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Würzburg/Schweinfurt
Bürokratischer Kleinkrieg um Corona-Hilfen und viel Streit vor Gericht: Freistaat will von Unternehmen Geld zurück
Corona-Schlussabrechnungen sind derzeit ein Ärgernis für viele Betriebe auch in Unterfranken. Während der Pandemie bekamen sie Geld vom Staat. Was jetzt das Problem ist.
Finanznot in der Corona-Pandemie: Der Staat setzte mehrere Hilfspakete auf, fordert jetzt aber in vielen Fällen das Geld zurück. Das beschäftigt auch in Unterfranken Behörden und Gerichte.
Foto: Thomas Frey, dpa (Archivbild) | Finanznot in der Corona-Pandemie: Der Staat setzte mehrere Hilfspakete auf, fordert jetzt aber in vielen Fällen das Geld zurück. Das beschäftigt auch in Unterfranken Behörden und Gerichte.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 13.02.2025 02:42 Uhr

Der Staat hat während der Corona-Pandemie den Unternehmen mit vielen Milliarden Euro unter die Arme gegriffen. Dass er nun das Geld zurückhaben will, sorgt für großen Zoff mit Behörden und Gerichten. 

So lagen dem Verwaltungsgericht in Würzburg im vergangenen Jahr 444 Fälle zu Corona-Hilfen vor - rein rechnerisch 8,5 Fälle pro Woche. Wie Gerichtssprecher Florian Kreiselmeier mitteilt, wurde erst über knapp die Hälfte der Verfahren entschieden.

Rückzahlung der Hilfe: Zahnarztpraxis verliert vor Würzburger Gericht

Jüngster Fall ist die Klage einer Zahnarztpraxis, die nun 7500 Euro an den Freistaat Bayern zurückzahlen muss. Das Würzburger Verwaltungsgericht entschied, dass die Regierung von Unterfranken die einst gezahlte Corona-Soforthilfe zu Recht zurückverlangte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass bei der Zahnarztpraxis kein Liquiditätsengpass vorgelegen habe, der einer staatlichen Hilfe bedurft hätte. Es habe auf der Hand gelegen, dass die Zahnarztpraxis die Corona-Soforthilfe nicht behalten durfte.

All die Stützen von damals haben einen schier undurchdringlichen Dschungel an Fragen und Verfahren nach sich gezogen. Die Corona-Soforthilfe war 2020 eine der ersten Maßnahmen der öffentlichen Hand gewesen. Für die Schlussabrechnungen ist in der Region die Regierung von Unterfranken zuständig.

Bei der Regierung von Unterfranken sind noch 3000 Schlussabrechnungen offen

Auf Anfrage teilt die Regierung mit, dass 2020 in Unterfranken etwa 43.000 Anträge auf Soforthilfe gestellt und davon 29.000 mit einer Gesamtsumme von 190 Millionen Euro Fördergeld bewilligt worden seien. Was die Schlussabrechnungen angeht, sind demnach noch 3000 Fälle offen. Darunter seien 2200 Fälle, in denen die Regierung das Geld zurückfordern werde, weil sich die Empfänger nicht fristgerecht gemeldet haben. "Im ersten Halbjahr 2025" will die Regierung dann auch über den letzten Fall entschieden haben.

Der Soforthilfe folgten unter anderem die "Überbrückungshilfen I bis III" sowie die "November-" und "Dezember-Hilfe". Fachleute sprechen hier vom "Paket 1". Schließlich kamen bis 2023 die "Überbrückungshilfe III Plus" und "Überbrückungshilfe IV" dazu, was zusammen als "Paket 2" bezeichnet wird.

Für die Schlussabrechnungen dieser beiden Pakete ist in Bayern zentral die Industrie- und Handelskammer (IHK) Oberbayern in München zuständig. Nach einer Fristverlängerung war der 30. September 2024 das finale Datum für die Abrechnungen. Unternehmen konnten sie nicht selbst einreichen, sondern mussten dafür sogenannte "prüfende Dritte" einschalten, in der Regel Steuerberater.

Mit der Schlussabrechnung müssen die Unternehmen beweisen, dass sie das Geld vom Staat zu Recht bekommen haben. Im Kern geht es also um die Frage, wie sehr Corona in den Betrieben tatsächlich zu Liquiditätsengpässen geführt hat.

"Die Unternehmen haben echt gelitten."
Coronahilfe-Experte Robert Grünewald

Robert Grünewald von der Steuerberatungskanzlei Pickel & Partner in Schweinfurt beschäftigt sich seit vielen Monaten mit Streitfällen rund um die Pakete 1 und 2. Es gebe wegen der Rückforderungen des Staates mittlerweile einen regelrechten "Kleinkrieg mit der IHK Oberbayern", sagt der Bilanzbuchhalter. Mitunter gehe es um Kleinbeträge, teils aber auch um viel Geld für die Betriebe. "Die Unternehmen haben echt gelitten." 

Es sei bisweilen "völlig absurd", was die IHK in München von den Firmen wegen der Schlussabrechnungen wolle, sagt Grünewald. Manchmal müsse er für seine Mandanten mehrmals die immer gleichen Daten übermitteln. Die Corona-Hilfen des Staates seien gut gewesen, doch die Bürokratie jetzt sei ein Graus.

Staatliche Rückzahlungen: Wie groß die Chance vor Gericht ist

Vors Gericht zu ziehen, scheint für die Betriebe nicht aussichtsreich zu sein. Wie die IHK Oberbayern auf Anfrage mitteilt, waren gerade mal 0,7 Prozent der klagenden Unternehmen erfolgreich, die zu Erstanträgen und Schlussabrechnungen für die Pakete 1 und 2 vor Gericht gingen.

Für die IHK bleibt noch viel zu tun: Entschieden wurden laut Behörde bislang erst über 43 Prozent der eingereichten Schlussabrechnungen aus ganz Bayern. 55 Prozent der wegen Coronahilfen eingereichten Klagen seien noch offen. Das heißt: Nahezu jedes zweite betroffene Unternehmen im Freistaat wartet noch auf eine Entscheidung.

Teils erhalten Unternehmen sogar eine Nachzahlung

Die gute Nachricht: Bei den Schlussabrechnung für Paket 1 oder 2 entschied die IHK Oberbayern bislang durchschnittlich in jedem zweiten Fall zugunsten des Unternehmens. Bei 29 Prozent der Anträge erhielten Betriebe nachträglich sogar eine Nachzahlung. In 20 Prozent der Fälle verlangte die IHK Geld zurück – aber "in den allermeisten Fällen nur einen Teil der Fördersumme".

 
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