
„Ehrlich gesagt“ steht vorne auf dem weißen Cover. Darüber in grau „Carolin No“. Und auf der Rückseite finden sich ausschließlich Songtitel in deutscher Sprache. Das ist neu. Denn bisher haben Caro und Andreas Obieglo auf ihren CDs überwiegend englischsprachige Songs veröffentlicht und nur vereinzelt mal ein Lied in deutscher Sprache eingestreut. Und jetzt eine ganze CD mit deutschen Texten. Wollen sie damit auf den Zug jener Bands aufspringen, die mit deutschsprachigem Pop Erfolge feierten? Wollen „Carolin No“ etwa die neuen „Silbermond“ oder „Wir sind Helden“ werden? Bei einem Redaktionsbesuch haben die beiden erfolgreichen Musiker erstmals über ihr neues Album gesprochen. Ganz offen und ganz ehrlich.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Fans von „Carolin No“ brauchen sich keine Sorgen zu machen, dass jetzt alles anders werden würde. Denn musikalisch sind sie sich treu geblieben. Melodischer Singer-Songwriter-Pop, mal opulent, mal minimalistisch, mal folkig, mal rockig, dazu die typischen Electro-Beats – der unverwechselbare Carolin No-Sound ist auch auf der neuen CD zu hören. Nur noch etwas differenzierter, noch nuancierter, noch ausgetüftelter und immer wieder mit überraschenden musikalischen Ideen gespickt.
Und, mal ehrlich gesagt, was hat es mit den deutschsprachigen Texten auf sich? „Wir haben sowohl deutsche als auch englische Songs aufgenommen“, berichtet Caro Obieglo vom mehrmonatigen Entstehungsprozess der CD im heimischen Studio. „Am Ende haben wird dann die englischen Songs einfach weggelassen, weil uns das stimmiger erschien“, so die Sängerin mit der ebenso variablen wie ausdrucksstarken Stimme. Das sei einfach so entstanden, eine Vorgabe, jetzt mal ganz gezielt nur deutsche Texte zu schreiben, habe es nicht gegeben.
Und dass Carolin No möglicherweise einem Deutsch-Pop-Trend hinterherlaufen könnten, davon will Andreas Obieglo schon gleich gar nichts wissen. „Wir haben bei Live-Konzerte ja schon immer deutsche Songs gespielt. Dass wir das jetzt eine ganze CD lang tun, ist überhaupt keine grundsätzliche, sondern nur eine temporäre Entscheidung. Und genau genommen war das ja eher ein anti-populärer Entschluss. Es war ja nicht von vornherein klar, ob Texte in der Art, wie wir sie jetzt geschrieben haben, automatisch verstanden werden würden“, erklärt Andi Obieglo.
Ganz offenbar werden sie verstanden. Denn weder unter den vielen CD-Vorbestellern noch im ersten Teil der seit Anfang März laufenden „Ehrlich gesagt“-Tour habe es Kritik an den neuen Texten gegeben, berichten die beiden Musiker. Im Gegenteil: „Die Reaktionen sind stärker als je zuvor, denn viele Leute im Publikum verstehen uns jetzt besser“, so Andi Obieglo.
Vertonte Gefühle
Tatsächlich hat das Musikerehepaar Obieglo für einige der Stücke einen besonderen und durchaus anspruchsvollen lyrischen Ansatz gewählt. Es sind nicht die typischen Singer/Songwriter-(Love)Stories, die sie erzählen, sondern ehe vertonte Gefühle anstatt vertonte Gedichte. „Das kann man so sehen“, findet Andi Obieglo. So gehe es beispielsweise im Titelsong um die Überforderung, die durch die mediale Überflutung entsteht. Oft wisse man gar nicht mehr, wie man Gefühle überhaupt ausdrückt. Im Text heißt dies dann: „Ehrlich gesagt/hab ich schon lange nichts mehr/ehrlich gesagt/und daran was zu ändern/ehrlich gesagt/kontinuierlich vertagt“.
Sie hätten beim Schreiben der Texte versucht, ganz intensiv in sich hineinzuhören, beschreiben „Carolin No“ den Prozess des Texteschreibens: „Wir haben Wort für Wort genau abgewogen, denn jedes Wort sollte genau das sein, was wir sagen wollten.“ Und außerdem: „Wenn wir schreiben, hat es auch was mit uns zu tun“ – das erklärt dann auch die für „Carolin No“ so typischen romantischeren Lieder, die sie, ganz ehrlich gesagt, auch schon mal füreinander schreiben.
