Der Paragraf 219a StGB, der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche aus wirtschaftlichen Interessen und in "grob anstößiger Weise" verbietet, ist gestrichen. Der Bundestag hat vor Kurzem das Werbeverbot für Abtreibungen gekippt. Viele Ärztinnen und Ärzte, Aktivistinnen und Aktivisten oder Politikerinnen und Politiker haben lange dafür gekämpft. Unberührt davon bleibt Paragraf 218, der einen Schwangerschaftsabbruch unter Strafe stellt. Was sagen Menschen aus Würzburg dazu?
Sina Bähr, in Immobilienbranche tätig
"Ich finde es hervorragend, dass der Paragraf 219a abgeschafft worden ist, weil ich überzeugt bin, dass es öffentlich thematisiert werden sollte, auch in Form von Werbung der Ärzte. Trotzdem sollte die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch hinterfragt werden und man sollte auch gewisse Prozesse durchlaufen. Deswegen ist eine Aufklärung von den Ärzten auch zwingend erforderlich. Es sollte die Einholung der nötigen Informationen zum Schwangerschaftsabbruch genauso öffentlich zugänglich sein wie zu jedem anderen Thema auch - sei es Drogenentzug, Chemotherapie ohne Ähnliches. Man sollte den Frauen die Chance an Informationen zu kommen auch nicht nehmen, indem man keine Werbung machen darf und auch nicht darüber spricht."
Jan Scheffel, Student
"Ich finde es schade, dass das Thema Schwangerschaftsabbruch so wenig in der Öffentlichkeit steht und eher noch geheim gehalten wird. Es ist sehr gut, dass das Bewerben jetzt möglich ist, um einfach den Zugang zu erleichtern für die Person, die das Angebot nutzen möchte. Ich würde mir wünschen, dass mit dem Thema Abtreibung offener und transparenter umgegangen wird. Zugänge müssen geschaffen werden, Angebote, Informationsmaterial und Aufklärung muss sichtbarer sein und dazu gehört eine Werbung, um das Ganze an die Öffentlichkeit zu bringen."
Christopher Kiesel, Architekt
"Parallel ist das in Amerika ja auch gerade Thema und dort wurde die gegenteilige Entscheidung getroffen und die Abtreibung erschwert. Von meinem inneren Gefühl her sehe ich Abtreibungen sehr kritisch. In der Vergangenheit habe ich es schon erlebt, dass Frauen Schwangerschaftsabbrüche leichtfertig als Verhütungsmittel benutzt haben und immerhin sterben da die schützenswertesten und wehrlosen kleinen Menschen, die man sich vorstellen kann, ein kleiner Fötus. Deswegen sehe ich diese Liberalisierung mit keinem guten Gefühl. Ich bin für eine eher konservativere und striktere Einstellung.
Eva Quast, Förderlehrerin an der Grundschule Heuchelhof
"Keine Frau macht eine Abtreibung zum Vergnügen. Ich habe damals eine Freundin wegen ihres Schwangerschaftsabbruchs nach London begleitet. Damals war es noch ein Tabuthema. Meine Mutter hat immer gesagt: 'Früher hatten wir beim Sex mehr Angst als Vergnügen.' Das Thema Abtreibung müsste doch heutzutage in unserer zivilisierten Gesellschaft viel lockerer gehandhabt werden. Es ist absolut wichtig, dass ungewollt Schwangere sachkundig beraten und gut unterstützt werden. Deswegen halte ich es für gut, dass der Paragraf 219a abgeschafft worden ist und die Ärzte für mehr Informationen und Aufklärung sorgen können."
Franz Storandt, Student
"Ich finde es ausgezeichnet, dass der Paragraf 219a endlich gestrichen wurde. Es ist ein wichtiges Thema, über das gesprochen und für das auch geworben werden sollte. Vor allem bei jüngeren Leuten kann es immer passieren, dass sie unerwartet schwanger werden und da ist es wichtig, dass Ärzte auch dafür werben können, dass sie Schwangerschaftsabbrüche machen. Was ich sehr wichtig finde, ist die Aufklärung darüber."
Teresa T., Juristin
"Ich finde die Aufhebung vom Paragraf 219a sehr gut, weil den Frauenärzten jetzt endlich auch legal die Möglichkeit eingeräumt wird, über einen Schwangerschaftsabbruch aufzuklären. Wobei man sagen muss, dass sie das wahrscheinlich vorher auch illegalerweise getan haben. Somit ist es zur Klarstellung eine schöne Sache und vollkommen richtig. Man könnte vielleicht noch gewisse Maßstäbe setzen, inwieweit da eine Aufklärung stattfinden muss. Ob das dann im Strafgesetzbuch stehen muss, das würde ich jetzt mal bezweifeln, da kann man von der Ärztekammer irgendwelche Richtlinien schaffen."
