Die Älteren können sich bestimmt noch gut an das große Staunen erinnern, wenn in der Vergangenheit ein Zeppelin über Würzburg flog. Viele glaubten damals, dass den überdimensionalen fliegenden Riesenzigarren die Zukunft der Luftfahrt gehören könnte. Doch es kam anders und die bis zu 200 Meter langen Luftschiffe hatten bald wieder ausgedient. Daran und an die Flieger-Vergangenheit am Galgenberg in Würzburg erinnert ein Kunstwerk des Würzburger Grafikers und Künstlers Michael Ehlers, mit dem er den Kunstwettbewerb für die Bayerische Landesgartenschau am Hubland gewonnen hat, die am 12. April eröffnet wird.
„Landeplatz“ beim Rottendorfer Tor
„Das letzte Luftschiff“, so der Name von Ehlers' Installation, wird in der Nähe des Rottendorfer Tors stehen, wo gerade die Vorarbeiten für die Aufstellung laufen. Durch den Frost der letzten Tage wird allerdings der Zeitplan etwas durcheinander gewirbelt, so dass der geplante Montagebeginn der 21 Meter langen und über sieben Meter hohen Stahlkonstruktion, der für den 5. März vorgesehen war, verschoben werden musste. Denn die Betonfundamente konnten wegen der herrschenden Minustemperaturen nicht zum geplanten Termin fertiggestellt werden können.
Aber der Reihe nach: Als Michael Ehlers im vergangenen Jahr die Ausschreibungskriterien des LGS-Kunstwettbewerbs las, sei ihm die Idee für seine Arbeit gekommen. Seine Nähe zur Fliegerei ist familiär bedingt: „Ich bin auf einem Flugplatz groß geworden, denn mein Vater war Pilot und Segelfluglehrer“, erzählt Ehlers. Und weil ihn die thematischen Anregungen für den Wettbewerb – Verhältnis von Mensch und Natur im urbanen Raum, Wissenschaft und Gesellschaft, Geschichte und Zukunft des neuen Stadtteils und Kunst in Verbindung mit Pflanzen – sehr interessierten, machte er sich sogleich an die Arbeit.
Erstes Modell aus Strohhalmen
Da er bereits vorher Modelle und Installationen angefertigt hatte, die mit konstruktiver Geometrie zu tun hatten, erschien ihm die Luftschiffform mit ihrer fünfseitigen Symmetrie die geeignete für seinen Entwurf zu sein. Dieses und der neue Stadtteil mit seiner Luftfahrt-Historie seien „wie son selbst zusammengeflossen“, sagt Ehlers. Aus Strohhalmen und Schnüren hat er dann ein erstes Modell gebaut und ist damit zur „Drachenwies“ gefahren um die Wirkung in der Landschaft zu testen. Dabei entstanden erste Fotografien, die er für spätere Visualisierungen verwendete. „Der Rest war dann Fotoshop“, so Ehlers.
Die Bilder waren das eine, für seine Bewerbung im Wettbewerb formulierte Ehlers auch einen gedanklichen Unterbau für seine Arbeit. Denn der Stahlskulptur, die während der sechsmonatigen LGS von Hopfenpflanzen eingewachsen werden soll, liegt der Gedanke zugrunde, dass jede technische Innovation oder Utopie früher oder später wieder von der Natur zurückgeholt wird. Eine dieser Utopien sei das Reisen mit dem Zeppelin gewesen, sagt Ehlers, aber auch diese Idee habe ein Verfallsdatum gehabt. Und wo alte Utopien nicht mehr taugen, müssten neue Modelle und Vorstellungen von Zukunft entwickelt werden. Diesen Prozess soll die Installation sichtbar und nachvollziehbar machen.
Impuls für Diskussionen
Unter diesem Aspekt soll die Luftschiff-Skulptur auch einen Impuls für öffentliche Diskussionen über neue Utopien liefern. Hierfür ist das Stahl-Luftschiff auch mit einem medialen Part ausgestattet. Ein Durchgang unter dem Luftschiff öffnet für den Betrachter den Blick in die während der Dauer der LGS zuwachsende Tragstruktur, die mit ihrer Geometrie Bezüge zu den in der Natur vorkommenden fünfseitigen Geometrien herstellt wie beispielsweise bei Blüten oder Kristallen, erklärt Ehlers. Außerdem dokumentieren innen und außen angebrachte Webcams den Wachstums- und Veränderungsprozess.
Damit auch möglichst viele Besucher eigene Fotos ins weltweite Netz senden können, wird ein High Speed WLAN HotSpot eingerichtet. Außerdem werden im Durchgang des Luftschiffs Infostelen mit QR-Codes aufgebaut, über die sich Besucher Informationen über die zugrunde liegenden Intentionen herunterladen können.
So soll letztlich eine „Utopien-Werkstatt“ entstehen, in der sich im besten Falle Menschen aus aller Welt austauschen können. Denn Kunst im öffentlichen Raum funktioniert nach Ehlers' Auffassung heute anders als in der Vergangenheit. Sie sei nicht mehr nur ein Kunstwerk im Freien, sondern „der öffentliche Raum ist das Netz“. Und dazu gehört eben auch der Austausch in Netzwerken und Plattformen.
Keine Chancen ausgerechnet
Von vornherein hat Ehlers seine Installation in der jetzt realisierten Größenordnung geplant, berichtet er. Das habe zum einen mit der „majestätischen Strahlkraft“ des Fliegens mit dem Luftschiff zu tun, aber auch mit dem riesengroßen Gelände, wo die Installation gut sichtbar sein soll. „Wenn man ein Zeichen setzen will, muss man auch mutig sein“, meint Ehlers dazu. Wegen der Dimension seines Kunstwerkes, habe er sich allerdings auch „keine großen Chancen“ bei dem Kunstwettbewerb ausgerechnet. Doch am Ende gab es ein einstimmiges Votum in der Jury für den Luftschiff-Entwurf.
Skulptur bleibt nach der LGS
Hatte Ehlers zunächst die Vorstellung, seine Arbeit wäre eine temporäre Installation, die nach der Gartenschau wieder abgebaut wird, reifte nach und nach die Vorstellung, dass sie auch danach stehen bleiben könnte. Das ist jetzt auch vorgesehen.
Für die praktische Umsetzung seines Entwurfs wandte sich Ehlers an die Würzburger Firma Metallbau Metz. Dort wurden die 3500 Bauteile hergestellt, aus denen in den nächsten Wochen das 5,5 Tonnen schwere Luftschiff von freiwilligen Helfern und Mitarbeitern des technischen Hilfswerks zusammengebaut wird.