Wer im Würzburger Alten Hafen in den Bauch des alten Frachters "Kunstschiff Arte Noah" hinabsteigt, wird verblüfft: Der Raum ist weg. Doch das ist nur scheinbar. Das Innere wurde lediglich abgehängt, mit 300 bis 400 Papierstreifen. Deren Funktion ist es aber offensichtlich nicht, die schwimmende Ausstellungshalle des Kunstvereins blickdicht abzuriegeln. Die Blätter hängen nämlich sämtlich in Längsrichtung, erlauben also ein Hindurchspähen und Hindurchgehen.

Neun oder zehn solcher halbtransparenter Querriegel - je nach Zählweise - hat die Künstlerin Corinna Krebber aufgehängt, dementsprechend viele Zwischenräume bildete sie in der Längsachse des Schiffs nacheinander. Man kann von einem zum anderen schreiten, die Papierbahnen lassen Durchgänge frei. Unvermeidbar, dass man dabei mit den Schultern die Streifen streift. Mehr Berührung sollte aber nicht sein. Das Kunstwerk ist nicht dazu gedacht, dass Besucher die Lamellen einfach beiseite schöben und eine neue Raumanordnung träfen, obwohl das leicht möglich wäre. das aber ist nicht erwünscht, denn es handelt sich bei den Lamellen um eine Rauminstallation.

Die Papierstreifen sind unterschiedlich

Der erste Block aus dünnem Papier besteht noch aus gleich geformten Zuschnitten. Schon beim zweiten ändert sich das, man bemerkt das vielleicht erst beim zweiten Hindurchgehen. Es beginnt die große Unregelmäßigkeit, das spitze Zulaufen fängt an, das Abflachen von Ecken, auch das Improvisieren beim Aufhängen. Das Ganze erinnert allmählich an ein Kirchenschiff.

Um hohe Bedeutung geht es Corinna Krebber tatsächlich. Im Einführungsgespräch mit dem Kunstvereinsvorsitzenden Christopher Knaus nennt sie die "Gedankenbewegungen" des Dichters Friedrich Hölderlin, des Philosophen Martin Heidegger oder des Komponisten John Cage als ihre Inspiration. Die Form ihrer Texte nimmt die Künstlerin beim Lesen so mit, dass sie sich sagt: "Man muss etwas tun!" So befasst sie sich seit fünf, sechs Jahren mit dem Nichts, um das jede der drei Geistesgrößen kreiste, und versucht, das Nichts zu gestalten.

Das Verschwinden von Gewissheiten

Aber sagt Krebber: "Es gibt nicht nur eine Form, das Nichts sichtbar zu machen. Sonst wäre es nicht das Nichts." Wobei es für Krebber durchaus ein "Ringen ist, etwas, das man nicht einmal denken kann, darzustellen". Das ist ihr in ihrer Würzburger Arbeit sehr gut gelungen. Der Galeriebesucher kann sich ganz auf den Titel einlassen: "Über das Verschwinden von Gewissheiten". Ideal für die Betrachtung der Rauminstallation ist Sonnenschein und ein Hotelschiff, das im Hafenbecken manövriert. Dann fallen Lichtstrahlen durch die Bullaugen auf die weißen Papiere, und die schwingen im leichten Wellengang. So nimmt die unerfüllbare Gestaltungsaufgabe die schönste sinnliche Form an.

Die Ausstellung im Kunstschiff Arte Noah ist bis 26. September jeweils donnerstags bis sonntags und feiertags 15 bis 18 Uhr, sonntags schon ab 12 Uhr zu sehen;  Eintritt frei.