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Würzburg
City Church: Vom Römer, Augustinern und der Drachenmutter
Mit Glauben, Gemeinschaft und Bier will die City Church dem religiösen Zeitgeist entsprechen. Die ungewöhnliche christliche Gemeinschaft ist jedoch nicht für jedermann.
Christoph Schmitter, Pastor der City Church, einer evangelischen Freikirche in Würzburg, bei seiner Predigt im Omnibus.
Foto: FABIAN GEBERT | Christoph Schmitter, Pastor der City Church, einer evangelischen Freikirche in Würzburg, bei seiner Predigt im Omnibus.
Aaron Niemeyer
 |  aktualisiert: 27.04.2023 07:43 Uhr

Die Biertische in der Musikkneipe Omnibus sind gut besetzt. Viele Besucher tragen Caps und Kapuzenpulli, einige haben einen Laptop vor sich auf dem Tisch stehen. Sie wirken in sich gekehrt, lauschen dem Gitarrensound der Band, die sehnsuchtsvolle Musik spielt. Viele haben die Augen geschlossen, nippen immer mal wieder an ihrem Bier. Es könnte ein gewöhnlicher Kneipenabend sein, wäre da nicht der lässig gekleidete Mann auf der Bühne, der am Ende des Liedes die Hände faltet und gemeinsam mit den Besuchern über Paulus und seinen Römerbrief spricht.

"Dieser Glaube, den Paulus hier feiert, ist etwas anderes als totale Hingabe", sagt Christoph Schmitter. Er ist Pastor der City Church, einer evangelischen Freikirche in Würzburg. Seine Gottesdienste hält er sonntags im Omnibus. Während seiner Predigt spricht er viel über Dinge, die er "feiert", also gut findet. Vertrauen in Gott feiert er, aber auch, den eigenen Glauben zu hinterfragen, wie es seiner Meinung nach Paulus im Römerbrief vier tut.

"Die City Church ist keine Kirche für jedermann", sagt Gemeindemitglied Ben Böck. Wie um zu erklären, was er damit meint, holt er sein Handy hervor und öffnet den Römerbrief mit Hilfe einer Bibel-App. Mit seinem Handy macht er sich während der Predigt Notizen, hält Gedanken fest, die er später reflektieren möchte. Über seinen Glauben redet er mit Bedacht. "Dass ich überhaupt glauben kann, ist für mich ein Wunder", sagt er zögerlich. Er lässt die Worte einige Sekunden nachwirken, dann nickt er zufrieden.

"Dass ich überhaupt glauben kann, ist für mich ein Wunder"
Ben Böck -  Mitglied der City Church

Seit etwa zwei Jahren ist der 24-Jährige Mitglied der City Church. In Würzburg lebt er seit knapp fünf Jahren. Hergezogen ist er, um Sonderpädagogik zu studieren. Ben kommt aus einem gläubigen Elternhaus aus der Nähe von Ulm, das lange Zeit seinen Glauben prägte. Auf eine selbstzentrierte Art kindlich sei der gewesen.

Die Biertische in der Musikkneipe Omnibus sind gut besetzt. Viele Besucher tragen Caps und Kapuzenpulli, einige haben einen Laptop vor sich auf dem Tisch stehen.
Foto: FABIAN GEBERT | Die Biertische in der Musikkneipe Omnibus sind gut besetzt. Viele Besucher tragen Caps und Kapuzenpulli, einige haben einen Laptop vor sich auf dem Tisch stehen.

Auch durch das Studentenleben in Würzburg sei sein Glaube inzwischen erwachsen geworden. Hier habe er individuelle Freiheit kennengelernt. Er habe das Nachtleben genossen, seinen eigenen Lebensalltag gestaltet und Menschen mit unterschiedlichen Ansichten kennengelernt. "So bin ich aus meiner Blase rausgekommen." Weltgewandter und offener sei sein Glaube inzwischen.

Dabei gehe es etwa um den kirchlichen Umgang mit Homosexualität, der ihm oft nicht liberal genug war. Auch habe er in Würzburg erlebt, wie von kirchlicher Seite Druck auf junge Menschen ausgeübt wurde. Diese sollten sich deutlicher zum Glauben bekennen, aufhören zu zweifeln und zu zögern. In Ben löste dies Widerstände aus, er begab sich auf eine Suche, an deren Ende die City Church stand.