Michael Kick, Student
"Es ist eine wichtige Entscheidung, dass man jetzt über die medizinischen Maßnahmen besser informiert werden kann. Aber es bräuchte noch weitergehende Entscheidungen. Man müsste auch an den Paragrafen 218 ran und da eine gute rechtliche Grundlage schaffen. Aber es ist immerhin mal was, dass das nach 16 Jahren CDU möglich geworden ist. Das ist schon mal ein guter Schritt. Momentan ist es eine halb gare Lösung: Man sagt, es ist strafbar, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen, aber es wird nicht verfolgt, wenn man das Beratungsangebot annimmt. Da bräuchte es eine gute rechtliche Lösung, dass es ganz legal und auch in der Fläche möglich ist. Ich komme aus der Oberpfalz und da gibt es nur in Regensburg Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Das ist für eine grundlegende medizinische Versorgung einfach zu wenig."
Christine Lockner, Lehrerin
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass durch die Abschaffung des Paragrafs 219a die Ärzte und Kliniken jetzt mit Abtreibung Werbung machen, das halte ich für unwahrscheinlich. Ich könnte mir vorstellen, dass es auf den jeweiligen Internetseiten dezent zu lesen ist, dass man einen Schwangerschaftsabbruch durchführen kann, eher informativ, nicht als Werbung. Ich finde, dass man das Recht auf Abtreibung hat, wenn es die Situation erfordert, aus welchen Gründen auch immer. Die Verhältnisse von Amerika möchte ich nicht haben, dass man zum Beispiel nach Kalifornien reisen muss, wo ein Schwangerschaftsabbruch noch erlaubt ist, das finde ich nicht in Ordnung."
Katharina Häger, Studentin
"Ich finde es gut, dass der Paragraf 219a gestrichen worden ist. Dementsprechend kann ich auch die USA nicht verstehen, die am selben Tag darüber komplett anders entschieden hat. Gerade als Frau ist es mir wichtig, dass ich über meinen Körper selbst entscheiden darf. Ich finde es in Ordnung, wenn man dafür wirbt, weil man, wenn man sich dafür entscheidet, auch informiert werden muss."
Brigitte Burrichter, Universitäts-Frauenbeauftragte
"Prinzipiell finde ich die Abschaffung des Paragrafen 219a gut. Was mich stört, sind die Formulierungen. Häufig geht es gar nicht um eine Werbung für die Abtreibung, sondern um das Angebot und ich finde, dieses Angebot sollte bekannt gemacht werden dürfen."
- Ich bin mir nicht sicher, ob die Auswahl der Befragten repräsentativ ist.
- Aus einigen Stellungnahmen (v.a. von jüngeren Menschen, die sicher als Männer gelesen werden wollen) geht hervor, dass sie die gewonnene Informationsfreiheit als Recht auf Werbung interpretieren - das ist ja von den Ampelparteien, allen voran Justizminister Buschmann, nicht so intendiert. Diese Befragten sehen eine ungewollte Schwangerschaft als nun noch leichter zu korrigierende Panne beim einvernehmlichen Geschlechtsverkehr an.
- Einige sagen, dass sich KEINE Frau eine Abtreibung leicht macht. Diese - ohnehin kühne - Behauptung wird auch durch manche Aussagen konterkariert. Und Prominente wie die Sängerin Phoebe Bridgers sagen sinngemäß, dass das ein ganz normaler medizinischer Eingriff sei, über den sie nicht grüß nachgedacht habe.
- Der Wertewandel wird über kurz oder lang dazu führen, dass auch der Paragraph 218 fallen wird.
Anton Sahlender, Leseranwalt
Diese ganze Diskussion der alten weißen Männer um das Recht der Frau, selbst über ihren Körper im Fall einer Schwangerschaft zu entscheiden, ist einfach nur peinlich.
Es läuft doch im Kern darauf hinaus, dass den Frauen die Fähigkeit abgesprochen wird, selbst eine verantwortungsvolle Entscheidung treffen zu können.
Und das, liebe Herren der Schöpfung, ist im Jahr 2022 einfach nur ein furchtbares Armutszeugnis.
Man muss sich ja für das eigene Geschlecht schämen …
Das liest sich in meinen Augen, als würde man sich bemühen, bewusst auch Gegenstimmen darzustellen, die so in dem Maße aber gar nicht vorhanden sind.
Nur eine Kleinigkeit hier, aber das ständige bemühen "Uneingenommen" zu wirken, kann auch zu einer falschen Gewichtung führen!
Anton Sahlender, Leseranwalt. www.mainpost.de/leseranwalt
kennt noch jemand das 1. gebot?
