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Würzburg
Coronavirus: Stecken sich Kinder doch öfter an als vermutet?
Wie häufig sich Kinder infizieren und wie ansteckend sie dann sind, ist seit Beginn der Corona-Pandemie umstritten. Mediziner Johannes Liese über neue Erkenntnisse.
In der großen KiTa-CoV-Studie werden Würzburger Kita-Kinder regelmäßig untersucht. Das Foto stammt vom Beginn der Studie im Herbst 2020.
Foto: Patty Varasano | In der großen KiTa-CoV-Studie werden Würzburger Kita-Kinder regelmäßig untersucht. Das Foto stammt vom Beginn der Studie im Herbst 2020.
Angelika Kleinhenz
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:01 Uhr

In Bayern waren von März bis Juli 2020 offenbar sechs Mal mehr Kinder mit dem Coronavirus infiziert als von den Gesundheitsämtern registriert. Dies berichten Wissenschaftler des Münchner Helmholtz-Zentrums, die 15 000 Kinder im Freistaat auf Antikörper getestet hatten. Sind geöffnete Kitas und Schulen also doch ein Treiber in der Corona-Pandemie?

Professor Johannes Liese, Leiter für pädiatrische Infektiologie und Immunologie an der Uni-Kinderklinik Würzburg, widerspricht und erklärt die Ergebnisse seiner Kollegen. Liese leitet gemeinsam mit Mikrobiologe Professor Oliver Kurzai die große KiTa-CoV-Studie, bei der 600 Würzburger Kita-Kinder regelmäßig auf das Coronavirus getestet werden. Macht den Forschern jetzt der Lockdown einen Strich durch die Rechnung?

Frage: Es gibt Studien, die nahelegen, dass Kinder kaum zur Verbreitung des Coronavirus beitragen. Und es gibt die Studie des Helmholtz-Zentrums für Gesundheit und Umwelt, die darauf hindeutet, dass Kinder doch häufiger infiziert wurden als vermutet. Was stimmt denn nun?

Johannes Liese: Beides: Es haben sich mehr Kinder als bislang angenommen infiziert. Doch in absoluten Zahlen sind es immer noch wenige. Bei der Studie des Münchner Helmholtz-Zentrums wurden 15 000 Kinder zwischen einem und 18 Jahren auf Antikörper im Blut untersucht. Die Forscher wollten im Nachhinein herausfinden, wie viele dieser Infektionen tatsächlich gemeldet worden waren. Das Ergebnis: Von Januar bis März hat man bei 0,08 Prozent der Kinder Antikörper nachgewiesen. Im Juni, zur Höchstphase der Pandemie, lag die Nachweisrate bei 1,13 Prozent. Die Zahl der  an Covid-19 erkrankten Kinder, die über die Gesundheitsämter erfasst wurden, war sechs Mal geringer: Sie lag bei 0,156 pro 100 Kinder. Mit den Antikörper-Tests konnte man also sechs Mal mehr Coronavirus Infektionen nachweisen, vermutlich auch, weil viele dieser Kinder keine oder nur minimale Krankheitszeichen aufwiesen. Insgesamt war aber auch in dieser Studie nur eines von 100 Kindern betroffen.

Professor Johannes Liese leitet den Bereich pädiatrische Infektiologie und Immunologie an der Kinderklinik des Würzburger Universitätsklinikums.
Foto: Thomas Obermeier | Professor Johannes Liese leitet den Bereich pädiatrische Infektiologie und Immunologie an der Kinderklinik des Würzburger Universitätsklinikums.
Kann man sagen, dass sich Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren weniger oft mit dem Coronavirus infizieren?

Liese: Nein, das ist zu pauschal. Das gilt nur für Kinder zwischen der Geburt und neun Jahren. Ab einem Alter von zehn Jahren sind die Ansteckungshäufigkeit und die Ansteckungsverbreitung zunehmend so wie bei Erwachsenen. Mit dem Unterschied: Sie erkranken in der Regel nicht so schwer wie ältere Menschen.

Scheiden Kinder weniger Virusmenge aus? Sprich: Sind sie weniger ansteckend?

Liese: Wir wissen heute aus verschiedenen Studien, dass die Virusmenge auf der Schleimhaut bei infizierten Kindern genauso hoch ist wie bei Erwachsenen. Das heißt aber nicht notwendigerweise, dass sie das Virus auch weitergeben. Jemand, der zum Beispiel keine Symptome hat und nicht hustet, setzt weniger Aerosole und damit Viren frei als jemand, der hustet und durch einen ganz anderen Atemstoß die Viren in der Luft verteilt. Kinder haben häufiger keine bis leichte Symptome.

