Drei Dutzend interessierte Röttinger Bürger hatten sich eingefunden, um sich aus erster Hand über die zahlreichen Röttinger Baustellen zu informieren.
Das Taubertalstädtchen mit seinen rund 1500 Einwohnern bietet zurzeit viele Bauaktivitäten, die vor allem die Altstadt zu einem zukunftsfähigen Lebensraum weiter wachsen lassen sollen. Damit sich die Bürger ein Bild über den derzeitigen Baustand machen können, hatte die Stadt zu einem Sparziergang über die Baustellen eingeladen, bei dem neben Bürgermeister Martin Umscheid auch die Architekten, Statiker und von privaten Objekten auch die Eigentümer für Informationen zur Verfügung standen. 2008 zählte man von 108 Wohngebäude 43 als Leerstand, aktuell sind es noch 26, dazu zählen auch sechs Hausabbrüche. Zu den acht Großbaustellen zählen drei Kommunale und fünf Private.
In die Altstadt zurück
Martin Umscheid berichtete, dass viele Menschen bewusst wieder in die Altstadt zurückkehren. Um den Leerstand aber weiter zu senken, ist es nach Meinung des Rathauschefs noch ein langer Weg. Über den erfolgreichen Röttinger Weg plant der Bayerische Rundfunk auch für den 5. November einen Bericht auszustrahlen.
Baustelle Nummer eins des Rundgangs war gleich das Gebäude Taubergasse 1 neben dem Rathaus. Das ehemalige „Schnurrerhaus“ wird seit Ende August saniert. Da das Gebäude komplett auf Grundstücksgrenzen steht, wurde ein kleines Nachbarhaus abgerissen, um Grünfläche und mehr Gestaltungsmöglichkeiten wie für Fester zu schaffen. Wie Architekt Reiner Roßbach informiert, entstehen drei Wohnungen zu je rund 75 Quadratmeter. Die ursprünglichen Gesamtbaukosten von 830 000 Euro erhöhen sich durch einzelne Gewerke wie Keller.
Hoffnung auf Einsparungen
Der Planer hofft jedoch, dass diese durch andere Ausschreibungen wieder eingespart werden können. Wie Martin Umscheid ergänzt, ist die Sanierung wegen der hohen staatlichen Zuschüsse konkurrenzlos. Die Förderung erfolgt durch das Bund-Länder Städtebauförderprogramm „Soziale Stadt“, „Leerstand nutzen-Lebensraum schaffen“ für einkommensschwache Bürger. Der Mietpreis beläuft sich auf 4,50 Euro pro Quadratmeter. Zum Vergleich: Der Hartz-IV-Satz beträgt hierzu 5,18 Euro pro Quadratmeter. Als Fertigstellungstermin rechnet Architekt Rossbach mit August/September 2018.
Das nur weniger Meter entfernte „Schwarzmannhaus“ aus dem Jahre 1584 wird mit seinen rund 1,7 Millionen Baukosten unter dem gleichen Förderprogramm (bis zu 90 Prozent) bezuschusst. Architekt Christoph Lamprecht, der die Planung vom ehemaligen Städtebauplaner Dag Schröder übernommen hat, berichtet, dass in dem Gebäude drei Wohnungen mit einer Fläche um die 135 Quadratmeter zur Vermietung zur Verfügung stehen. Auch hier wird der Keller aufgefüllt. Statiker Bernd Hussenöder wundert sich hier vor allem über die „vorhandene“ Statik. Neben den beiden aus der Jahrhundertwende sind weitere wichtigen Stützen nicht auffindbar. „Nicht nachvollziehbar, alte Häuser sind einfach spannende Baustellen“, so der Ingenieur weiter.
Da das freigelegte Fachwerk nicht geordnet ist, werde es auch nicht freigelegt bleiben. Bei den beiden Besichtigungen zeigten sich die Besucher sehr beeindruckt, wie zum Beispiel die geöffneten Decken aussehen oder die Treppen angelegt sind.
In der Öffentlichkeit
Das am meisten in der Öffentlichkeit stehende Projekt ist der Wiederaufbau des Ostflügels der Burg Brattenstein. Hierzu erklärte Statiker Hussenöder, dass die jährlich anfallende Überprüfung der Sicherheit der auf Schotterwerk und mit Holz aufgebauten Bühne eine schwere Belastung war. Sehr zuversichtlich zeigten sich die Verantwortlichen mit der Fertigstellung zum Festspielbeginn am 20. Mai 2018. Dank der sehr zügigen Arbeit der bauausführenden Firmen mit der Werner Kraft GmbH aus Würzburg an der Spitze wird es diesbezüglich kein Problem geben.
Punktlandung
Auch bei der Kostenfrage rechnen Umscheid und Lamprecht mit einer Punktlandung, auch wenn eine unerwartete Stützmauer im Bereich des angekauften „Speidelkeller“ für eine offene Terrasse im Eingangsbereich errichtet werden muss. Laut Umscheid soll für 2018 eine mobile Tribüne angeschafft werden. Die Kosten beziffert er auf rund 240 000 Euro, werden jedoch mit 200 000 Euro vom Freistaat Bayern bezuschusst. Eine Überdachung werde es wegen dem tollen Ambiente auch künftig nicht geben.
Zu Ehren der vier Verunglückten beim Burgeinsturz am 5. November 1971 wird eine Gedenktafel an die Unfallopfer erinnern.
Auch der Igersheimer Steffen Kaminski öffnete seine Türen in der Hauptstraße und erläuterte die durch öffentliche Gelder geförderte Sanierung seines kürzlich gekauften Wohnhauses aus dem Jahre 1850. Diese Privatmaßnahme wird mit rund 25 Prozent der Gesamtkosten bezuschusst. Auch der gegenüberliegend Bauherr Andreas Rippberger öffnete seine Pforten für das ehemalige Julius-Echter-Stift. Er hat kürzlich mit dem Umbau des Stifts zu einem Wohnhaus mit fünf Wohneinheiten sowie eines Nebengebäudes zu zwei Appartements und eines Holzschuppens begonnen.
Nach seinen Worten hat sich der Baubeginn wegen „inakzeptablen Angeboten“ um rund neun Monate verzögert. Er versprach, dass keine Gebäude abgerissen werden und einige Räumlichkeiten wie auch die Kirche künftig für öffentliche Veranstaltungen zur Verfügung stehen. Als Ziel für die Fertigstellung seines ambitionierten Vorhabens gab er sich das zweite Quartal 2019. Anschließend wolle er die angrenzende ehemalige Stadtmühle noch zu einem Atelier für seine Ehefrau umbauen, um auch dem Versprechen, Röttingen zu einer Perle zu machen, nachzukommen.
Noch keine Baustelle
Zu einer Baustelle, die noch keine ist, der „Schneidmühle“, erklärte Martin Umscheid, dass das Anwesen auf die Stadt Röttingen zurückfällt, falls bis Juli 2018 mit der Baumaßnahme durch den italienischen Investor nicht begonnen wurde. Nach dem knapp dreistündigen „Spaziergang“ zeigten sich die Teilnehmer beeindruckt und meinten: „Das muss man mal gesehen haben.