Der dunkle Monat Dezember ist auch immer eine Zeit der Kerzen und des Lichtes. Während christliche Familien in Würzburg am vergangenen Sonntag die erste Kerze ihres Adventskranzes brennen ließen, fand sich die jüdische Gemeinde im Zentrum Shalom Europa zusammen, um das erste Licht am Chanukka-Leuchter zu entzünden und gemeinsam zu feiern.
Das Lichterfest Chanukkasoll an ein Wunder erinnern, das sich im Jahr 164 vor Christus in der Provinz Judäa zugetragen haben soll. Die Seleukiden, Nachfolger Alexanders des Großen, hatten damals die Provinz besetzt, geplündert und den Tempel von Jerusalem entweiht. Nach einem erbitterten Kampf eroberten jüdische Freiheitskämpfer den Tempel zurück. Um den Tempel wieder einzuweihen, wollten sie die Lichter des rituellen Leuchters erneut entzünden, allerdings war nur noch genug Öl für einen einzigen Tag vorhanden. Neues Öl herzustellen dauerte sieben Tage, doch wie durch ein Wunder reichte das vorhandene Öl acht Tage lang.
"Bis heute ist das Öl ein wichtiges Symbol, es erinnert uns an die Geschichte", erklärt Alexandra Golosovski, langjähriges Mitglied der Würzburger Gemeinde. Aus diesem Grund würden an Chanukka vor allem fettige, in Öl gebackene Speisen verzehrt werden. So etwa die krapfenartigen Sufganiyot, von denen im Shalom Europa zahlreiche angeboten wurden.
Die jüdische Gemeinde war jedoch nicht nur für süßes Gebäck zusammengekommen, es ging um religiöse Riten, sozialen Austausch und kulturelles Programm. Neun Kerzenhalter hat die Chanukkia, der spezielle Leuchter, der nur für dieses Fest benutzt wird. Die neunte Kerze, der sogenannte Diener, ist dafür da, die acht Kerzen, die die acht Tage ohne Öl symbolisieren, zu entzünden. Jeden Tag eine, bis das Fest schließlich am 10. Dezember wieder vorbei ist.
In der Würzburger Gemeinde ist es die Aufgabe der Kinder, das erste Licht zur Chanukkia zu bringen. In einer Reihe schlängelten sie sich durch den Saal, Kinder und Jugendliche mit Kerzen in der Hand. "Kinder sind unser Licht, es ist also nur logisch, dass sie das Licht zur Chanukkia bringen. Wir hoffen, dass die Chanukka-Kerzen Licht und Hoffnung in unser Leben bringen", erklärte eines der Gemeindemitglieder, das die Prozession von der Bühne aus begleitete.
Der Großteil der jüdischen Gemeinde in Würzburg immigrierte in den 90er Jahren
Sie sagte das auf Deutsch, übersetzt wurde es dann von Gemeinderatsmitglied Vladlena Vakhovska ins Russische. Der Großteil der jüdischen Gemeinde in Würzburg immigrierte in den 90er Jahren aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland. So auch Alexandra Golosovski, damals 41 Jahre alt. "Die ersten zehn Familien kamen drei Tage vor Weihnachten, das war ein Chaos damals." So wirklich gläubig sei sie damals nicht gewesen, die Juden in der Sowjetunion hätten ihre Religion und ihre Riten nie gelernt, ihr sei das erst hier in Würzburg beigebracht worden. Heute sei sie religiös, das treffe aber nicht auf alle Gemeindemitglieder zu. Viele würden am Gemeindeleben teilnehmen, die religiösen Gebote daheim aber nicht leben. "Das ist absolut jüdisch. Wir genießen die Gemeinschaft, privat macht dann aber jeder was er will."
Diese Zwiespältigkeit zwischen traditionellem Gemeindeleben und moderner Gemeinschaft zeigte sich auch auf der Bühne der Chanukka-Feier. Die Kinder und Jugendlichen der Gemeinde improvisierten ein Theaterstück, bei dem es um religiöse Botschaften ging und das auf Deutsch und Russisch vorgetragen wurde. "Die Kinder sprechen schreckliches Russisch, ihr Deutsch ist viel besser", sagte Gemeindemitglied Alexandra Golosovksi. Das würde auch daran liegen, dass sie sich lieber an die Mehrheitsgesellschaft anpassten, als durch Andersartigkeit aufzufallen. Auch wenn es an Würzburger Schulen bisher keine nennenswerten antisemitischen Übergriffe gegeben habe, würden die Kinder doch mitkriegen, was im Rest des Landes vor sich gehe.
Riesiger Applaus und Anfeuerungsrufe im ganzen Saal
Riesigen Applaus und Anfeuerungsrufe im ganzen Saal gab es dann schließlich bei einer modernen Tanzvorführung, die drei jugendliche Gemeindemitglieder vorführten. Zu aufgeheizten Elektrobeats, hebräischem Rockgesang und an die Wand projizierter israelischer Flagge sprangen sie auf die Bühne und brachten mit ihrer Choreografie auch einige ältere Gemeindemitglieder zum rocken.
"Darum geht es an Chanukka. Zusammenkommen, Traditionen pflegen und gemeinsam feiern", erklärte Alexandra Golosovski zufrieden.