Wie viele Kinder mit Covid-19 wurden seit März 2020 in der Uniklinik identifiziert?

Liese: Vier. Da wir bei allen Patienten ein vorsorgliches Screening machen, haben wir die Infektionen entdeckt. Die meisten dieser Kinder hatten keinerlei Symptome und kamen wegen anderer Krankheiten in die Klinik.

Wie viele Kinder hatten einen schweren Verlauf einer Coronavirusinfektion?

Liese: Wir hatten einen Jungen mit einer Krankheit, bei der es zu einer starken Entzündungsreaktion einzelner Organe - also Darm, Herz, Haut - kommt. Das Ganze ist bekannt als "multisystemisches Inflammationssyndrom". Da wir Antikörper in seinem Blut fanden, konnten wir das als Spätfolge einer zuvor abgeklungenen Coronavirusinfektion identifizieren. Seit Beginn der Pandemie tritt dieses Syndrom gerade bei Kindern um die zehn Jahre weltweit häufiger auf.

Der Lockdown bremst jetzt Ihre große Würzburger Kita-Studie. Wurmt Sie das?

Liese: Eigentlich wären wir schon fertig. Doch momentan können wir nur in der Notbetreuung Abstriche entnehmen und nach dem Lockdown mit den regulären Untersuchungen auf Coronaviren bei den Kindern und Betreuern  weitermachen. Im März wollen wir - ähnlich wie bei der Studie des Helmholtz-Zentrums - das Blut der Kinder auf Antikörper untersuchen, um herauszufinden, wie viele Infektionen tatsächlich stattgefunden haben.

Sollten Kitas und Schulen wieder öffnen?

Liese: Meine persönliche Meinung ist, dass Kitas und Grundschulen öffnen sollten. Mit guten Hygienekonzepten halte ich das für ein sicheres Vorgehen. Auch Grundschüler sind in der Lage, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Bei Jugendlichen sollte man die  Ansteckungsrate gering halten durch strikt eingehaltene Hygienepläne, etwa geteilte Klassen, und vor allem durch gute Aufklärung, was den Weg zur Schule oder Freundestreffen nach dem Unterricht anbelangt.

Auch in Unterfranken sind inzwischen mutierte Coronaviren nachgewiesen. Könnten diese Mutationen alles, was wir über das Coronavirus bei Kindern wissen, wieder auf den Kopf stellen?

Liese: Nein, aber es sollte sorgfältig überwacht werden. Mutationen kennen wir auch von anderen Erkältungsviren, die dadurch ihre Übertragungsfähigkeit ändern können. Aber auch für mutierte Coronaviren gilt, dass durch Einhaltung von Maßnahmen  - Abstand, Hygiene, Maske, Lüften - eine sichere Prävention möglich ist, die zukünftig durch Impfungen noch verbessert werden kann.

 
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  • flyarcus@gmx.de
    Ist es also ungefährlich, wenn die Oma das Kind aus der Kita holt?
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  • cothromach
    Walkerfriend

