Zinn kennt die jüngere Generation vielleicht noch aus dem Chemieunterricht in der Schule. Vielleicht steht aber auch noch irgendwo ein Becher oder ein Teller im Regal bei den Eltern oder Großeltern. Das einst geschätzte Metall hat in der heutigen Zeit seinen Glanz verloren. Mit der Sonderausstellung "Zinnesrausch", die der Besucher durch einen überdimensionalen Zinnteller betritt, zeigt das Fränkische Freilandmuseum Bad Windsheim nicht nur alte und neue Objekte aus Zinn, sondern auch ein Stück Wohnkultur.
Seit drei Jahren widmet sich Sabine Tiedke dem Forschungsprojekt. Und das "mit großer Hingabe", wie ihr die stellvertretende Bezirkstagspräsidentin Christa Naaß bescheinigte. Die wissenschaftliche Volontärin des Museums habe mit der Ausstellung ihr Meisterwerk abgelegt, lobte auch Museumsleiter Herbert May.
Stücke aus Privatsammlung ergänzen die Ausstellung
Die Ausstellung, in der sich die Besucher vom Zinn "berauschen" lassen können, zeigt überwiegend Objekte aus der eigenen volkskundlichen Sammlung des Museums. Ergänzt wird sie durch preziöse Stücke einer Münchner Privatsammlung.
Christa Naaß erzählte von ihrer Hochzeit 1978, bei der unter den Geschenken auch Zinnteller und Zinnbecher waren. Heute werde das "Silber des kleinen Mannes oder der kleinen Frau" kaum noch nachgefragt. Bad Windsheims Bürgermeister Bernhard Kisch erinnerte an einen Deutsch-Japanischen Schüleraustausch, bei dem man viele Zinnbecher als Gastgeschenke dabei gehabt hätte. Auch in Bad Windsheim hätte es früher Zinngießer gegeben, was Stücke im Reichsstadtmuseum belegten.
Die Zahl der ehemaligen Zinngießer in Franken ist auf einer Karte in der Ausstellung dokumentiert. Auch der Zinnexperte Dr. Otto A. Baumgärtel ging in seinem Einführungsvortrag zum historischen Zinn darauf ein. "Zinn hat etwas mit Erinnerung zu tun", meinte er, denn es gebe kaum noch Sammler, Museen hätten ihre Bestände ins Depot verbannt. Was man aber nicht gezeigt bekommt, kennt man nicht. Was man nicht kennt, schätzt man nicht, verdeutlichte Baumgärtel den Weg des Vergessens.
Blick zurück ins Mittelalter
Der Zinnexperte blickte zurück in die Zeit des Mittelalters, als Zinn wertvoll war und nur die Oberschicht Dinge aus Zinn, Messing oder Bronze besaß. Deswegen gab es Zinngießer in Städten. Zinnobjekte dienten dazu, "den Wohlstand sichtbar zuachen". Manche rührten Zinngefäße nur zum Putzen an.
Ab 1770 änderte sich die Wertschätzung, Zinn wurde auch niedrigeren Einkommensschichten zugänglich. Wertmäßig wechselten die Zeiten für dieses Metall. Das belegen auch Exponate der Ausstellung: Sie reicht von repräsentativen Zinngeschirr des 17. Jahrhunderts über aufwändige Trink- und Schenkgefäße der Zünfte, Leuchter, Kannen und Schalen für die Kirche bis hin zu Gegenständen des von der Bauhausbewegung beeinflussten Design-Zinns.
Dem Zinn-Boom, der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts den Markt erfasste, widmet die Ausstellung ebenfalls viel Raum. Dazu gehören auch dunkel Eichenregale, in denen die Objekte präsentiert wurden. Museumsleiter Herbert May nannte Darstellungen von Albrecht Dürer und Carl Spitzweg als Beispiel für gerne verwendete Motive.
Ist Zinn giftig?
Ausstellungskuratorin Sabine Tiedke ging auf einzelne Bereiche der Ausstellung ein. Demonstrativ nahm sie einen Schluck Wasser aus einem Zinnbecher und räumte mit dem Mythos auf, dass Zinn giftig sei. Dies rühre daher, dass früher auch einmal Blei mitverwendet worden sei. Dies wird in der Ausstellung gleich zu Beginn erläutert, ebenfalls die Herstellung der Gegenstände aus Zinn, die sich laut Tiedke über die Jahrhunderte kaum geändert habe.
Von der Forschung wurden die massenweise hergestellten Produkte bisher kaum beachtet, so dass die Ausstellung und der in wenigen Wochen erscheinende Ausstellungskatalog einen wichtigen Beitrag leisten und eine Forschungslücke schließen. Auch mit Fälschungen beschäftigt sich die Ausstellung und mit Zamak, einer Zinklegierung, die wie Zinn ausschaut.
Die Ausstellung ist bis zum 15. Dezember täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Ab dem 27. Oktober gelten verkürzte Öffnungszeiten. Weitere Informationen:www.freilandmuseum.de