Auch in der City Church gehört Musik zum Gottesdienst.
Foto: FABIAN GEBERT | Auch in der City Church gehört Musik zum Gottesdienst.

"Glaube. Leute. Bier." lautet das Motto des Abendgottesdienstes der City Church. Eine Kirche für Menschen, die herkömmliche Kirchen nur selten oder nie besuchen, will sie sein. "Wir lassen den Leuten ihre Freiheit. Der Glaube des Einzelnen spielt eine große Rolle", sagt Lisa Klingelhöfer. Die 27-Jährige ist die zweite Pastorin der City Church. Das besondere an ihrer Kirche sei die Offenheit. Jeder sei eingeladen, mitzuhelfen und die Strukturen zu prägen. Man könne aber auch einfach vorbeischauen und dabei sein, ohne sich zu binden. Individuelle Freiheit stehe im Mittelpunkt, als Kirche sei es wichtig, den Zeitgeist nicht auszublenden.

Zeitgeist spielt eine große Rolle in Christoph Schmitters Predigt an diesem Sonntag. Um den Besuchern seine Interpretation des Römerbriefes näherzubringen, bedient er sich aktueller Populärkultur. Mit Hilfe eines Beamers projiziert er Bilder aus der Fernsehserie "Game of Thrones" an die Wand. Er beschreibt die religiösen Strömungen und Symboliken der Serie, die seiner Meinung nach für Themen des echten Lebens stehen. Dabei legt er etwa den Fokus auf eine der Hauptpersonen, Daenerys Targaryen. Diese ist als Mutter der Drachen, verlassen von den Göttern, alleine für ihr Wohlergehen in einer grausamen Welt verantwortlich. Sein Rat an die versammelte Gemeinde: Glaube sei nicht erzwingbar. Menschen die sich von Gott alleine gelassen fühlen, sollten das akzeptieren und deswegen nicht an ihrem Glauben zweifeln.

'Wir sind keine Kirche für jedermann', sagt der 24-jährige Ben Böck City (rechts).
Foto: FABIAN GEBERT | "Wir sind keine Kirche für jedermann", sagt der 24-jährige Ben Böck City (rechts).

"Die Suche nach Gott ist der verbindende Aspekt unserer Gemeinde", findet Ben. Obwohl ihm die "Game of Thrones"-Analogie etwas zu abstrakt ist, mag er den Stil der City Church. Kritik und Auseinandersetzung seien hier willkommen. Trotz aller popkulturellen Einflüsse sei die City Church keine Showkirche, es gehe um Inhalte.

Verpackt werden die Inhalte von Pastor Christoph Schmitters jedoch durchaus showbewusst. Seine Predigt klingt in weiten Teilen wie ein Poetry Slam. Er spielt mit dem Rhythmus seiner Worte, baut Kunstpausen ein, konstruiert verschachtelte Kunstsätze und visualisiert seine Anekdoten durch die PowerPoint-Präsentation im Hintergrund. Eine Geschichte über eine befreundete Augustiner-Nonne bebildert er etwa mit dem Etikett einer Augustinerbierflasche. Das Publikum lauscht seinem Auftritt fasziniert, als er am Ende zu Fragen und Diskussion aufruft, bleibt es jedoch stumm.

"Wir sind keine Kirche für jedermann", wiederholt Ben einige Tage später bei einem Gespräch. Er hat den Sonntagabend inzwischen reflektiert und zieht Bilanz. "Die Modernität der City Church ist ein Spagat", sagt er. Nicht jeder würde sich gleichgut mit popkulturellen Themen auskennen, das mache den Zugang für manche schwer. Für den Moment habe er mit seinem Glauben bei der City Church jedoch eine Heimat gefunden, bei der er sich wohlfühle. Eine Kirche sei außerdem nicht zwangsläufig für immer, schließlich höre Glaube nie auf, sich zu entwickeln.

In der Serie "Würzburg anders erleben" stellt die Redaktion in loser Folge Lebensentwürfe sowie kulturelle, religiöse und politische Aktivitäten in Würzburg vor. 

 
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