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WÜRZBURG
Café Ludwig: Vom Tanzlokal zum Club
Café Ludwig: Es war eine Institution im Würzburg der Nachkriegszeit. Im ersten Stock traf man sich zum Ball der einsamen Herzen. Und für die Nachtschwärmer gab es hier bis weit in die Nacht was Warmes zu essen.
Als man drinnen noch rauchte: Im Ludwig trafen sich einsame Herzen.
| Als man drinnen noch rauchte: Im Ludwig trafen sich einsame Herzen.
Von unserem Mitarbeiter Stefan Römmelt
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:42 Uhr

Udo Weigand freut sich. Am 13. Januar werden im „Tanzcafé Ludwig“ Glasfenster eingesetzt. „Dann können die Clubbesucher wieder vom ersten Stock nach unten gucken“, sagt Weigand. Der 58-Jährige hat das Haus in der Kaiserstraße von seinem Vater Kurt geerbt. Der Name des Lokals erklärt sich aus seiner Historie: 1926 hatte Großvater Otto Weigand das „Café Polander“ in der Ludwigstraße 1 erworben und als „Café Ludwig“ 1948 in der Kaiserstraße neu eröffnet. 1951 übernahm dann Kurt Weigand das Café und verlegte es 1965 vom Erdgeschoss in den ersten Stock.

Als Sohn Udo Weigand 1989 das Traditionslokal mit Livemusik übernahm, war die große Zeit allerdings vorbei. „Nach unserem großen Umbau 1990 ist es von Jahr zu Jahr mit dem Geschäft bergab gegangen“, erzählt der Hauseigentümer. 1991 blieben die Türen des Tanzlokals am Sonntag zu. 1992 spielten die Kapellen nur noch von Mittwoch bis Samstag.

Und als die Kaiserstraße zur Fußgängerzone wurde und die Parkplätze wegfielen, war das Ende nahe: 1993 konnten sich Tanzwillige noch von Donnerstag bis Samstag, ab 1995 nur freitags und samstags vergnügen. Das Ende des Tanzbetriebs kam 1996: „Wir hatten mit Livemusik gegen die Diskotheken keine Chance mehr. Früher hatte jedes Hotel eine Pianobar.“

Weigand erinnert sich an einige gute Bands, die er in ganz Deutschland castete und schon ein Jahr im voraus buchen musste. Vor einem Auftritt der „Jets“ beispielsweise hätten sich am Freitag- und Samstagabend schon um 18 Uhr in der Kaiserstraße Schlangen gebildet: „Wenn die gespielt haben, mussten wir zwei Leute an die Tür stellen, damit sie nicht unser Lokal stürmen. Um halb acht war abends das Lokal voll.“ Mitte der 1980er Jahren war oft Otto Komol zu Gast. Die fünf Musiker kamen von der Nordsee und spielten vor allem deutsche Schlager wie „Wir sind alle kleine Sünderlein“. Häufig traten damals auch die „Red Stars“ auf. Auf dem Programm standen Roy Black, Rex Gildo und Udo Jürgens, aber auch die Beatles und Rolling Stones. Die Anforderungen an die Musiker seien hoch gewesen, sagt Weigand: „Die mussten alles können. Die einen wollten einen Walzer haben, die anderen einen Beat, und die dritten einen Cha Cha Cha.“

„Je langsamer die Musik,

desto voller die Tanzfläche.“

Hausbesitzer Udo Weigand erinnert sich an Hoch-Zeiten

Genau erinnert sich der Hausbesitzer auch an zwei, drei Pärchen auf der fast leeren Tanzfläche, wenn Rock ’n’ Roll angesagt war. „Es waren schon ein paar tolle Tänzer dabei.“ Generell habe aber das Prinzip gegolten: „Je langsamer die Musik, desto voller die Tanzfläche.“ Denn Langsames sei gut für „Schmusereien und Drücken“ gewesen. Das „Ludwig“ war ein beliebter Treffpunkt. Beim „Ball der einsamen Herzen“ machten sich junge, abenteuerlustige und geschiedene Frauen auf die Suche „nach etwas Neuem“, blickt der Besitzer zurück. „Wenn früher jemand beim Tanzen eine Frau kennen gelernt hat, hat er sie an die Bar eingeladen.“ Cocktails oder einen Piccolosekt „Café Ludwig Hausmarke“ wurden dann gerne getrunken. Auf dem Etikett: ein großes L vor einer Würzburger Stadtansicht. Stammkunden waren aber auch tanzfreudige Pärchen um die 30, 40, berichtet Weigand.

Bereits um elf, zwölf Uhr abends seien die ersten Gäste nach Hause gegangen. Kurz danach kamen die ersten Nachtschwärmer aus anderen Lokalen. „Die Betrunkenen, die die Treppe hinunter gefallen und immer wieder aufgestanden sind“, erzählt Weigand. Ein Alleinstellungsmerkmal des „Café Ludwig“: die warme Küche bis weit in die Nacht. „Wir waren die einzigen in Würzburg, die bis zwei Uhr gehobene Kleingerichte wie Steaks und Geschnetzeltes serviert haben.“ Zu stattlichen Preisen, die 300 Gramm schweren Steaks kosteten 20 Mark.

Serviert wurden die Speisen vom Stammpersonal, das zehn oder auch 20 Jahre für Weigands Vater arbeitete. „In den 50er Jahren haben Frank und Wolf bedient. Das waren richtige, charmante Kellner, die jeden unserer Gäste mit Namen angesprochen haben.“ Vor kurzem sei Rudi Seiler gestorben, der von 1965 bis um 1990 die Bar betreut habe und eine Institution in Würzburg gewesen sei: „Der hat jeden gekannt.“

2007 schloss Udo Weigand das Tagesrestaurant, zwei Jahre später kehrte neues Leben in den ersten Stock ein: Aus dem Tanzlokal wurde ein Club. „Uns haben Historie, Raumaufteilung, Stil und Lage ziemlich gut gefallen“, sagt Pächter Mischa Steigerwald. Nicht überlebt haben den Umbau der Springbrunnen und die alte Kuchentheke. Geblieben sind die Sitzrondelle aus den 1960er Jahren. Und es gibt noch eine Kontinuität, sagt der Event-Gastronom: „Wo jetzt der DJ auflegt, hat früher die Tanzkapelle gespielt.“

Ein Bild aus den Anfängen: Otto Weigand eröffnete das „Café Ludwig“ 1948 in der Kaiserstraße. 1951 übernahm dann Kurt Weigand das Tanzcafé und verlegte es 1965 vom Erdgeschoss in den ersten Stock.S: WEIGAND
Foto: Foto | Ein Bild aus den Anfängen: Otto Weigand eröffnete das „Café Ludwig“ 1948 in der Kaiserstraße. 1951 übernahm dann Kurt Weigand das Tanzcafé und verlegte es 1965 vom Erdgeschoss in den ersten Stock.S: WEIGAND
Als noch flambiert wurde: Im „Ludwig“ konnte man gut speisen.
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Als die Liveband spielte: Tanzvergnügen im Café.
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