    Was meinen Sie damit, wenn Sie sagen: unabdingbar ist Hygiene?
    Was glauben Sie denn, wieviel Hygienemaßnahmen unter Kindern eingehalten werden? Finger werden in Mund und Nase gesteckt, dann der Freund an der Hand gefasst. Es gibt Umarmungen und Raufereien. Das kann man nicht unterbinden, egal wie sehr man sich bemüht. Ich weiß nicht, was sich manche Leute vorstellen, wie diszipliniert Kinder sind, was die Coronaregeln betrifft.
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  • Margarete-wuestner@web.de
    Herr Professor Liese, Ihren Artikel verstehe ich so, dass ich meine Enkelkinder zwischen Geburt und 9 Jahren besuchen/betreuen kann, auch wenn sie das Virus in sich tragen, keine Symptome haben und mich nicht anhusten! Somit muss ich keine Sorge haben angesteckt zu werden?
    Oder hab ich da etwas falsch verstanden??
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  • cothromach
    Lachen, schreien oder singen sollten Ihre Enkelkinder dann auch besser nicht grinsen. Dabei werden nämlich auch jede Menge Aerosole ausgestoßen!
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  • jutta.noether@web.de
    Dass jüngere Kinder mutmaßlich weniger ansteckend sind als ältere oder Erwachsene - könnte das vielleicht auch damit zusammenhängen, dass sie einfach nicht so groß sind? Soll heißen, sie atmen im allgemeinen auf "niedrigerer Ebene"?
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  • tabima
    Und schon sieht man, dass wieder falsche Tatsachen aus einem Bericht mit alten Studien hängen bleiben - Kinder sind nicht weniger ansteckend - es gibt nach NEUEN Studien keinen Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen, auch nicht bei Kita Kinder. Im Gegenteil "befällt" die Mutation besonders gerne kleine Kinder. Einziger Unterschied - Kinder haben meist wenig bis keine Symptome wobei sich dies bei der Mutation wohl zu ändern scheint.
    Liebe Mainpost recherchieren Sie doch bitte im Vorfeld und überlegen Sie, ob man wirklich längst überholte Studien hier verbreiten muss. Kein Wunder wenn es niemand verstehen kann, warum Schulschließungen wichtig sind!
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  • 2ostsee
    Durch ständiges Wiederholen wird Ihre These nicht richtiger.
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  • tabima
    Die Studie ist vollkommen veraltet und stammt aus der Zeit des ersten Lockdowns. Dass da wenig Kinder infiziert waren ist nicht verwunderlich, waren Kitas und Schule doch geschlossen. Es gibt inzwischen deutlich neuere Studien, die genau das Gegenteil beweisen - Kinder, auch im Kita und Grundschulalter, stecken sich demnach genauso häufig an, wie Erwachsene....Schade, dass dies bei einigen noch immer nicht angekommen ist. Auch nicht bei der Mainpost. Auch hier wird noch die These Schule ist sicher unterstützt.
    Komisch aber, dass die Zahlen mit Schulschließungen sinken, ohne aber nicht. Also mal Google bemühen und neuere Studien suchen liebe Mainpost und nicht noch mit solchen Artikeln die Studien aus den Zeiten des ersten Lockdowns verbreiten...und wer von Hygienekonzepten und Kita und Grundschule spricht hat keine Ahnung, wie es dort aussieht...das sind Kinder!!!!
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  • armadillo
    Sie sollten die Situation schon etwas differenzierter betrachten.

    Die Infektionen sind nach hartem Lockdown gesunken, davon waren nicht nur die Schulen betroffen. Es gibt keinen Anlass, sinkende Zahlen allein auf geschlossene Schulen zurückzuführen.

    Kinder bis 9-10 Jahren stecken sich zwar selbst an, aber sie infizieren andere nur sehr beschränkt. Es gibt daher keinen Grund, Kitas und Grundschulen weiter geschlossen zu halten. Soweit die heute bekannten Studien….
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  • cothromach
    So wie ich den Artikel verstanden habe, geht es um die Coronainfektionen bei Kindern zwischen März und Juli 2020. Da waren die Schulen erst geschlossen und dann ging es langsam mit Wechselunterricht los. Es gab keinen Präsenzunterricht mit voller Klassenstärke. Es war Sommer und die Infektionszahlen waren lange nicht so hoch, wie sie es in letzter Zeit sind. Auch spielten die Mutationen noch keine Rolle. Momentan haben wir immer noch eine hohe Infektionsrate. Vor den Virusmutationen wird von allen Seiten her gewarnt. Lesen Sie bitte mal den Artikel von Herrn Jungbauer: Corona-Mutationen;: Was Sie jetzt dazu wissen müssen. Hier äußert sich Prof. Stich auch zu der Übertragbarkeit des Virus durch Kinder. Es gibt Hinweise darauf. dass sich die Mutationen bei Kindern stärker verbreiten. Beispiele wie der Coronaausbruch in der KiTa in Freiburg oder in Margetshöchheim scheinen das ja auch zu bestätigen.
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  • hansi07
    Mir scheint, das Interview ist neu, und der Professor weiß seine Zwischenergebnisse der noch laufenden Studie sehr wohl zu deuten.
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  • armadillo
    Vielen Dank für die klare Aussage, Prof. Liese!
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  • juergenmagic@t-online.de
    Ein sehr gutes Interview, dass die Situation und das Ergebnis von diversen anderen Studien widerspiegelt. Auch wenn man keinesfalls das Virus verharmlosen darf, zeigt dies doch, dass es eigentlich keinen Grund gibt, Kitas/Kindergärten bzw. Schulen noch länger geschlossen zu halten. Wie gesagt, unabdingbar ist Hygiene. Die war aber auch schon vor dem Lockdown vorhanden.
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