Zehn Uhr. Universitätsbibliothek Würzburg am Hubland. Nervös tritt Bibliothekarin Kerstin Dößel von einem Bein aufs andere. In wenigen Minuten wird sie der irischen Staatspräsidentin die Bedeutung der Paulusbriefe offenbaren. Das Bayerische Fernsehen baut seine Kamera auf, auch Sat 1 steht schon mit dem Mikrofon bereit.
Stimmengewirr im Treppenhaus. Mit zehn Minuten Verspätung trifft Mary McAleese ein. Die 56-Jährige ist dezent geschminkt, ihren Hals schmückt ein schwarzer Schal, auch ihr Mantel ist in vornehmen Schwarz gehalten. Im Schlepptau hat sie eine Delegation von 30 bis 40 Leuten, bestehend aus Politikern, Diplomaten, Militärs, Journalisten und Sicherheitspersonal. Mit dabei auch Ehemann Martin. Begleitet werden sie von Würzburgs Oberbürgermeisterin Pia Beckmann und Bayerns stellvertretender Ministerpräsidentin und Sozialministerin Christa Stewens.
Gespannt lauscht die First Lady in der Bibliothek den Worten von Hans-Günter Schmidt, Leiter der Abteilung Handschriften und Alte Drucke. Er erklärt der Irin die kulturellen Beziehungen ihres Landes und Mainfranken. „So ist der Heilige Kilian im 7. Jahrhundert mit seinen Begleitern Kolonat und Totnan nach Würzburg gekommen, um den christlichen Glauben zu verkünden, zu taufen und zu firmen.“ Im Bistum werden die drei Missionare verehrt, weil sie 689 den Märtyrertod erlitten haben.
Irische Schätze in Würzburg
Aufgebahrt auf drei mit blauem Samt überzogenen Säulen sind Zeugnisse dieser Zeit. Sie gehören zu den höchsten Schätzen der Universitätsbibliothek und verlassen ihren Tresor nur zu ganz besonderen Anlässen: Die Paulusbriefe, das Kiliansevangeliar und das Matthäusevangelium. „Es sind Testimonials irischer Kultur“, sagt Uni-Präsident Axel Haase stolz.
McAleese bewundert die irischen Schätze, insbesondere das wertvolle Kiliansevangeliar, dessen Einband mit Bergkristallen, Amethysten und einem grünen Achat besetzt ist. Der Legende nach ist es im Grab des Heiligen Kilian gefunden worden. Die Paulusbriefe hingegen, die Zeugnis alt-irischer Schrift sind, wurden zum ersten Mal seit 50 Jahren aus dem Tresor geholt, erklärt Bibliothekarin Dößel. „Sie sind sehr lichtempfindlich. Das ist heute auch für mich ein besonderer Moment.“
10.30 Uhr. Aufbruchsstimmung. Hektisch geht die Besichtigungstour weiter in Richtung Innenstadt. An jeder Straßenecke stehen Polizisten, 20 Sicherheitsbeamte von BKA und LKA kümmern sich außerdem um das Wohl der Präsidentin. Vor der Kiliansgruft in Neumünster empfangen Dutzende von Schülern des Matthias-Grünewald-Gymnasiums die Präsidentin mit irischen Fahnen. Mitten auf den Bahngleisen. Der Straßenbahnverkehr steht für einige Zeit still. Auch Erika, Annabel, David und Max sind dabei: „Welcome Mrs. President“, rufen sie. Und Annabel erzählt: „Es ist toll, dass wir sie live sehen können, vor allem weil wir in drei Wochen für einen Schüleraustausch nach Irland reisen.“ Nach Bray – Würzburgs Partnerstadt.
McAleese ist gerührt, richtet einige Worte an die Jugendlichen, bevor sie in der Kiliansgruft verschwindet. Dort ruhen, laut Domkapitular Jürgen Lenssen, die Reliquien der Heiligen im Kiliansschrein, die Häupter sind in einem Bergkristallschrein im Altar des Domes aufbewahrt. „Ohne den Heiligen Kilian und seine Gefährten wäre Franken nicht das, was es ist. Kilian ist Teil unseres Lebens“, so Lenssen.
Brücken schlagen
11 Uhr. Orgelklänge des Kilianliedes empfangen die Staatspräsidentin im Würzburger Dom. Bischof Friedhelm Hofmann spricht ein Gebet und ruft auf, „Brücken zwischen allen Ländern zu schlagen“. Dann der große Moment: McAleese trägt sich in der Schönbornkapelle in das Goldene Buch der Stadt ein: „Zuhause in Franken – unter Irlands Freunden und Glaubensfamilie danke ich Sankt Kilian und allen, die ihn seither verehrt haben“, schreibt sie.
Sie ist das erste Mal in Würzburg, fühle sich mit der Stadt jedoch tief verbunden. „Würzburg ist ein kleines Stück Irland. Ich danke, dass diese Stadt unserer Geschichte so viel Respekt entgegen gebracht hat und sie bewahrt hat“, sagt sie bestimmt in ihrem weichen irischen Akzent. Es sei wichtig, dass die Bande zwischen Irland und Franken über Generationen erhalten blieben an diesem „place of great elegance“ (Ort von großer Eleganz).
11.25 Uhr. Vor der Statue des Heiligen Kilian auf der Alten Mainbrücke ist Endstation des kurzen Aufenthaltes in der Domstadt. Die für den Besuch eingeplante Zeit ist weit überschritten, der nächste Termin in Wiesbaden mit Ministerpräsident Roland Koch nicht mehr lange hin. Noch ein paar Fragern beantwortet sie den Journalisten. Wie sie Würzburg findet? Sie werde auf jeden Fall wiederkommen, aber diesmal als Touristin mit ihrer Familie. Und wie schmeckt der Frankenwein? Den habe sie sehr genossen, doch – sie beweist sich als echte Irin: „Nichts geht über Guiness.“
In ihren Limousinen rauschen Präsidentin und Delegation ab zum Schenkenturm – von dort aus geht es mit dem Helikopter nach Hessen. Im Gepäck auch die Kiliansstatue – ein Geschenk von OB Beckmann – und natürlich eine Flasche Frankenwein.