Ein Elektroauto, das ist was für Leute, die nicht weit fahren. Denkt man. Als sich Farroch Radjeh vor gut einem Jahr einen Tesla Model S gekauft hat, hat ihn seine Familie für bekloppt erklärt. Denn der Catering-Unternehmer aus Eibelstadt (Lkr. Würzburg) spult im Jahr mehr als 80 000 Kilometer runter.
Die kalifornische Elektro-Limousine kommt laut Hersteller am Stück 500 Kilometer weit, realistisch aber eher 330. Ständige Geschäftstermine in Berlin, Hamburg, München – wie soll das gehen mit einem Auto, das ständig an die Steckdose muss? Mit der Beherrschung der Grundrechenarten, Müsli aus der Tupperdose und echter Überzeugung. Ein Gespräch mit Probefahrt.
Farroch Radjeh: Niemals! Wenn Sie das Auto planlos fahren, ist es das falsche Auto für Sie. Dann sollten Sie aufs Fahrrad umsteigen, das fährt eigentlich immer. Seit ich das Auto habe, bin ich permanent am Rechnen. Sie machen immer irgendeinen Dreisatz, sie addieren, zählen, multiplizieren. Ich bin 60 Jahre alt und überzeugt, dass mein Hirn zehn Jahre jünger geworden ist.
Radjeh: Ich weiß zum Beispiel genau, wo ein „Supercharger“ (Tesla-eigene Schnellladestation mit 100 Prozent Ökostrom, Anm. d. Red.) steht – oder das Auto sagt es mir. Als ich das Auto bekommen habe, gab es deutschlandweit vier davon, da haben Sie für die Planung echt Abitur gebraucht. Aktuell gibt es 41, das funktioniert problemlos. Am Autohof Geiselwind steht einer und in Gramschatz an der A7. Ich fahre zu Hause meistens so mit 130 Kilometern Restreichweite los.
- So erlebe ich die Fahrt im Elektroauto: Farroch Radjeh nimmt das Smartphone in die Hand, startet die Tesla-App und checkt am Schreibtisch die Akkus: 170 Rest-Kilometer. Die kleine Probefahrt von Eibelstadt zum Gramschatzer Wald ist 30 Kilometer weit. Genug Saft also, um per App auch noch die Klimaanlage auf 22 Grad voreinzustellen. Das Auto sieht innen aus wie ein Raumschiff, vor allem wegen des mehr als DIN-A4-Blatt großen Touchscreens in der Mitte.
Sie starten nicht mit vollem Akku? Davon bin ich jetzt fest ausgegangen.
Radjeh: Ich könnte. Aber ich bin ja Kaufmann. Mit Kauf des Autos habe ich ein Autoleben lang kostenloses Laden an jedem Supercharger gekauft. Wenn ich zum Beispiel nach München fahre, dann lade ich nach 50 Kilometern in Geiselwind und weiß schon, das nächste Mal fahre ich 190 Kilometer weiter in Schweitenkirchen in der Holledau ran. Ich lade in Geiselwind so für 300 Kilometer, dann kann ich zwischen 160 und 180 Stundenkilometer fahren und habe immer noch eine Reserve.
Radjeh: Auf jeden Fall. Wenn Sie das nicht wollen – Finger weg von diesem Auto. Aber wenn Sie begeistert sind davon, dann her damit. Wenn ich früher nach Hamburg musste, bin ich in viereinhalb Stunden gefahren. Wie ein Bekloppter. Heute brauche ich definitiv eineinhalb Stunden Lade-Pause auf der Strecke. Aber wenn ich ankomme, bin ich frisch und entspannt. Das ist es mir wert, das schwöre ich Ihnen.
- Der Selbsttest: Wenn man das Auto kennt, dann ist man vielleicht frisch und entspannt. Ich bin doch etwas nervös, als ich das 114 000 Euro teure und 421-PS-starke Gefährt auf die B 19 Richtung Autobahn lenke. Als ich beschleunige, drückt es mich in den Sitz wie in einem startenden Flieger. Dadurch, dass die 600 Newtonmeter Drehmoment aus dem Stand anliegen, entfaltet das Auto seine Kraft sofort. Auf der Autobahn zieht ein Lkw raus, ich muss bremsen. Beziehungsweise das Gas loslassen. Das Auto „rekuperiert“ von selbst, holt aus kinetischer Energie wieder elektrische Energie zurück. Ein bisschen gruselig, wenn man das nicht gewohnt ist. Als wir zum Autohof Gramschatzer Wald rausfahren, wird das Bremspedal erst gedrückt, als wir unmittelbar am Supercharger halten. Radjeh steckt das Auto an, grüne LEDs blinken, im Hintergrund die große Anzeige mit den (wieder gestiegenen) Spritpreisen.
So, und jetzt? Wie nutzen Sie diese Zwangspausen?
Radjeh: Gestern habe ich mir auf dem Weg nach München zum Beispiel meine Teekanne und mein Müsli ins Auto gestellt und habe dann in Geiselwind gefrühstückt. In Schweitenkirchen habe ich mich dann in Ruhe um meine Mails gekümmert. Früher habe ich, man darf es ja keinem erzählen, während der Fahrt aufs Display gelinst, vielleicht sogar per Siri-Spracheingabe geantwortet. Jetzt weiß ich genau, dass ich gleich eine halbe Stunde Zeit dafür habe. Es ist alles drin, man muss es nur wollen.
Radjeh: Ich bin sehr technik-affin, vor allem im Bereich Automobil. Außerdem bin ich schon ein Mensch, der sich über die Umwelt Gedanken macht. Ich habe zum Beispiel 1999 auf mein Dach eine Photovoltaikanlage gebaut. Und die Entscheidung hat nichts damit zu tun gehabt, welche Förderung ich wo und wie bekomme. Und es hat auch einen geschäftlichen Aspekt.
Wie sieht der aus?
Radjeh: Mein Sohn hat mal gesagt: „Der Tesla ist ein Statement.“ Er komplettiert das Bild unserer Firma FR-Catering als zertifizierte „Sustainable Company“ – als nachhaltiges Unternehmen. Und man kommt ins Gespräch. Ein Beispiel: Wir fragen immer vorher beim Veranstalter an, ob wir dort am Starkstromanschluss ein Elektroauto laden dürfen. In 99,99 Prozent der Fälle sagt der Auftraggeber dann „Das Auto möchte ich sehen!“ Und wissen Sie, was Sie normalerweise tun müssen, um als kleiner Caterer mit einem Vorstandsvorsitzenden auch nur zwei Worte zu wechseln?
- In der Tat, das Auto weckt Interesse. Keine zwei Minuten am Supercharger, und ein Mann sucht das Gespräch. Preis und Reichweite, das sind immer die ersten Fragen. Radjeh gibt bereitwillig Auskunft. Tue Gutes und rede darüber, das sagt er selbst.
Herr Radjeh, mit dem Auto bleibt man selten allein, oder?
Radjeh: Absolut. Hier hat neulich neben mir ein Polizeiauto mit zwei Beamten gehalten, die den Tesla anschauen wollten. Dann hält noch ein VW Bus mit einer Familie mit Sohn, die kommen auch alle rüber. Ich sage: „Ach, interessiert sich sogar schon der Kleine für das Elektroauto.“ Da lag ich aber falsch – der Junge wollte das Polizeiauto sehen.