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MAINFRANKEN
Das große Wintergrillen
Wintergrillen: Vorbei sind die Zeiten, als der Grill im Herbst in die Garage gerollt und bis zum Sommer eingemottet wurde. Für immer mehr Grillfans ist das ganze Jahr über Saison. Auch zur Weihnachtszeit. Wie wär's mit einem dreigängigen Menü?
Ein Menü vom Grill: Profigriller Frank Huhnke (Mitte) zeigt Alexander und Daniela Ehrmann, wie man richtig grillt.
Foto: Patty Varasano, Claudia Kneifel | Ein Menü vom Grill: Profigriller Frank Huhnke (Mitte) zeigt Alexander und Daniela Ehrmann, wie man richtig grillt.
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:48 Uhr

Ein Hauch von Kohleduft liegt in der Luft. Frank Huhnke steht im Hof seiner Grillschule im Würzburger Industriegebiet und tut das, was er am liebsten tut – er grillt. Unter hübschen Pavillons stehen Kugelgrills neben Elektrobruzzlern, Schwenkgrills neben Gas-Grills. Immer mehr Leute wollen es einfach nicht wahrhaben, dass die Saison erst wieder im März 2016 losgeht. Sie sind süchtig nach dem Geruch von Holzkohle. Wintergrillen ist angesagt. Infrarotstrahler, Feuerkörbe und Windlichter sorgen auch bei Schnee und Schmuddelwetter für Atmosphäre. Zur Begrüßung gibt es keinen Sekt, sondern gleich etwas Gegrilltes auf die Hand: Jagdwurstkörbchen mit Wachtelei und Halbmondtoasts.

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Seit drei Jahren bietet Huhnke, der 2010 den Titel „Deutscher Profigrillmeister“ holte, Grillseminare an. Im Schulungsraum sitzen 16 Kursteilnehmer an echten Schulbänken. Frank Huhnke ist nicht nur ein perfekter Griller, sondern auch ein guter Entertainer. Witzig erklärt er, wie man einen Braten spickt oder wie eine Gans auf dem Grill gelingt. „Damit Geflügel nicht fad schmeckt, müssen die Gewürze unter die Haut.

“Mit einer Ballpumpe bläst Huhnke Luft zwischen Haut und Fleisch. „Anschließend löse ich die Haut mit einem Löffelstil bis zur Keule“, erklärt der Profigriller. Nur so kommen die Gewürze aufs Fleisch.

Frank Huhnke ist gelernter Koch, stammt aus Brandenburg und wohnt in Thüringen und Würzburg. Nach seiner Lehre bekochte er im „Palast der Republik“ in Ost-Berlin DDR-Funktionäre wie Egon Krenz oder Erich Honecker. „Meine Kreativität konnte ich dort nicht ausleben“, erinnert er sich. Er versuchte sich im Einzelhandel, übernahm später eine Gaststätte – und fand schließlich im Grillen sein Glück und seine Erfüllung. „Unser Backofen war kaputt und da haben wir angefangen, alles auf dem Grill zu machen“, erzählt er und lacht. Seine Ehefrau Manuela teilt seine Leidenschaft.

Die Gans wird mit einer Bio-Orange, Zwiebeln, Knoblauch, Gewürzen und frischem Ingwer gefüllt. „Achtet auf die Fleischqualität“, rät er den Teilnehmern. Huhnkes Rezepte sind unkompliziert. Er verwendet vor allem Zutaten, die jeder im Haus hat. „Es gibt Kochrezepte, die verstehe ich selbst als gelernter Koch nicht.“ Er möchte Rezepte vermitteln, die jeder versteht und den Spaß beim Kochen in den Vordergrund rücken.

Dass Grillen was für echte Kerle ist, bemerkt man beim Blick auf die Teilnehmerliste – fast alles Männer. Die meisten haben den Kurs geschenkt bekommen. Knapp 80 Prozent der Männer grillen laut einer Studie des Discounters Lidl am liebsten selbst und geben die Grillzange nur ungern aus der Hand. 13 Prozent der deutschen Männer lassen überhaupt niemand anderen an ihren Grill. Mit den Frauen kommen sie sich dabei nicht in die Quere, denn mehr als die Hälfte der Damen steht ungern selbst am Grill.

Grillen spricht offenbar Urinstinkte an. Der Rauch, die Hitze, der Geruch von Essen wecken den Neandertaler in uns. Dabei ist Grillen wohl die älteste Zubereitungsart von Speisen überhaupt. Bereits sehr früh nutzten die Menschen Feuer, um Fleisch, Fisch und andere Lebensmittel über der Glut zu rösten – entweder direkt auf der Glut oder an Stöcken oder Speeren. Heute ist Grillen eines der liebsten Hobbys der Deutschen. „Etwa 90 Prozent der Deutschen grillen“, schätzt Huhnke. „Aber die wenigsten können es.“ Der Profigriller zeigt, wie er die Gans auf den Rost legt, und verrät, wie das Fleisch besonders zart wird – mit der Niedrigtemperaturmethode. Zuerst brät er das gefüllte Federvieh scharf bei 180 Grad an, dann lässt er es für zehn Stunden bei etwa 80 Grad weiterbrutzeln. In der Zwischenzeit bereiten die Teilnehmer ein Putencurry in einer halben Organgenschale. „Dafür lässt sich gut übrig gebliebenes Fleisch wie Pute, Huhn oder Gans verwenden.“ Die Fleischreste werden mit Frischkäse, Currypulver, Zucker, Salz und Pfeffer vermischt und in die Orangenhälften gefüllt. Dann mit etwas Käse darauf für etwa 20 Minuten im Grill überbacken.

