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WÜRZBURG
Café Pespektive: Stressfreiheit ist das A und O
Sie fühlt sich wohl im „Café Perspektive“ am Waldfriedhof: Karin Messelberger serviert Milchkaffee und Tee zum Frühstück.
Foto: Pat Christ | Sie fühlt sich wohl im „Café Perspektive“ am Waldfriedhof: Karin Messelberger serviert Milchkaffee und Tee zum Frühstück.
Pat Christ
Pat Christ
 |  aktualisiert: 17.10.2017 11:42 Uhr

Wilmas blauer Napf ist bereits mit Wasser gefüllt, die Hündin schlabbert selig. Derweil ist Karin Messelberger dabei, Tee und Milchkaffee für ihre drei Frauchen zuzubereiten. Die Studentinnen machten mit Wilma einen Spaziergang am Waldfriedhof und haben nun Lust auf ein leckeres Frühstück im „Café Perspektive“. In der vom Kreisverband Würzburg des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) betriebenen Einrichtung finden seelisch Erkrankte Menschen seit zehn Jahren einen Job.

Angetan mit einer schwarzen Kochuniform, ist Messelbergers Kollege Matthias Müller (Name geändert) in der Küche dabei, das Vital-Frühstück für die Studentinnen zu richten. Er schneidet Gemüse und kocht Eier, auch ist der selbst gemachte Kräuterquark ein wichtiger Bestandteil der beliebten Frühstückskreation. Noch ist es ruhig im Café. „Doch heute Nachmittag wird sicher einiges los sein“, weiß Messelberger, die seit knapp zwei Jahren im „Café Perspektive“ tätig ist. Weil es hier stressfreier zugeht als sonst in der Gastronomie, macht es der 53-Jährigen, die an Depressionen leidet, Spaß, hier zu bedienen.

Stammtische willkommen

Eine Nussecke und ein Viertel Rotwein, das bekommt jeder der junggebliebenen Senioren aus dem fröhlichen Rentnerquintett, das an jedem Mittwoch zum Stammtisch im Café erscheint. Auch die älteren Herren schätzen es, dass es hier so gemütlich zugeht. Karin Messelberger kennt das auch ganz anders. Seit sie 18 ist, arbeitet sie in der Gastronomie. Früher geschah das oft unter enormen Druck. Dann wurde Messelberger, aufgrund privater Probleme, so schwer seelisch krank, dass sie in die Klinik musste. Fünf Jahre ist das nun her. Heute geht es ihr besser: „Doch müsste ich wieder unter Stress arbeiten, würde ich wohl wieder krank werden.“

Eine Kippbratpfanne wie in einer großen Hotelküche gibt es im „Café Perspektive“ nicht. Aber sonst findet Matthias Müller, gelernter Koch, in dem Integrationsbetrieb alles, was er braucht, um zufrieden arbeiten zu können. Auch bei Müller brach eine schwere Depression aus: „Das ist fast 15 Jahre her.“ Mehrmals war in der Klinik. Vor über zehn Jahren erhielt er erstmals einen Arbeitsplatz in einem Betrieb des sogenannten Zweiten Arbeitsmarkts. Doch die Firma musste schließen. Vor sechs Jahren fand Müller dann die Stelle im Café des BRK.

Hier kocht er fränkischen Sauerbraten und leckere Pastagerichte, außerdem zaubert er wunderbare Buffets. „Manchmal am Sonntag kochen wir 50 Essen“, erzählt der 39-Jährige. Drei- bis viermal in der Woche ist er von 9 bis 17 Uhr in der Küche des Cafés tätig. Im Gegensatz zu Karin Messelberger ist er fest angestellt. Messelberger hat einen sogenannten Zuverdienstjob: In 60 Stunden pro Monat verdient sie sich etwas zu ihrer befristeten Rente hinzu.

Neulich wartete Müller im „Café Perspektive“ mit einer tollen Maronentorte auf: „Ich hatte zufällig ein Rezept dazu gefunden.“ Die Idee, mit Esskastanien zu backen, stieß im Team auf Begeisterung. Genau das schätzt Müller an seinem Job: „Man kann hier seine Kreativität ausleben.“ In vielen konventionellen Küchen sei dies unmöglich. Da müsse genau nach Vorschrift gekocht werden.

Saisonale Küche

Erdbeerkuchen gibt es derzeit nicht - logisch, ist doch Winter. Das kümmert zwar viele Leute nicht. Das Team vom „Café Perspektive“ legt darauf aber schon Wert. „Wir kochen saisonal und mit frischen Lebensmitteln, die vorwiegend aus der Region stammen“, sagt Sybille Pechtl vom Organisationsteam.

Vor den Studentinnen stehen nun eine Tasse mit Milchkaffee und zwei Gläser Tee, gleich ist das Frühstück fertig. Im Kamin flackert ein Feuer. Ruhige Musik trägt zur angenehmen Atmosphäre bei. Karin Messelberger sieht, dass sich die Frauen wohlfühlen. Das ist schön. Dann werden sie vielleicht wieder kommen. Oder anderen von dem noch immer noch nicht allzu bekannten Café am Waldfriedhof erzählen.

Das Café Perspektive mit 60 Sitzplätzen ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Montag ist Ruhetag.

In den Sommermonaten lädt das Café seine Gäste zusätzlich auf die Sonnenterrasse, mit weiteren 40 Sitzplätzen zum Verweilen ein. Tel. (09 31) 7 84 62 04.

 
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