Die zwei hohen Tannen, die in der Gemarkung Gülchsheim stehen, weisen nicht nur den Weg zu einem Grab, sondern stehen auch wie unübersehbare Wächter neben der letzten Ruhestätte von fünf Soldaten. In diesem Grab liegen fünf Männer im Alter zwischen 18 und 32 Jahren.
Ein weiteres einzelnes Soldatengrab befindet sich in einigen hundert Metern Entfernung am Rand eines kleinen Wäldchens der "Lach". Der 18-jährige Panzergrenadier, der dort ruht, bekam in seinem Schützenloch einen tödlichen Treffer durch die amerikanischen Truppen und wurde an diesem Platz belassen und beerdigt.
Für Claudia Veeh (57) die den Krieg und die Geschehnisse rund um das Anfang April 1945 hart umkämpfte kleine Dorf, nur vom Hörensagen kennt, bedeutet die Pflege der beiden Grabstellen keine lästige Pflicht. Die in Großharbach geborene Landwirtin die seit 33 Jahren in Gülchsheim verheiratet ist, setzt seit rund zehn Jahren die Reihe der Einwohner fort, die seit 1945 freiwillig die Soldatengräber pflegen.
Topf mit Herbstastern
Einige Zeit lang kümmerten sich auch Mitglieder des Gelchsheimer Soldaten-und Kameradschaftsverein um die Ruhestätten. Sie waren es auch, die vor Jahren einen Schutz über den Kreuzen anbrachten, um das Verwittern der Grabsteine aufzuhalten.
Der Platz um das große Grab auf der "Burkhöhe" die ihren Namen nach dem Würzburger Bischof Burkard (683-755) trägt, strahlt nicht nur eine friedvolle Stille aus, er zeigt auch die pflegenden Hände von Claudia Veeh. Neben den längst verblühten und zurück geschnittenen Stauden geben jetzt Erika und ein großer Topf mit Herbstastern der Anlage Farbe.
Neben der brennenden Kerze, für die sie stets sorgt, ist für sie nicht nur der Volkstrauertag ein Anlass, um das Grab auch mit frischen Blumen zu schmücken.
Die Kosten für den Schmuck, den sie auch an dem mit dem 6.April 1945 angegebenen Todestag, zu Allerheiligen, zur Kirchweih und anderen Festen auf die Soldatengräber bringt, trägt die Gemeinde Gülchsheim.
Eine neue Kerze und ein Stern
Während sie auf der Burkhöhe eine neue Kerze und einen Stern aufstellt und anschließend noch bei dem Grab in der "Lach" nach dem Rechten sieht, erzählt die Gülchsheimerin, dass sie noch nicht erlebt hat das sich Angehörige der toten Soldaten nach dem Grab erkundigt hätten. Dafür kommen aber immer wieder Besucher auf den rund einen Kilometer vom Dorf entfernt und 333 Meter hoch liegenden Platz. Unter den Zeichen sind es vor allem Kerzen, die auf die Anwesenheit von Besuchern hinweisen. Auf der Bank vor dem Grab bietet sich einen herrlicher Weitblick in die Landschaft.
Für Claudia Veeh ist es, wie sie sagt, längst selbstverständlich geworden, dafür zu sorgen, dass die Gräber auch 76 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges würdige letzte Ruhestätten für die gefallenen Soldaten bleiben.
Welche Kriegsgeschichte hinter dem heutigen Hemmersheimer Ortsteil Gülchsheim und der Beisetzung der Soldaten auf Gemeindegrund steht, das hat der damalige Bürgermeister Valentin Markert (1895- 1991) akribisch festgehalten.
Panzerfäuste und Karabiner
Seinen Aufzeichnungen nach rückte im Morgengrauen des 3. April deutsches Militär nach Gülchsheim an. Mit ihrer aus Panzerfäusten und Karabinern bestehenden Ausrüstung stellten sich die zum Großteil sehr jungen Soldaten der hoch motorisierten amerikanischen Armee entgegen.
Bei den Kämpfen zwischen dem 4. und dem 9.April fielen 22 Wohngebäude, vier Stallungen, sechs Scheunen und zwölf Nebengebäude in Schutt und Asche. Während es zwar eine größere Menge an Vieh zu beklagen gab, kam von den rund 300 Einwohnern niemand zu Schaden.
Dafür forderte der Krieg kurz vor seinem Ende in Gülchsheim das Leben von insgesamt elf Soldaten. Davon wurden, laut dem Chronisten, zwei Soldaten im Gülchsheimer Friedhof beigesetzt. Wie der Soldat, der in seinem Schützenloch verblieb, sollten nach dem Willen der Amerikaner auch weitere Gefallene in der Flur begraben werden. Und zwar an den Stellen an denen sie den Tod gefunden hatten.
Gülchsheimer Geschichte
Nach dem Einsatz des Bürgermeisters erklärten sich die Amerikaner damit einverstanden, dass die getöteten Soldaten auf Gemeindegrund in einem Massengrab auf der Burkhöhe bestattet werden durften.
Nach der Beisetzung unter der Aufsicht der Amerikaner am 14.April 1945 wurde einer der Gefallenen bereits wenige Wochen später nach Creglingen überführt. Ein weiterer Soldat fand einige Monate später seine letzte Ruhestätte in Bamberg.
In dem dicken Gemeindebuch, das Valentin Markert fortgeführt hat und in dem ein großes Stück Gülchsheimer Geschichte festgeschrieben ist, findet sich über das Soldatengrab auch ein Gedicht das ein Flüchtling im Jahre 1945 verfasst hat.
In seinen insgesamt 19 Verse schreibt der Verfasser:
"Was schimmert von der Höhe, bei Gülchsheim in das Tal, wie silbernes Geschmeide erglänzt,s im Sonnenstrahl.
Es ist ein Kreuz aus Birke mit weißem Rindenkleid, weit sichtbar in der Runde ein Mahnmal schwerster Zeit.
Es zeugt von Tod und Wunden, Zerstörung, Weltenbrand als Kriegesfurie toste durchs deutsche Vaterland. Hier ruhen in ewgen Frieden,fünf deutsche Soldaten vereint, sie fielen im schwersten Kampfe mit übermächtgen Feind. Ein Grabeshügel bedecket der Toten Ruhestätt, geschmückt mit bunten Blumen, die Lieb gespendet hat."
Der fromme Wunsch des Verfassers, der vor 76 Jahren schrieb: "Das Grab, so wie es Heute gepflegt wird und betreut, möge es auch Pflege finden bis in die ferne Zeit" hat sich erfüllt: Dadurch, dass sich über sieben Jahrzehnte lang hinweg immer wieder Menschen wie Claudia Veeh bereit erklärt haben, die Pflege zu übernehmen und die Soldatengräber in der Gülchsheimer Flur nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.