Als er vor etwas mehr als 20 Jahren die Stelle als Chefarzt der Chirurgie am Juliusspital antrat, richtete er sein Büro gemütlich ein. Von seinem Schreibtisch aus hatte es ihm besonders der Blick auf das Rundgewölbe an der Decke angetan. Genau diesen Blick wird er in Zukunft vermissen. Anfang Juli verabschiedet sich Professor Dr. Ekkehard Schippers in den Ruhestand. "Ich habe mich hier sehr wohl gefühlt hinter diesen historischen Mauern", sagt der 65-Jährige lächelnd.
Fast lässig wirkt Schippers beim Gespräch mit dieser Redaktion in seinen Jeans, dem weißen Hemd und den schwarzen Slippern. Ein Erfolgsmensch ist er, der am Bodensee geboren wurde, in Offenbach am Main aufwuchs und nach dem Abitur in Frankfurt Medizin studierte. Ein Marathonläufer und Triathlet. Auch beruflich hat er das Ziel stets vor Augen, sprachgewandt, leistungs- und lösungsorientiert und kommunikativ. Manchmal wirkt er vielleicht ein bisschen arrogant, aber nicht ohne eine gewisse Portion Humor zu beweisen. Er verheimlicht auch nicht, dass er Lob und Anerkennung braucht, ja, fast absorbiert.
"Als Chirurg werden die Erfolge, aber auch die Misserfolge schnell sichtbar", sagt der 65-Jährige. 2019 wurde Schippers auf der Focus-Ärzteliste als einer der Top-Mediziner Deutschlands, unter anderem im Bereich der Hernienchirurgie (die Behandlung beim Austritt von Eingeweiden aus der Bauchhöhle, beispielsweise beim Leistenbruch), hervorgehoben.
Sein Ziel: Chefarzt werden
Am Anfang des Studiums reifte in Schippers der Wunsch, sich als Mediziner selbstständig zu machen, um von niemandem abhängig zu sein. Doch die Leidenschaft, die er für die Chirurgie entwickelte, funkte dazwischen. Das war im Jahr 1978, als Schippers am Stadtkrankenhaus Offenbach als junger Assistenzarzt arbeitete: "Ich war in der unfallchirugischen Abteilung, und man hat mich dort viel mitarbeiten lassen", erzählt er. Da war klar: "Als Chirurg muss ich ans Krankenhaus, und wenn, dann mit dem Ziel Chefarzt."
Schon zu dieser Zeit verschlug ihn ein Bewerbungsgespräch nach Würzburg ans Juliusspital. Der Chefarzt dort fragte ihn: "Haben Sie gedient?" Das musste Schippers, der ausgemustert worden war, verneinen. "Kommen sie wieder, wenn Sie gedient haben", war die Antwort, bei der Schippers noch heute den Kopf schüttelt. Und er kam wieder - im Jahr 1998. Zunächst aber führte ihn sein Weg an die Universitätsklinik Aachen und später zu Forschungszwecken nach Leuven/Belgien. Denn: "Um Chefarzt zu werden, musste man damals habilitiert sein."
Es folgte der Facharzt an der Chirurgischen Universitätsklinik in München, doch das Schicksal zog ihn zurück nach Aachen. "Man kann wirklich sagen, dass ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort war", meint Schippers. Denn hier hängte er sich an die Fersen der Chirurgen Friedrich Goetz und Arnold Pier, die dabei waren, das minimal invasive Verfahren (siehe Infokasten) auf eine breitere Basis zu stellen. Während heute die so genannte Schlüsselloch-Therapie in vielen Bereichen, beispielsweise bei Blinddarmentzündungen, zum Standard gehöre, "ist es in den 80er Jahren eine Revolution gewesen", erklärt der Mediziner nicht ohne Stolz.
Als einer von vier Autoren verfasste er das erste deutschsprachige Lehrwerk für Ärzte zu dem neuartigen Verfahren unter dem Titel " Laparoskopische Chirurgie". Gleichzeitig kristallisierte sich auch seine Leidenschaft für die Hernienchirurgie heraus.
Auch wenn er als Arzt vielen Menschen geholfen und auch einigen das Leben gerettet hat, eine "Mutter Theresa" sei er keinesfalls, sagt Schippers. "Nur aus dem Anreiz heraus zu helfen, habe ich den Beruf nicht gewählt. Chirurg zu sein bedeutet für mich auch, immer wieder neue Herausforderungen anzunehmen, außerdem liebe ich das Handwerk der Chirurgie und auch die Anerkennung, die man bekommt." Dankbar sei er dennoch, dass die Chirurgie ihm ermögliche zu helfen.
Nicht nur die Krankheit im Fokus
Er erinnert sich gerne daran, als ihn eine ehemalige Patientin aufsuchte und sich bedankte, dass er ihr ein neues Leben geschenkt habe. "Sie hatte eine Muskelerkrankung der Speiseröhre und konnte vorher nur unter Schmerzen Nahrung zu sich nehmen", erklärt er. Aber auch genügend Trauriges hat er zu berichten. Besonders der Fall einer jungen Frau, "die unter meinen Händen verstarb, da es bei der Operation Komplikationen gab", hat ihn nie ganz losgelassen. Je mehr Routine man als Arzt habe, desto mehr Raum gebe es für Empathie dem Patienten gegenüber, so Schippers Erfahrung. "Dann steht nicht mehr nur die Krankheit im Fokus, sondern der Mensch."
Seit 21 Jahren ist der heute 65-Jährige Chefarzt der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie am Juliusspital, das seit 2017 mit der Missio-Klinik unter dem Dach des "Klinikum Mitte" vereint ist. Unter seiner Leitung und der des medizinischen Leiters Professor Dr. Wolfgang Scheppach wurde das Juliusspital als Darmzentrum (2008) anerkannt, es folgte die Pankreas-Chirurgie, vergangenes Jahr wurde die Klinik auch für die Behandlung von Tumorerkrankungen des Magens zertifiziert. Wichtige Voraussetzung für die optimale und individuelle Behandlung der Krebsarten sei die reibungslose Zusammenarbeit von Experten unterschiedlicher Fachrichtungen (Chirurgen, Gastroenterologen, Radiologen und Onkologen) innerhalb und außerhalb des Krankenhauses. "Wir haben viel erreicht in den vergangenen Jahren, darauf bin ich stolz", so Schippers, der auch gerne mal den Mund aufmacht, wenn ihm etwas nicht passt. "Das war nicht für alle bequem."
Vermissen wird er neben seiner Arbeit und dem Team auch das geschichtsumwobene Gemäuer und den täglichen Weg vom Parkhaus durch die Arkaden und den Innenhof des Juliusspitals in sein Büro. "Da hat man schon das ein oder andere Mal darüber nachgedacht, wie die Medizinerausbildung früher aussah." Ob Schippers die Chirurgie wirklich gänzlich für den Ruhstand aufgibt, bleibt fraglich. Eigentlich sprüht er vor Energie. Es habe bereits mehrere Angebote gegeben, verrät er lächelnd. Wie es weitergeht, werde sich zeigen. Eines ist sicher: Langweilig wird es bestimmt nicht und, egal, was er tut: Er wird seine Idee sicherlich zielstrebig verfolgen.