Auf der Mainfrankenmesse 2011 grillte Frank Huhnke am Stand des Bezirk Unterfranken Fisch und traf auf Karsten Eck. Der erkannte Huhnkes Talent, vor allem seine unnachahmliche Art, Menschen zu begeistern – und die Würzburger Grillschule war geboren. Im ersten Jahr gab es zwölf Kurse, heute steht der Profi in der Hauptsaison fünf Tage die Woche mit Kunden am Grill.

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Während die Weihnachtsgans weiter unter dem Kugelgrill schmort, machen die Kursteilnehmer sich an eine Winterpizza. Beim Hefeteig greift der 59-jährige Küchenprofi auf Kühlware zurück. „Ich schneide zwei Packungen Pizzateig wie einen Tannenbaum zu“, erklärt er. Diese weihnachtliche Calzone füllt er mit Hackfleisch, Chorizo und Schmelzkäse. „Da wird euer Nachbar vor Neid erblassen.“ Wer es vegetarisch mag, kann Zucchini, Tomaten und Mozzarella zwischen die Teigplatten geben.

In den 1950er Jahren erlebte das Grillen in den USA einen Boom, denn es stand für ein ganz besonderes Lebensgefühl und den Genuss von Freiheit. Nun war es nicht mehr nur eine Angelegenheit der unteren Gesellschaftsschichten, auch die Reichen feierten ausgelassene Grillpartys. Nach dem Zweiten Weltkrieg gelangte dieser Trend auch nach Deutschland. Anfangs mit Holzkohlegrills, später kamen Elektro- und Gasgrills dazu. Bei drei von vier Grillmeistern kommt Schwein auf den Tisch, gefolgt von Huhn und Rind. Das zeigt eine Statista-Umfrage, bei der 2014 über 1000 Bundesbürger zu ihren Grillvorlieben befragt wurden. Auf Platz vier und fünf landeten Gemüse und Kartoffeln.

Huhnke ermuntert seine Schüler, kreativ zu sein. „Schaut nach, was im Kühlschrank ist, und grillt damit.“ Als Nächstes kommt ein Camembert auf den Rost. Damit diser nicht zerläuft, wird er von einer Masse aus Eischnee und zerbröseltem Pumpernickel gestützt, die man später mitessen kann. Der Käse schmeckt mit einem Dip aus Mascarpone und Preiselbeeren. Die Kursteilnehmer sollen nicht nur dasitzen und genießen, sondern dürfen alle Gerichte gleich selbst ausprobieren.

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Beim Wintergrillen dürfe man nicht so oft den Deckel des Grills öffnen, denn „sonst habt ihr viel Energieverlust“, rät er. Das Grillgut holt Huhnke daher nicht direkt aus dem Kühlschrank, sondern lässt es Raumtemperatur annehmen. Durch die kalten Temperaturen braucht man beim Wintergrillen fast die doppelte Menge an Kohle, wie im Sommer. Außerdem sollte man zusätzlich zur Kohle auch Briketts benutzen. Eine gute Alternative für den Winter ist eindeutig der Gasgrill. Mit ihm lässt sich bequem eine konstante Temperatur halten.

Als Beilage zur knusprigen Gans reicht der Profigrillmeister feurige Kartoffelnester. Dazu spritzt Huhnke mit dem Spitzbeutel fertiges Kartoffelpüree auf jeweils eine Scheibe Jagdwurst oder Salami, gibt etwas Röstzwiebeln darüber und grillt das Ganze etwa 15 Minuten. Natürlich kommt auch das Dessert vom Grill: Bratäpfel. „Für die Füllung könnt ihr alles nehmen, was ihr im Haus habt – Reste vom Christstollen, Plätzchen oder Pralinen“, sagt Huhnke. Als Abschluss dient ein Stern aus fertigem Plätzchenteig. Und fertig ist das Weihnachtsmenü.

Gänsebraten vom Grill

Gan(z)s anders

Eine Gans, küchenfertig, 24 Stunden marinieren in: 2 Liter Wasser, 60 g Salz, 2 El Chilipulver, 1 El Paprika, 2 Tl Thymian, 2 Tl Oregano, 2 Tl Zwiebelpulver, 1 Tl Knoblauchpulver, 1 Tl Zucker und 1 Tl Cayennepfeffer.

Für die Füllung: 1 Bio-Orange, 1 Zwiebel, frischer Ingwer nach Geschmack (4 bis 5 cm), 1 Knoblauchzehe, 1 El Butter, Geflügelgewürz, etwas Salz.

Die Orange zerteilen. Die Zwiebel, die Orange und den Ingwer grob hacken; den Knoblauch klein hacken. Alles zusammen in die Gans füllen und zustecken. Butter mit Geflügelgewürz mischen und unter der Haut der Gans verteilen. Mit einer Gabel fest in die dicken Hautschichten (unterhalb von Schenkel und Flügeln) mehrfach einstechen.

Die Gans bei 180 Grad indirekt grillen. Bis zu einer Kerntemperatur von etwa 84 Grad garen. Bei Grilltemperaturen von 80 Grad dauert der Garprozess zwar zehn Stunden, das Ergebnis und die Zartheit verbessert sich merklich. Kurz vor Garende sollte die Grilltemperatur auf 200 Grad erhöht werden, Kerntemperatur an der Innenseite der Keule messen. Der Messfühler darf dabei nicht den Knochen berühren! Unbedingt eine Fettauffangschale mit etwas Wasser unterstellen und während des Bratens leeren.

Immer wieder mit dem Gänsefett bepinseln. Die Gans etwa 15 Minuten vor Grillende mit Salzwasser oder einer Mischung aus Sojasauce und Honig (Verhältnis 1:1) einpinseln.

 
 
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