
Es klingt ein bisschen nach verkehrter Welt: Was so mancher Hobbygärtner in mühseliger Hack- und Jät-Arbeit versucht, für immer aus seinem Garten zu verbannen, pflanzt Maria Gütling regelrecht an: Die Rede ist von Unkraut – oder korrekt ausgedrückt von Kräutern, die dadurch, dass sie von vielen Menschen als störend oder unerwünscht empfunden werden, den Titel „Un“kraut bekommen haben. Den Begriff „Unkraut“ allerdings versucht die Karlstadterin Maria Gütling zu vermeiden. Für sie gibt es nur Kräuter und ihre positiven Eigenschaften, sei es geschmacklich oder aufgrund ihrer Heilkraft. Zum offiziellen Ehrentag des Unkrauts öffnet die Kräuterführerin aus Karlstadt ihren Garten und zeigt in einer kleinen Auswahl, was in so manchem ihrer Zöglinge stecken kann (Auszüge siehe Bilderleiste unten).
Mit Wildkräutern und ihrer Wirkung beschäftigt sich Maria Gütling intensiv seit 2007. In diesem Jahr machte sie eine Ausbildung zur Phytotherapeutin. Später sattelte sie die Ausbildung zur Kräuterführerin beim Amt für Landwirtschaft drauf. Im 2008 gegründeten Verein Kräutervielfalt Franken war sie lange Zeit im Vorstand. Parallel dazu verwandelt sich bei ihr Zuhause der Garten in einen Kräutergarten, die Küche in eine Kräuterküche. „Ich habe angefangen, mir meine eigenen Kräuter anzupflanzen“, erzählt sie. Was sie wild nicht ausgraben und bei sich wieder einpflanzen darf, wie zum Beispiel die Schlüsselblume oder den Bärlauch, kauft sie in der Gärtnerei. In ihrer Küche verwertet sie das Angepflanzte und Geerntete dann weiter: Als Genussmittel in Form von Suppen, Salaten, Kräuterbutter, Kräuterquark, Grüner Soße, Kräuter-Smoothies oder Kräutersalzen, Sirupen, Würzölen, Likören oder Tees. Oder als Heilmittel in Form von Tinkturen, Ölauszügen, Umschlägen, Auflagen und Salben.
„In meiner ersten Euphorie habe ich alles gemacht“, erzählt Maria Gütling. Sie merkte aber schnell, dass das zu viel war. Heute macht sie nur, was in ihrem Haushalt wirklich gebraucht und verbraucht wird. Was sie selbst nicht im Garten hat, kauft sie in der Apotheke, auf einem Wildkräuterhof, in Gärtnereien oder im Kräuterladen in Würzburg. Oder sie sammelt direkt in der Natur. Dabei rät sie aber zur Vorsicht, denn einige Pflanzen sind leicht zu verwechseln und haben teils gefährliche Nebenwirkungen. „Besonders die Doldenblütler sind als Anfänger leicht zu verwechseln“, erklärt sie. So sind zum Beispiel die jungen Blätter des Wiesenbärenklau genießbar, im Gegensatz zum Riesenbärenklau, auch Herkulesstaude genannt, oder gar zum Schierling. „Am Anfang hatte ich immer ein Bestimmungsbuch dabei, um mich zu vergewissern, was ich pflücke“, sagt Maria Gütling. Zweimal hat sie auch am eigenen Leib erfahren, wie ihr Körper auf eine unverträgliche Pflanze reagiert. Das eine Mal hat sie einen Aronstab gekaut. Sofort bekam sie eine schwere, pelzige Zunge. Ein anderes Mal aß sie unwissend den Doldenblütler Hundspetersilie – und kämpfte drei Tage lang mit einer Magenverstimmung.
„Wer draußen in der Natur sammelt, sollte zudem darauf achten, dass die Wildpflanzen keiner Belastung ausgesetzt sind, also nicht an Straßenrändern, in der Nähe von Fabriken oder auf Hundewegen pflücken“, sagt die Kräuterführerin. Sie selbst bevorzugt die Kräuter aus dem Garten – auch wegen der kurzen Wege. Denn die Kräuterei ist zeitintensiv und bringt manchmal gewisse Zwänge mit sich. „Wenn zum Beispiel die Ringelblume blüht und es drei Tage lang trocken war, muss ich raus“, erklärt Maria Gütling. Dadurch, dass sie daheim im Büro arbeitet, kann sie sich diese „Pflückstunden“ einrichten. Damit das Trocknen der Pflanzen schneller geht, hat sie sich extra ein Trockengerät angeschafft. „Frisch ist allerdings immer am Besten“ sagt sie. Verwendet werden sollte immer der Teil der Pflanze, in dem die meiste Kraft steckt. Also im Frühjahr die Blätter, im Sommer die Blüten und im Winter die Wurzeln. Was dann in so einem „Unkraut“ stecken kann, zeigt ein Blick auf den Vitamin-C-Gehalt: So hat ein Gänseblümchen im Vergleich zu einem Endiviensalat das neunfache an Vitamin C. Die große Brennnessel übertrumpft den Vitamin-C-Träger Rosenkohl sogar mit der dreifachen Dosis.