Neben zwei bekannten Songs („City Lights“ und „Hearts“), die es bisher in deutscher Version noch auf keinem Studioalbum gab und die jetzt gut in die Liedersammlung passten, bietet die neue CD noch ein aus dem gewohnten Rahmen fallendes „Schmankerl“. „Mid Dia“ ist der erste Song auf einem „Carolin No“-Album, der ohne die Solostimme von Caro Obieglo auskommen muss. Und es ist der erste in bayerischer Mundart. Den Gesang übernimmt folgerichtig Andi Obieglo, der als gebürtiger und bekennender Niederbayer natürlich dafür prädestiniert ist, dieses Liebeslied zu singen.
Release-Konzert in Würzburg
„Die Idee dazu kam plötzlich so daher und wir waren zunächst nicht ganz sicher, ob die CD ein gutes Forum ist, das Lied zu präsentieren“, erzählt Andi Obieglo von anfänglichen Zweifeln. Die waren aber schnell zerstreut. „Wir haben nicht spekuliert, was die Leute hören wollen, sondern sind bei dem geblieben, was wir wollten“, ergänzt Gattin Caro.
Derzeit sind Carolin No wieder unterwegs, nachdem sie zunächst im hohen Norden Deutschlands ihre neue CD und bekannte Songs live präsentierten. „Richtig gut“ ist es gelaufen, erzählen sie und die vermeintlich „kühlen Nordlichter“ hätten sie ganz toll empfangen. Jetzt führt sie die „Ehrlich gesagt“-Tour, die von Deutschlandradio Kultur präsentiert wird, in den Südwesten und Westen des Landes, ehe sie sich dann langsam Würzburg annähern. Dort wird am 13. Mai im Mainfranken Theater das offizielle Release-Konzert für die neue CD stattfinden, das schon lange ausverkauft ist. Zumindest so gut wie. An der Abendkasse wird es noch ein paar wenige Stehplatz-Tickets geben. Wer früh genug da ist, hat also noch eine kleine Chance dabei zu sein.
Ab 13. Mai wird die neue CD auch in den regulären Handel kommen. Wer nicht so lange warten möchte, kann die Platte aber bereits jetzt über die Website www.carolin.no bestellen und erwerben.
„Ehrlich gesagt“: Alle Songs
Und das sind die einzelnen Lieder der neuen CD „Ehrlich gesagt“ von Carolin No: Tausendschön: Ein atmosphärischer Einstieg mit Country-Flair durch Banjo und Slide-Gitarre.
Surfer Girl: Eine typische gefühlvolle Carolin No-Ballade übers Gefühl, über die Wellen zu gleiten und zu fliegen – und die Gedanken fliegen mit.
Ehrlich gesagt: Ein Midtempo-Pop-Rock-Song über die Schwierigkeit in der heutigen Zeit der permanenten Reizüberflutung noch Gefühle auszudrücken. Die erste Single-Auskopplung aus dem Album.
Ohne Worte: Ein zweiteiliger Song, zunächst mit Worten, dann ohne. Die zarte und getragene Piano-Melodie zum Träumen und Nachdenken lässt durch elektronische Einsprengsel Pink-Floyd-Assoziationen zu.
Eins in Dur: Ein sehr privates und persönlicher Liebeslied im klassischen Carolin No-Stil vertont.
Immer wieder irgendwo: Eine Rock-Ballade mit Country-Einflüssen. Vielleicht der heimliche Radio-Hit der Scheibe und durchaus auch Single-tauglich.
Herz: „Hearts“ war bereits auf „Loveland Live“ zu hören. Jetzt in neuer Version mit deutschem Text.
Mid Dia: Eine Premiere: Andi Obieglo übernimmt den Leadgesang in diesem Liebeslied im Country-Stil mit bayerischem Text und der musikalischen Verlängerung „Encore“. Einfach nur schee.
Lichter unserer Stadt: Auch schon auf „Loveland Live“ in englischsprachiger Version als „City Lights“ erschienen. Eine zart instrumentierte Pop-Ballade, die dann rockig endet
Abend wird es wieder: Eine Art Fortsetzung von Andi Obieglos Solo-Zyklen mit klassischem deutschen Liedgut. Diesmal die Vertonung eines Textes von Hofmann von Fallersleben. Ein stimmungsvolles und romantisches Finale mit filigranen Electro-Beats modern interpretiert. Text: Karl-Georg Rötter