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Würzburg
Das Leben ist doch schön
Joachim Fildhaut
 |  aktualisiert: 03.10.2022 02:33 Uhr

Ein auffälliges Phänomen im Theaterleben ist das Premierenlachen. Reichlich davon bekam "Sophia, der Tod und ich" im Theater am Neunerplatz. Die Dramenform des Romans von Thees Uhlmann bringt Pointen in dichter Reihenfolge. Nur: Muss man bei jeder originellen Formulierung dermaßen rausplatzen? Geht es nicht etwas natürlicher, nicht gar so aufgesetzt, gleich im Ansatz eine Spur zu gewollt?

Gewöhnlich sitzen die Premierenlacher, Freunde und Kollegen der Schauspieler, geballt an einer oder zwei Stellen im Zuschauerraum. Diesmal hatten sie sich im ganzen Saal verteilt. Das ist ein seltenes Theatererlebnis, vor allem für die Drei oben auf der Bühne. Christine Strobel (Sophia), Sophia Memmel (Tod) und Miro Nieselt (Altenpfleger) konnten an diesem donnernden Abend viel Energie aus der heiteren Publikumsbewegung ziehen. Was die bange Frage aufwirft: Wie werden sie das ohne ein solches Feedback schaffen?

Einen Vorteil könnte die Routine der nächsten Aufführungen bringen: Sophia Memmel wird vermutlich weniger lächeln. Ihre Mimik bei der Premiere machte die schwierige Figur Tod schlecht greifbar. Mag so gewollt sein, doch wenn die brüllenden Humorbekundungen aus den Sitzreihen ausbleiben, bekommt ihre Figur vielleicht etwas klarere Züge.

Jedenfalls, dieser Tod erscheint einem schlappen, eigentlich eh schon abseits des Lebens stehenden 32-Jährigen, erklärt, in drei Minuten hätten sie zusammen den Abgang zu machen – doch da klopft es an der Tür. Die Ex-Freundin des Kandidaten unterbricht die Prozedur und zieht beide in den Alltag zurück. Ihr Pragmatismus bringt noch mal einen anderen Kontrast zur metaphysischen Stimme des Tods ins Spiel und zapft eine neue Komik-Quelle an.

Unser Altenpfleger bekommt Aufschub auf unbestimmte, aber sicher nur kurze Zeit. Anschließend verheddert man sich im schwer durchschaubaren Vorschriftenwesen, unter dem auch der Tod leidet, vor allem: Der unvorgesehene Fall lässt andere Todesboten Karrierechancen ahnen. Diese Kollegen wollen unserem Tod sein Amt abluchsen. Im Roman kulminiert das in einem Fantasy-Showdown von Harry-Potter-Dimension. Auf der Bühne tritt Sophia Memmel neben ihre Rolle und fasst erzählend zusammen. Zu diesem Theaterwerkzeug greift man im zweiten Teil öfter. Außerdem ist nach der Pause eine wichtige vierte Rolle nicht besetzt. Regisseur Manfred Plagens wusste sich mit zwei Tricks zu helfen, mit dem Effekt, dass die zweite Hälfte des Abends Offene Form bekommt. Damit wird endlich klar, warum Strobel und Memmel in den ersten Teil drei Schlager sangen. Die unterbrachen das Geschehen, um ein Gegengewicht zu den Notlösungen von Teil zwei zu bilden.

Unterm Strich arg viel Flickwerk. Aber die Message des Stücks ist dann wieder klar: Das Leben ist irgendwie doch schön, auch wenn man, wie unser Altenpfleger, zu wenig damit anfangen kann.

 
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  • A. G.
    Das ist nicht das erste Mal, dass Herr Fildhaut das Publikum angeht. Hat nichts in einer (objektiven) Theaterkritik verloren. Wirkt einfach nur garstig und missgünstig. Ebenezer Scrooge lässt grüßen.

    Ich saß selber in der Premiere, ich hab auch zu den vielen Menschen gehört, die hörbar Spaß bei dem Stück hatten. Was genau ist daran verwerflich? Und wer genau ist Herr Fildhaut, dass er entscheidet, wie sich der personifizierte Tod zu verhalten hat? Gerade diese lebenslustige (und doch an manchen Stellen auch sehr ernsthafte) Darstellung einer Sensenfrau war so herrlich erfrischend und bunt in dem aktuell sehr ernsten und grauen Alltag, den wir derzeit alle erleben müssen.

    Die Inszenierung hatte vereinzelt Schwächen aufzuweisen, das mag sein. Dennoch hat sie fast dem gesamten Publikum einen äußerst vergnügten Abend beschert - allen bis auf einen..
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  • M. S.
    Sich in einer Premiere darüber zu beklagen, dass „Freunde und Familie“ anwesend sind, ist schon sonderbar. Man kann als Kritiker ja auch eine andere Vorstellung besuchen. Wie das Stück dann anderen Zuschauern gefällt, bleibt abzuwarten und lässt sich keineswegs antizipieren.
    Aber leider erlebe ich das bei Kritiken hier sehr oft: Es wird sich mehr mit dem anwesenden Publikum beschäftigt als mit dem Stück an sich.
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