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Würzburg
Das Nazi-Gefängnis, das niemand kannte
Skizze des Gestapo-Notgefängnisses in der Friesstraße, Würzburg, nach dem Krieg für die Ermittlungsbehörden angefertigt vom Verwaltungsleiter des Gefängnisses, Stefan Schäfer.  Foto: Staatsarchiv Würzburg
| Skizze des Gestapo-Notgefängnisses in der Friesstraße, Würzburg, nach dem Krieg für die Ermittlungsbehörden angefertigt vom Verwaltungsleiter des Gefängnisses, Stefan Schäfer. Foto: Staatsarchiv Würzburg
Karl-Georg Rötter
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:49 Uhr

Von 1942 bis 1945 unterhielt die Gestapo in der Friesstraße im Frauenland ein Notgefängnis, im Volksmund auch Straflager genannt. Dort waren im Lauf der Jahre Hunderte von ausländischen Gefangenen inhaftiert – unter unmenschlichen und grauenvollen Bedingungen. Um die 600 waren es, wie Alexander Kraus von der Geschichtswerkstatt inzwischen anhand von Gestapo-Akten recherchieren konnte. Das Notgefängnis befand sich auf dem Gelände der heutigen Franz-Oberthür-Schule und erstreckte sich bis zum heutigen Matthias-Grünewald-Gymnasium sowie der Goethe-Mittelschule.

Das Notgefängnis im Frauenland betrieb die Gestapo von 1942 bis 1945. In Würzburg blieb es weitgehend unbemerkt. Foto: Geschichtswerkstatt
| Das Notgefängnis im Frauenland betrieb die Gestapo von 1942 bis 1945. In Würzburg blieb es weitgehend unbemerkt. Foto: Geschichtswerkstatt

Die Existenz des Notgefängnisses wurde in Würzburg Jahrzehnte lang verdrängt, obwohl es benachbarte Anwohner bemerkt haben mussten. Es gibt zwar vereinzelte Beobachtungen von Würzburgern, aber es existieren keine Fotografien oder Filmaufnahmen von den Gefangenen, die auf öffentlichen Straßen täglich zu ihren Arbeitsstätten in der Füchsleinstraße und im Waldhaus im Steinbachtal laufen mussten.

Gefängnis erstmals 2004 dokumentiert

Durch eine Veröffentlichung im Mainfränkischen Jahrbuch für Kunst und Geschichte im Jahr 2004 wurde das Notgefängnis erstmals umfassend dokumentiert. Dort veröffentlichte Jörg Skriebeleit, der Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, den Aufsatz „Auch in Würzburg?! Zur Geschichte eines unbemerkten Außenlagers des KZ Flossenbürg“. Denn das Würzburger Notgefängnis gehörte organisatorisch zu diesem oberpfälzischen Konzentrationslager. Skriebeleit konnte damals nachweisen, dass im Jahr 1943 eine Gruppe von 58 KZ-Häftlingen für einige Monate im Würzburger Notgefängnis inhaftiert war, bevor sie in ein eigens eingerichtetes Lager in der Psychiatrischen Uniklinik in der Füchsleinstraße verlegt wurde. 2013 hielt Skriebeleit beim städtischen „Dialog Erinnerungskultur“ einen Vortrag zum Thema und zeigte dabei erstmals öffentlich eine Luftaufnahme, auf der das Notgefängnis auf dem Gelände der heutigen Franz-Oberthür-Schule lokalisiert werden konnte.

Ausstellung in der Franz-Oberthür-Schule

Nachdem Alexander Kraus mit der Idee, ein Denkmal zur Erinnerung an das Notgefängnis zu realisieren, im städtischen Kulturreferat vorstellig geworden war, entstand der Gedanke, dass Schüler der angrenzenden Schulen - neben den genannten ist dies noch die Goethe-Mittelschule - sich mit dem Notgefängnis und in diesem Zusammenhang auch mit dem Thema Denkmal beschäftigen sollten. Daraus entstand ein Schulprojekt mit unterschiedlichen Komponenten, dessen erste Ergebnisse in einer Ausstellung, die am 10. Juli in der Franz-Oberthür-Schule eröffnet wird, vorgestellt werden.

