
Der Mann auf der Anklagebank scheint eine Schlüsselfigur bei einer europaweit boomenden Form des Betruges gewesen zu sein: Cybertrading verspricht Kunden den schnellen Reichtum mit Wertpapierhandel im Internet – und bringt sie um Tausende von Euro.
Von November 2016 bis Februar 2019 soll der 39-Jährige, der seit diesem Dienstag vor dem Würzburger Landgericht steht, Teil einer Gruppe gewesen sein, die mutmaßlich mehrere tausend Anleger betrogen hat. Als Verkäufer soll er beispielsweise einer Kundin aus Ochsenfurt (Lkr. Würzburg) telefonisch Traumgewinne vorgegaukelt haben, damit sie wie viele andere immer mehr Geld investierte – das irgendwann verschwunden war. Weil die Frau, die durch die Cybertrading-Plattformen eine sechsstellige Summe verloren hatte, Anzeige erstattete, wird am Landgericht Würzburg verhandelt.
Spuren führten zu Callcentern im Ausland
Um Hunderte von Millionen Euro haben so zwei Banden Kunden in Europa gebracht. Internet-Fahnder der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg folgten im vergangenen Jahr den Fährten der Betrüger bis nach Georgien, Bosnien und in den Kosovo, wo 18 Personen festgenommen wurden. Dort hatten Spezialisten mit Sprachkenntnissen in deutsch, spanisch und englisch von Callcentern aus ihre Kunden in deren Muttersprache abgezockt. Den Internetfahndern aus Bamberg zufolge waren in vier Callcentern 472 solcher Verkäufer beschäftigt.
"Mach dich reich in sieben Tagen" - mit solchen Versprechen werden Interessierte auf Cybertrading-Plattformen gelockt, auf denen mit Finanzinstrumenten gehandelt wird. Investoren wie die Geschädigte aus Unterfranken sollten offenbar zunächst zwischen 250 und 300 Euro überweisen. Auf einem Internet-Konto wurde ihnen von den angeblichen Anlageberater wenig später angeblich ein satter Gewinn überwiesen - nicht ohne ihnen vorzurechnen, wie viel sie bei einer deutlich höheren Investitionen gewonnen hätten. Die Kunden legten immer mehr Geld nach. Den Ermittlern zufolge wurde es aber nie investiert, sondern über mehrere Konten den mutmaßlichen Betrügern zugeschleust.
Laut Anklage eine Provision in fünfstelliger Höhe
Der jetzt Angeklagte soll als vermeintlicher Berater über zwei Jahre lang tätig gewesen sein. Seine Provision soll umso höher gewesen sein, je höher die Geldeinzahlungen seiner Kunden waren: bis zu 42 000 Euro in einem Monat. Bisher haben 27 Geschädigte Anzeige erstattet. Dem 39-Jährigen wird in Würzburg vorgeworfen, durch gewerbs- und bandenmäßigen Betrug einen Schaden von 1,38 Millionen Euro verursacht zu haben.
Bei der Zentralstelle Cybercrime Bayern liegen 203 Strafanzeigen aus Deutschland vor. Doch die Ermittler gehen von weit mehr Geschädigten aus, weil sich viele Betroffene schämen würden, auf Betrüger reingefallen zu sein.
In Würzburg drei Verfahren wegen Cybertrade-Betrugs
Am Landgericht Würzburg sind oder waren laut Pressesprecher Michael Schaller schon drei Verfahren anhängig. Dem Angeklagten drohen zwischen sechs Monaten und zehn Jahren Gefängnis. Der laufende Prozess ist auf fünf Verhandlungstage angesetzt. Mit einem Urteil ist am 22. Juni zu rechnen.