Nach Auffassung der unterzeichnenden Richterin ist die Weigerung der Schwangeren, die Menschwerdung ihrer Leibesfrucht in ihrem Körper zuzulassen, nicht allein nach dem natürlichen Empfindungen der Frau, sondern auch rechtlich etwas wesentlich anderes als die Vernichtung selbständig existenten Lebens. Schon deswegen verbietet es sich von vornherein, die Abtreibung im ersten Stadium der Schwangerschaft mit Mord oder vorsätzlicher Tötung prinzipiell gleichzustellen. Erst recht ist es verfehlt, wenn nicht unsachlich, die Fristenlösung in die Nähe der Euthanasie oder gar der "Tötung unwerten Lebens" zu rücken, um sie von daher zu diskriminieren - wie dies in der öffentlichen Diskussion geschehen ist.
Mit solchen Aussagen betreiben Sie nichts anderes als Diskriminierung von Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden haben.
Für mich ist eine Abtreibung aber genau das, was es laut BVG nicht ist - die Tötung eines Menschen, der genetisch ein absolut eigenständiges Wesen ist - und zwar ab dem Moment der Empfängnis!
Die Organismen sind miteinander verbunden – der gesamte Stoffwechsel läuft über den Körper der Mutter. Bis zur Geburt bildet der Fötus eine biologische EINHEIT mit der Mutter. Und in 50 bis 70% (!) aller Fälle endet das mit einer Fehlgeburt!
Es ist aus meiner Sicht schon sehr, sehr fragwürdig, einer Schwangeren irgendwelche Vorschriften darüber machen zu wollen, wie sie mit dieser Situation umgeht.
Ich halte es für absolut ungemessen und vollkommen absurd, einen (insbesondere frühen) Schwangerschaftsabbruch thematisch auch nur in die Nähe eines Tötungsdeliktes zu stellen.
Und was den Verweis auf die 10 Gebote angeht: das lassen Sie mal besser ganz stecken – denn wenn wir anfangen, unsere eigene religiöse Überzeugung zur Maxime für andere Menschen zu erheben, dann ist die Säkularisierung gescheitert und wir sind auf dem Weg zurück ins Mittelalter …
95% der Abtreibungen haben mit Vergewaltigung/sexueller Nötigung rein gar nichts zu tun!
Ja, ich bin auch absolut für das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Frau - jede Frau und jeder Mann sollen absolut frei die Möglichkeit haben, ob sie Geschlechtsverkehr wollen - mit wem sie Geschlechtsverkehr wollen - ob sie dabei Kinder in die Welt setzen wollen oder nicht - aber bitte VOR dem Sex - bzw. verantwortungsvoll BEIM SEX mit dem Thema umgehen.
Und nicht einfach sagen: wenn ein Kind dabei entsteht, kann ich's ja abtreiben. Und ums nochmal zu wiederholen - das hat das Bundesverfassungsgericht auch mehrfach und eindeutig festgestellt: Eine Abtreibung ist und bleibt unwiderruflich Tötung eines Menschen!
https://www.gbe-bund.de/gbe/pkg_isgbe5.prc_menu_olap?p_uid=gast&p_aid=93924476&p_sprache=D&p_help=3&p_indnr=240&p_indsp=&p_ityp=H&p_fid=
Wenn Sie zahlen nennen, dann bitte vollständig. Auf jeden Fall kann man aus den Zahlen keine Verantwortungslosigkeit herauslesen. Im Gegenteil. Es gibt eine Rückläufigkeit. Vor jedem Abbruch gibt es intensive Beratungs- und Aufklärungsgespräche. Sie verurteilen hier Frauen, ohne deren Geschichte zu kennen. Das Bundesverfassungsgericht hat auch festgestellt, dass unter bestimmten Umständen ein Schwangerschaftsabbruch nicht verboten ist. Sie tun so, als wäre das verfassungswidrig. Ist es aber nicht.
Selbstbestimmungsrecht - gerne und absolut - vor einer Schwangerschaft. Es gehört zum Selbstbestimmungsrecht, zu entscheiden ob ich schwanger werden will oder nicht!
Sobald eine Schwangerschaft vorliegt, stehen hier im Konfliktfall zwei Grundrechte diametral einander gegenüber - das Selbstbestimmungsrecht der Frau und das grundrecht des ungeborenen Kindes auf Leben!
Nur weil Zahlen zurückgehen ist doch noch lange kein Beleg dafür, dass mit dem Thema verantwortungsvoll umgegangen wird - 100.000 Abtreibungen - das ist fast 2x die Einwohnerzahl von Schweinfurt - lassen Sie sich das bitte mal vor Augen führen!
Ansonsten ist und bleibt ein Abbruch grundsätzlich verboten, nur unter Umständen straffrei - ob Ihnen das gefällt oder nicht!
https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/familie/schwangerschaft-und-kinderwunsch/schwangerschaftsabbruch/schwangerschaftsabbruch-nach-218-strafgesetzbuch-81020