Schicksal einer Zwangsarbeiterin

In der Goethe-Mittelschule haben sich Schülerinnen und Schüler mit dem Schicksal der polnischen Zwangsarbeiterin Zofia Malczyk beschäftigt, die im Notgefängnis inhaftiert war. Sie konnte beim Bombenangriff des 16. März 1945 aus dem zerstörten Gefängnis fliehen. Vier Tage später wurde die schwangere 18-Jährige in Schweinfurt von Nazi-Polizisten erschossen.

Dies berührte die Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse so sehr, dass sie sich näher damit befassten. Als Grundlage diente ihnen die Gestapo-Akte Malczyks, eine von mehreren hundert, die Alexander Kraus in jüngster Zeit bearbeitet hat. Kraus traf sich mehrmals mit den Schülern und erklärte ihnen die Zeitumstände im Allgemeinen und das Schicksal der jungen Polin im Speziellen.

Ein fiktives Tagebuch

Sechs Schüler befassten sich mit der Thematik und entwickelten die Idee, ein fiktives Tagebuch der polnischen Zwangsarbeiterin zu verfassen. Beginnend mit dem 29. September 1939 beschreibt der Schüler Julian Dürr zunächst den Transport der jungen Frau aus ihrer polnischen Heimat nach Unterfranken. 1943 beschließt sie, von einem Bauernhof in Margetshöchheim, wo sie eingesetzt war und unter der harten Arbeit litt, zu fliehen. Einen Tag später kommt sie nach Würzburg, wo sie sich ständig vor der Polizei verstecken muss. Im Januar 1944 gelangt sie nach Schweinfurt, wo sie von der Polizei verhaftet und verhört wird. Am nächsten Tag wird sie erschossen. Ergänzt wird die 50-seitige Broschüre durch eine Projekt-Skizze, die Gestapo-Akte über Zofia Malczyk, zwei Landkarten sowie zwei von den Schülern gestaltete Denkmal-Entwürfe.

Audio-Guide am Grünewald-Gymnasium

Wie in der Goetheschule wurden auch die Schülerinnen und Schüler im Matthias-Grünewald-Gymnasium nicht nur von Alexander Kraus, sondern auch von dem Aschaffenburger Bildhauer Markus Schmitt fachlich beraten. Dabei ging es vor allem darum, sie an die gestalterischen Herausforderungen heranzuführen, die man bei einem Denkmal berücksichtigen müsste. Im Rahmen eines P-Seminars, einer dreisemestrigen Veranstaltung mit Praxisbezug, sind mehrere Projekte entstanden. Eines ist die Entwicklung eines Audioguides zur Erinnerungskultur. Dabei wird auch das Notgefängnis thematisiert. Mit ihrer Kunstlehrerin Annette Hock entwickelten die Schüler mehrere Denkmalentwürfe, die im Juli ausgestellt werden.

Eine andere Gruppe des Seminars hat sich mit der Musik des in Würzburg geborenen jüdischen Komponisten Norbert Glanzberg beschäftigt, der vor den Nazis ins Exil fliehen musste. Die Schüler haben Glanzberg-Werke neu arrangiert, zu eigenen Songs gemacht oder daraus Samples und Soundcollagen hergestellt.

Menschenversuche in Würzburg

Ein weiteres Team hat sich mit dem Schicksal der Würzburger Sintezza Rita Prigmore beschäftigt. Sie wurde selbst von Würzburger Nazi-Ärzten missbraucht und diente als „Forschungsmaterial“ für Menschenversuche. Ihre Zwillingsschwester überstand die Versuche nicht. Rita Prigmore erzählte in der Schule von den grausamen Ereignissen und die Schüler haben ein Interview mit ihr für den Audioguide geführt. Unterstützt wurden sie für dieses „akustische Geschichtsbuch“ von Jochen Wobser vom Bayerischen Rundfunk.

Alle diese Ergebnisse werden nun am 10. Juli in einer Ausstellung in der Franz-Oberthür-Schule vorgestellt. Diese Ausstellung wird dann ab 12. Juli im Grünewald-Gymnasium gezeigt.

 
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