Jedes Jahr zu Weihnachten sind sie der Hingucker im Kiliansdom: Unzählige große, handgemachte Strohsterne schmücken den Weihnachtsbaum, den die Dommesner diese Woche im Altarraum aufgestellt haben. Die einen ähneln kleinen Sonnen, andere erinnern mit ihren vielen gezackten Spitzen an Schneeflocken. Auch im Neumünster und in der Marienkapelle sind die Weihnachtsbäume mit Strohsternen dekoriert. Alle wurden von Ritaschwester Agnesia Greß (91) in liebevoller Handarbeit hergestellt. Folgende Informationen sind einer Pressemitteilung des Ordinariats entnommen.
"Ich mache es gerne, weil die Menschen sich darüber freuen", sagt Agnesia Greß. Bei ihr ist immer ein bisschen Weihnachtsstimmung. "Sie macht das ganze Jahr Strohsterne", verrät Generaloberin Rita-Maria Käß. Auf einem großen Tisch am Fenster hat Greß eine kleine "Strohstern-Werkstatt" eingerichtet. In einer Schachtel liegen Strohhalme, in der anderen ein Dutzend fertiger Strohsterne und glitzernder Goldfaden, außerdem drei Legeformen aus rotem Kunststoff in unterschiedlichen Größen. Die Strohhalme hat Greß selbst vorbereitet: "Ich weiche sie eine halbe Stunde in kaltem Wasser ein. Dann stelle ich sie in einer kleinen Wanne auf, damit das Wasser herausläuft." Nach ein bis zwei Stunden seien die Halme trocken und geschmeidig. Mit einer großen Schere, die noch von ihrer Mutter stammt, streift Greß die Halme aus, bis sie ganz platt sind. Man könne die Halme auch bügeln. "Aber so brauche ich keinen Strom. Und jetzt kann ich damit arbeiten."
Strohsterne in drei verschiedenen Größen
Die Strohsterne fertigt die Ordensfrau in drei Durchmessern – 22, 13 und elf Zentimeter. "Am leichtesten gehen die großen Sterne. Die kleinen sind empfindlicher." Für den Dom hat sie ausschließlich große Sterne gemacht, schließlich sollen sie auch aus der Entfernung noch gut zu sehen sein. Jeder Stern besteht aus 24 einzelnen Strohhalmen, die sie mit flinken Bewegungen in der Legeform platziert. "So viele einzelne Halme kann man gar nicht in der Hand halten." Die Formen habe sie von ihrer Generaloberin in Geldersheim geschenkt bekommen, erzählt sie. "Sie hat sehr viel gebastelt und die Schablonen samt Beschreibung bekommen. Aber sie ist nicht so gut damit zurechtgekommen. Ich habe mich dann an einem Abend damit hingesetzt und gleich mehrere Strohsterne gemacht."
Nachdem sie alle Halme in der Form platziert hat, zählt sie diese nochmals ab und betrachtet den Stern aufmerksam von allen Seiten, ob alles passt. Dann schneidet sie ein langes Stück von dem Goldfaden ab und umwickelt damit die einzelnen Halme, bis sich der Faden wie ein glitzernder Kreis um den Mittelpunkt des Sterns windet. Flink wickelt sie den Faden vorwärts und wieder rückwärts – so schnell, dass man mit den Augen kaum nachkommt. Zum Schluss bearbeitet sie die Spitzen noch ein wenig mit der Schere, "damit der Stern schöne Zacken bekommt", und befestigt ein weiteres Stück von dem Goldfaden als Aufhänger. "Der Faden zum Aufhängen muss so lang sein wie der Stern", erklärt sie. Normalerweise brauche sie für einen Stern etwa eine Dreiviertelstunde, hat sie ausgerechnet.
Seit 2003 im Strohsterngeschäft tätig
"Am liebsten mache ich Strohsterne, wenn ich alleine bin und Ruhe habe", erzählt Greß. Man dürfe nicht zu viel dabei denken, dann gelinge die Arbeit am besten. Die ersten Sterne für den Kiliansdom hat sie im Jahr 2003 übergeben. Der damalige Dommesner Klaus Rind hatte sich über die "schäbigsten Weihnachtssterne von ganz Würzburg" beklagt. Irgendwie hatte sich herumgesprochen, dass Greß Strohsterne fertigt, und so bastelte sie auf Bitten der Dompfarrei 300 große Sterne – kunstvolle Gebilde mit einem Kranz aus großen und kleinen Zacken. Als 2010 Mäuse die Strohsterne in der Marienkapelle annagten, fertigte sie weitere 180 Sterne. Für die Dompfarrei habe sie später nochmals 100 Sterne gemacht. Und erst im Herbst überreichte sie weitere 100 Sterne an Dompfarrer Stefan Gessner – "als Reserve". Am Christbaum im Kiliansdom hängen somit drei Generationen von Strohsternen.
Strohsterne der Ritaschwester hängen unter anderem im Exerzitienhaus Himmelspforten, in einer Kirche in München und im Aachener Dom, in den Niederlassungen des Ordens in Amerika und der Schweiz "und in vielen Orten, die ich gar nicht kenne". Die Delegation aus dem brasilianischen Partnerbistum Óbidos, die im Oktober das Bistum Würzburg besuchte, bekam zum Abschied ebenfalls Strohsterne. Es habe sich herumgesprochen, "und dann kamen die Bestellungen", sagt Generaloberin Käß. Auch im Advent sei wieder jemand gekommen und habe kleine Strohsterne geholt, um sie Weihnachtsbriefen beizulegen.
Ein Ende der Strohstern-Produktion ist nicht abzusehen. Auf einem Regal in Greß' Zimmer wartet eine große Schachtel voller Strohhalme darauf, verarbeitet zu werden. Als im vergangenen Jahr die Weihnachtsgottesdienste im Fernsehen übertragen wurden, habe sie auch den Weihnachtsbaum im Kiliansdom gesehen, geschmückt mit ihren Sternen, erzählt Greß. "Sie waren sehr schön aufgehängt. Ich dachte mir: Das machst Du weiter, solange es geht."