Andreas Rother ist die Inkarnation eines Bäckermeisters: stämmig, groß und gründlich bemehlt. Als morgens um zehn der Pressetermin stattfindet, ist Rother schon seit elf Stunden auf den Beinen. Und ein Ende seines Arbeitstages ist noch nicht abzusehen. Andreas Rother hat vor kurzem die Bäckerei des 81-jährigen Hermann Fuchs in Winterhausen übernommen. Seither lautet auch sein Lebensmotto: selbst und ständig.
Als Hermann Fuchs den seit 1930 bestehenden Betrieb vor zwei Monaten dicht machte, war der Ort plötzlich ohne Lebensmittelgeschäft. Da war aber schon klar, dass Winterhausen lediglich eine kurze Durststrecke würde überwinden müssen, denn Andreas Rother stand schon in den Startlöchern. Vor drei Jahren fing der aus Bad Mergentheim stammende Bäckermeister bei Hermann Fuchs an, schon damals mit der Option auf eine spätere Übernahme.
Rother wollte einen Kleinbetrieb übernehmen
„Als ich mich hier vorgestellt habe, bin ich erst mal in Sommerhausen rauf in die Weinberge gefahren und habe ins Tal geschaut“, erzählt Rother. „Da wusste ich, dass es mir hier gefallen wird. Ich hatte sofort einen guten Draht zu Winterhausen.“ In Zeiten, in denen ländliche Ortschaften um die letzte Bäckerei, die letzte Metzgerei bangen, hat sich Rother ganz gegen den Trend für die Übernahme eines Kleinbetriebes in genau so einem Ort entschieden. Warum?
„Es ist schwierig, einen geeigneten Betrieb zu finden“, sagt der 42-Jährige und rollt auf dem hölzernen Arbeitstisch mit affenartiger Geschwindigkeit Schinkenhörnchen. Einen Betrieb, in dem das Arbeitsklima stimmt, in dem man mit Chef und Kollegen klarkommt. In Winterhausen hat für Rother alles gepasst. Ex-Chef Hermann Fuchs bemannt mit seinen 81 Jahren auch jetzt noch den großen Steinbackofen in der Backstube, und seinen engagierten Kollegen Martin Lorenz konnte Rother zum Glück ebenfalls als Mitarbeiter behalten.
Ein Traditionsbetrieb mit familiärer Atmosphäre
Der Bäckermeister muss ihn mit gutmütigem Nachdruck aus der Backstube scheuchen, damit Lorenz von seinem Feierabend endlich Gebrauch macht. Und auch Mutter Helga Rother wird samt ihrem Besen hinauskomplimentiert: Es kann auch dann noch gefegt werden, wenn der Meister mit seinen Schinkenhörnchen fertig ist. Diese familiäre Atmosphäre ist es, die Andreas Rother an dem Traditionsbetrieb schätzt. „Warum weggehen, wenn ich hier alles habe?“ fragt der 42-Jährige.
Klar – die Arbeitszeiten seien furchtbar, „für manche zumindest“, schmunzelt Rother. Er selbst hat sich schon längst daran gewöhnt. Und da die Arbeit ihm Spaß macht, gehe sie ihm beinahe von selbst von der Hand. Das Inventar der alten Bäckerei hat er übernommen, und ebenso ein paar Traditionen von früher. Während er hinten in der Backstube von seinem Brot schwärmt, kommt vorne eine Kundin mit ihrem selbst gemachten Christstollenteig an. Den lässt sie im großen Steinbackofen backen. Diesen Restwärme-Service boten früher viele Bäckereien an. „Die Leute brachten ihre Backwaren mit Leiterwagen“, erzählt Helga Rother.
Backwaren aus alten Getreidesorten
Auf seinem Weg in die Selbstständigkeit hat Andreas Rother ein Beratungsunternehmen über ein IHK-Vorgründungscoaching unterstützt, hauptsächlich mit Hilfe bei Anträgen für Behörden, beim Marketing und mit der Vermittlung von Kontakten zu anderen Existenzgründern. „Das war schon hilfreich für mich“, sagt Rother. Zunächst einmal möchte der Bäckermeister alles so lassen, wie es ist. Seine Kunden mögen nun mal das Brot und die Kipf aus der Bäckerei Fuchs. Ein paar Neuerungen plant er aber auch, etwa Backwaren aus alten Getreidesorten wie Dinkel und Emmer. Denn Kunden mit bestimmten Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind auf glutenfreies Backwerk angewiesen.
Außerdem steht Andreas Rother nach dem beruflichen nun auch noch der persönliche Umzug bevor. Derzeit pendelt er noch zwischen seinem Wohnort Bad Mergentheim und Winterhausen. Da er aber das Haus mit der Bäckerei erworben hat, will er dort in absehbarer Zeit auch seinen Wohnsitz nehmen. Dazu muss er in der Wohnung aber erst mal das tun, was er in den vergangenen zwei Monaten zunächst nur in der Bäckerei getan hat: gründlich renovieren.
Schleichende Eröffnung in Winterhausen
Dafür, dass Andreas Rother eigentlich noch gar keine offizielle Wiedereröffnung begangen hat, ist in seiner Bäckerei an diesem Morgen schon eine ganze Menge los. „Bei mir gab es eine schleichende Eröffnung“, sagt er amüsiert. „Ich habe einfach mal aufgemacht.“ Die Winterhäuser haben das gleich spitz gekriegt. Und machen von ihrer neuen alten Bäckerei regen Gebrauch.