oder ist sie bereits im Eimer? Bei einem Kongress der Gemeinschaft katholischer Männer und Frauen (KMF) im Bund Neudeutschland (ND) wurden am Mittwoch in der Würzburger St.-Ursula-Schule diese Fragen in einer Debatte erläutert. Der Tenor: Es sind schwierige Zeiten für die repräsentative Demokratie.
Geringe Wahlbeteiligung, schwache Volksparteien, AfD, Pegida oder Wügida – die Liste ist lang und sie zeigt sowohl im Bund als auch vor Ort: Das Vertrauen in die etablierten Parteien und Politiker sinkt. Für den Politikwissenschaftler und Direktor des Instituts für Journalistenausbildung Passau, Heinrich Oberreuter, sei das vor allem ein Versagen der politischen Elite in der Auseinandersetzung mit dem Bürger – gerade bei kontroversen Themen wie Migration oder kultureller Identität: „Es braucht mehr Achtung vor der Pluralität, vor anderen Meinungen, auch wenn sie unappetitlich sind.“
Politiker durch Losentscheid?
Ludwig Hecke, Grünen-Politiker und Staatssekretär im Ministerium für Schule und Weiterbeildung NRW, sieht vor allem im Empfinden der Bürger eine Herausforderung. Viele Menschen würden sich abgehängt fühlen, gerade in Zeiten der Globalisierung. Doch wie gewinnen die Bürger wieder Vertrauen in die Demokratie?
Eva Welskopp-Deffaa, bis vor kurzem im Bundesvorstand der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi), plädierte für eine Weiterentwicklung der Demokratie. Neben dem Bundestag ist sie für eine zweite Kammer, in der per Losverfahren Bürger für eine bestimmte Zeit selbst Politik machen. Simon Strohmenger von „Mehr Demokratie e.V.“ warb für direkte Teilhabe durch Volksentscheide, auch im Bund.
Eine Politikkarriere durch das Los fand kaum Anklang. Oberreuter verwies auf den Bayerischen Senat, früher eine zweite Kammer der Berufsstände, die letztlich abgeschafft wurde. Auch Volksabstimmungen fanden nur wenig Zustimmung.
Moderator Klaus Prömpers, früher Leiter der ZDF-Studios in New York und Wien, verwies auf den „Brexit“, als vor der Abstimmung falsche Informationen kursierten. Noch weiter in seiner Warnung ging Oberreuter: „Der Brexit war ein Verrat an der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie“, da er nur aus parteipolitischem Kalkül zustande kam.
Problem der alternativen Fakten
Direktdemokratische Ergänzungen stießen aber auf offene Ohren. Oberreuter empfahl Bürgergutachten bei politischen Fragen oder Bürgerbeauftragte und Hecke sprach sich für Petitionen und Bürgerbefragungen aus, auch um Entscheidungen der Politik besser zu erklären.
Das größte Problem war in den Augen der Teilnehmer die Kommunikation zwischen Bürgern und Abgeordneten; gerade in sozialen Netzwerken. „Es geht nicht mehr um Diskurs, sondern um Meinungsführerschaft“, so Hecke. Alternative Fakten und die Sehnsucht nach einfachen Antworten auf komplexe Fragen waren hierbei für die Diskutanten die zentralen Herausforderungen.
Lösungen konnte die Runde auf diese Probleme nicht finden. Doch Oberreuter wurde noch einmal deutlich: „Es versagt nicht nur das System, es versagen auch die Bürger!“ Er warf einigen Mitbürgern vor, sich trotz Kritik nicht ernsthaft für Politik zu interessieren. Resigniert erklärte er, die letzten fünf Jahrzehnte der politischen Bildung seien für die Tonne und an den Schulen werde hierfür zu wenig getan. Zumindest ein möglicher Lösungsansatz.
Der Bund Neudeutschland versteht sich als Lebensgemeinschaft engagierter Christen. Er wurde 1919 als katholischer, demokratischer Schülerverband gegründet und lebt heute in der Katholischen Studierenden Jugend (KSJ) und der Gemeinschaft Katholischer Männer und Frauen (KMF).